Renault hat seinen Aufwärtstrend der vergangenen Wochen auch beim zehnten Rennen der Formel-1-Saison 2020 fortgesetzt: Beim Russland GP in Sotschi erbeuteten Daniel Ricciardo und Esteban Ocon für die Ränge fünf und sieben mit insgesamt 16 Punkten mehr WM-Zähler als ihre direkten Konkurrenten im Kampf um Platz drei der Konstrukteurswertung, McLaren und Racing Point.

Ein makelloses Rennen erlebten allerdings weder der Australier noch der Franzose - Strafe auf der einen Seite, schwacher zweite Stint auf der anderen. „Das Ergebnis war gut, aber auf dem Weg dahin kamen mir wortwörtlich ein paar Speedbumps in die Quere“, resümiert Ricciardo treffend.

Start in Sotschi: Ricciardo & Ocon große Gewinner

Aber der Reihe nach. Der Auftakt in den Russland GP verlief für das Renault-Duo nach Maß. Aus den Unfällen des Startgetümmels hielten sich Ricciardo und Ocon gleichermaßen heraus, kamen auf den Rängen vier und fünf zurück aus der ersten Runde. „Ich hatte einen Raketenstart, wie so oft zuletzt“ berichtet Ricciardo. So überholte der ‚Honeybadger’ gleich einmal den Racing Point von Sergio Perez.

Dafür hatte allerdings Teamkollege Ocon gleich beide kassiert - und ließ einen starken ersten Stint folgen. Selbst mit den drei Top-Autos von Lewis Hamilton, Valtteri Bottas und Max Verstappen kam der Franzose halbwegs mit.

Esteban Ocon: Erster Stint bester meiner Saison

„Der erste Teil des Rennens war der vielleicht stärkste meiner bisherigen Saison. Ich hatte einen guten Start und die Pace war im ersten Stint mit dem Soft sehr stark, auch im Vergleich zu Daniel. Ich konnte den Reifen da sogar ein paar Runden länger bei der Stange halten“, berichtet Ocon. So vermochte es der Franzose tatsächlich, den ersten Stint drei Runden länger auszudehnen als Ricciardo.

Dessen Stopp in Runde 14 hing allerdings direkt mit einem erfolgreichen Überholmanöver durch Perez zusammen. Unmittelbar nachdem der Mexikaner den Australier sehenswert in der langen Kurve drei kassiert hatte, bog Ricciardo für einen Konter-Versuch per Undercut in die Boxengasse ab. Auszahlen sollte der sich allerdings nicht. Im Gegenteil: Der Racing Point war mit freier Bahn derart bestechend in Form, dass er per Overcut nach seinem Stopp auch Ocon kassiert hatte.

Ocon auf Hard in Trouble, Renault reagiert spät

„Wir hatten am Ende die Pace, zeitweise war ich schneller als Perez. Aber die Mehrheit des Rennens, vor allem auf dem Soft, hatte er uns heute in der Tasche“, analysiert Ricciardo. Im Schlussstint auf den harten Reifen kam Ricciardo in Sachen Pace also wieder besser mit - doch stellte sich Renault dann selbst ein Bein. Den mit den harten Reifen deutlich schnelleren Ricciardo zitierten die Franzosen per Teamstrategie erst in Runde 24 vorbei an Ocon. So ging wertvolle Zeit verloren.

„Nach dem Stopp war es mit den härteren Reifen schwieriger, das müssen wir anschauen. Da wären von meiner Seite vielleicht ein paar Punkte mehr drin gewesen“, sagt Ocon, der durch einen Overcut Charles Leclercs hinter den Ferrari zurückfiel. So war ein Zurücktauschen mit Ricciardo später im Rennen nicht mehr möglich - zumal Ricciardo Leclerc mindestens fünf Sekunden enteilen musste.

Renault vermasselt Platztausch: Strafe für Ricciardo

Hintergrund: Der teaminterne Tausch bei Renault kam nicht nur spät, er verlief auch alles andere als ideal. Ocon verlor am Ende der langen Start-Ziel-Geraden mehr Zeit als nötig, Ricciardo verbremste sich bei der Aktion in Kurve zwei hinein. So sehr, dass er derart weit über den Außenkerb holperte, dass es als Verpassen der Kurve gewertet wurde - und damit als Verstoß gegen die Anweisungen des Rennleiters: Weil Ricciardo weiterfuhr statt einer vorgegebenen Route durch die Auslaufzone zu folgen, kassiert der Australier eine Zeitstrafe in Höhe von fünf Sekunden.

„Ich habe mich verbremst und gedacht ‚Arggghs, das wird eng!’ Aber du hast da einfach bis zur letzten Sekunde Hoffnung, dass es noch gutgeht. Sobald du dich dann festgelegt hast, kannst du nicht mehr zurück, sonst verlierst du da vielleicht sogar mehr als diese fünf Sekunden. Deshalb habe ich gesagt, ich ziehe durch - vielleicht bekomme ich die Strafe und sauge die dann eben auf“, schildert Ricciardo die Szene.

Daniel Ricciardo bügelt Strafe aus

Die Schuld nahm er schon am Boxenfunk gleich auf sich - und die Strafe nicht schwer. „Dann fahre ich schneller“, funkte Ricciardo lapidar. Gesagt, getan. Die Ziellinie überquerte der Renault-Pilot 15 Sekunden vor Leclerc - mehr als genug, um Platz fünf zu behalten.

Ricciardo dazu: „Ich habe die volle Verantwortung dafür übernommen. Ich habe mich verbremst und bin weit gegangen. Da habe ich schon gedacht, dass es eine Strafe gibt. Ich hatte es in meinem Kopf schon akzeptiert. Der einzige Weg, die Strafe auszumerzen, war, schneller zu fahren und eine Lücke auf Leclerc zu bilden. Das war gut, es hat das Feuer in mir entfacht! Ich war stolz, dass ich es mir nicht habe zu Kopf steigen lassen und mir trotzdem ein gutes Rennen gelungen ist. Es hat nur etwas zusätzliche Arbeit von meiner Seite erfordert.“

WM-Stand Formel 1: Renault jagt McLaren & Racing Point

Deshalb überwiegt für den Australier am Ende ganz klar das Positive. „Auch wenn es ein paar nicht ganz perfekte Dinge von meiner Seite gab. Aber die habe ich unter dem Strich ausgeräumt“, sagt Ricciardo. Ocon schließt sich weitgehend an. „Wegen dieses zweiten Stints fühlt es sich jetzt nicht fantastisch an, aber es ist noch immer ein ordentliches Ergebnis für das Team. Wir haben auf den dritten Platz bei den Konstrukteuren aufgeholt“, sagt der Franzose.

Sieben Punkte trennen Renault (99 Punkte) in der WM-Wertung durch die 16 Zähler aus Russland nun nur noch von McLaren (106) auf dem dritten Rang. Woking ging in Sotschi zum ersten Mal in der Formel-1-Saison 2020 komplett leer aus. Zwischen den Renault-befeuerten Teams rangiert noch Racing Point mit 104 Zählern.