Für ein paar Sekunden sah McLaren-Pilot Lando Norris in Imola wie der große Held aus. Bei ablaufender Uhr brannte er im Qualifying Sektor-Bestzeiten in den Asphalt, kam mit einer 1:14.454 über die Linie - P3! Schneller als ein Mercedes, und schneller als ein Red Bull!

Dann die Ernüchterung: In Piratella hatte Norris die weiße Linie überfahren, wurde eines Track-Limit-Verstoßes schuldig gesprochen. Um Zentimeter, wie die Zeitlupe enthüllte. Die Zeit wurde gestrichen. Aus P3 wurde P7, selbst hinter Teamkollege Daniel Ricciardo fiel er zurück.

Norris nach Qualifying gefrustet: Um Zentimeter selbst vergeigt

Es war Norris' erste Übertretung im Qualifying - ausgerechnet auf der letzten Runde. Nachdem er von Q1 an die Spitzenfahrer von Red Bull und Mercedes ärgern hatte können. "Auf der einen Runde, auf der ich keinen Fehler machen durfte, hab ich es vergeigt!", ärgert er sich gleich danach auf Sky UK. Später stellt er sich hinter seine harte Selbstkritik: "Es hätte P3 sein sollen. Ich bin gar nicht happy mit mir. Es gab so viel Positives aus dieser Session, und es hätte P3 sein können. Das ganze Qualifying war so stark!"

"Ich fuhr die Kurve nicht viel anders als in den vorherigen Runden, da bist du immer knapp am Limit", erklärt Norris. Jeder Fahrer flirtete in Piratella vom ersten Training an mit dem Limit, unzählige Runden wurden schon gestrichen. "Ich habe in dem Moment nicht daran gedacht, es war ein bisschen überraschend. Aber das liegt daran, dass alle Runden sehr ähnlich sind. Diesmal war ich nur ein paar Zentimeter weiter. Das spürst du im Auto nicht."

McLaren überrascht sich mit starkem Imola-Qualifying

McLaren und Norris verspielten so einen großen Matchball für das Rennen in Imola. Die Strecke ist notorisch überholfeindlich, ein dritter Startplatz hätte Gold wert sein können. So muss das Team mit Ricciardo auf Platz sechs und Norris auf Platz sieben leben. Trotzdem können sie mit diesem Samstag gut leben - denn am Freitag waren Ricciardo und Norris mit der Balance noch ganz und gar nicht zufrieden. "Wir dachten, Q3 würde marginal werden", gesteht Teamchef Andreas Seidl.

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Norris summiert: "Wir haben nicht gut begonnen, aber viel über das Auto gelernt, und schließlich ist das eine andere Strecke. Über Nacht, in FP3, und im Qualifying haben wir immer mehr Potential rausholen können." Plötzlich war er der Pacesetter im Mittelfeld. Auch wenn ihm die beste Zeit gestrichen wurde, gilt der Einwand: Diese paar Zentimeter brachten keinen messbaren Vorteil. "Heute haben wir denke ich gezeigt, dass wir, wenn wir es hinbekommen und das Auto besser verstehen, dran sein können, mit Mercedes und Red Bull kämpfen können, und so weiter. Das ist nett zu wissen."

Norris am Freitag in Imola - da lief es nicht, Foto: LAT Images
Norris am Freitag in Imola - da lief es nicht, Foto: LAT Images

"Wenn du dir die Lücke zu den üblichen Verdächtigen Mercedes und Red Bull vorne anschaust, ist das fast nichts", hebt sein Teamchef Seidl daher auch hervor. "Selbst wenn du die vier Zehntel nimmst, die wir jetzt hinten sind, ist das verglichen mit dem Vorjahr fast nichts."

Ricciardo kämpft in Imola weiter mit dem McLaren

Etwas enttäuschender verlief die Session für Daniel Ricciardo, für den das teaminterne Duell nur dank Norris' kleinen Fehleinschätzung nicht mit einer satten Vier-Zehntel-Niederlage endete. Die anspruchsvolle Strecke in Imola bereitete dem Australier, der sich nach wie vor nicht eins mit dem McLaren fühlt, mehr Probleme als zuletzt Bahrain: "Es gibt wohl noch ein paar alte Angewohnheiten, die ich loswerden muss. Aber mit jeder Runde wird es besser."

Das Rennen muss das McLaren-Duo daher wieder hinter den Hauptkontrahenten Charles Leclerc von Ferrari und Pierre Gasly von AlphaTauri aufnehmen.