Knapp vier Monate nach Romain Grosjeans Horror-Crash von Bahrain hat die FIA nun ihren umfangreichen Unfallbericht veröffentlicht. Wie bei jedem schweren Unfall nahm sich die Sicherheits-Abteilung der Motorsport-Behörde der Untersuchung an - 2020 war Grosjeans Crash einer von 19 signifikanten Zwischenfällen.
Der Unfallhergang an sich ist klar, er war in den Videobildern der Formel 1 gut dokumentiert. Eindeutig geklärt ist jetzt auch die Ursache des dramatischen Feuerballes, der zum Zeitpunkt des Unfalles viele Fragen aufgeworfen hatte. Sind solche Feuer in der modernen Formel 1 doch schon fast in Vergessenheit geraten.
Grosjean-Crash: 67 g zerstören Leitplanke und Benzinleitungen
Grosjeans ursprünglicher Kontakt mit dem AlphaTauri von Daniil Kvyat, der den Unfall ausgelöst hatte, war, so die FIA-Messungen, bei 241 km/h geschehen. Der fast sofort folgende Einschlag in die Dreifach-Leitplanke geschah bei noch immer 192 km/h, und in einem Winkel von 29 Grad, beziehungsweise in einem Scherwinkel von 22 Grad in Fahrtrichtung.
Die Konsequenz: ein Einschlag von 67 g, dem das mittlere Element der Leitplanke nicht standhalten konnte, wodurch das Auto die Absperrung teilweise durchbrechen konnte, und wodurch sich zugleich das Heck von der Überlebenszelle trennte. Das Energy Recovery System wurde schwer beschädigt und zerteilt. Teile des ERS-Batteriesystems blieben am Heck hängen, andere am Monocoque.
Beim Einschlag löste sich auch die linke Inspektions-Luke des Tanks. Weiters wurden die Benzinleitungen von der Sicherheits-Blase des Tanks - der im Monocoque untergebracht ist - weggerissen. Beides ermöglichte es Treibstoff, sofort auszutreten, was den Feuerball erklärt und die ersten Annahmen bestätigt. Es legt auch den Fokus auf die Installation und Regulation dieser Elemente. Besonders, da es eigentlich Sicherheitsventile gibt, die im Falle von gebrochenen Leitungen den Tank versiegeln sollen.
Grosjeans Überlebenszelle hielt aus, was sie musste
Die FIA hält aber auch fest: Sämtliches Schutz-Equipment des Fahrers, von HANS bis Sicherheitsgurt, und das ganze Monocoque von Sitz über Kopfstütze bis Halo verhielten sich so wie erwartet, und beschützten Grosjean vor den ungeheuren Kräften, die beim Aufprall und beim Durchschlagen der Leitplanke frei wurden.
Allerdings kamen sie nicht ohne Schäden davon. Sowohl Teile der Überlebenszelle als auch Teile des Cockpits gingen kaputt. Daher steckte Grosjean nach dem Unfall mit dem linken Fuß fest und musste sich aus seinem Schuh befreien.
5,5 Sekunden nach dem Einschlag wurde das Rennen bereits abgebrochen. Innerhalb von 27 Sekunden kam Grosjean dann ohne Hilfe aus dem Cockpit, wenngleich das Medical Car schon elf Sekunden nach dem Unfall vor Ort war, und Rennarzt Ian Roberts sofort Hilfe leisten konnte.
FIA erweitert Sicherheits-Initiativen für 2021
Der finale Unfall-Bericht wurde der FIA Serious Accident Study Group und Präsident Jean Todt vorgelegt. Auch die Fahrer-Gewerkschaft GPDA unterstützte. Im März wurden die Ergebnisse intern in den Arbeitsgruppen präsentiert.
FIA-Sicherheitsdirektor Adam Baker summiert: "Unfälle mit Feuer in diesem Ausmaß sind glücklicherweise selten. Daher ist es sehr wichtig, zu lernen, was wir können, inklusive der Interaktion mit dem Hochspannungs-System. Der Einsatz aller Beteiligten war heroisch, und sie wurden zurecht gelobt."
Anhand des Grosjean-Crashs, sowie anhand der anderen 18 analysierten schweren Unfälle, wurden wie nach jedem Jahr üblich schließlich neue Arbeits-Bereiche in puncto Sicherheit definiert.
Die Liste fällt ein weiteres Mal umfangreich aus und inkludiert die Überlebenszelle, Rückspiegel-Platzierungen, die Befestigung der Lenksäule, die Kopfstütze, die Power-Unit-Befestigungen, die 'Wheel Tethers' welche Reifen bei Unfällen am Chassis halten sollen und natürlich mehrere Punkte zu Tanks und Tanköffnungen, Cockpit-Feuerlöscher, und Absperrungen an der Strecke sowie Öffnungen in eben diesen.
Genauso rückt das Schutz-Equipment des Fahrers wieder in den Fokus. Die Handschuhe, aber auch Visiere, die sich auch nach Feuereinfluss öffnen lassen, stehen auf der Liste. Und schließlich noch das Equipment des Medical Cars, und theoretische Konzepte wie Kollisionswarner. Viele dieser Arbeitsbereiche gehen eindeutig auf den Grosjean-Unfall zurück.
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