Mercedes schenkte der Konkurrenz trotz Verbot des Qualifying-Modus in Monza den nächsten Nachschlag seiner erdrückenden Dominanz ein. Beim achten Rennen der Formel-1-Saison 2020 wird der Kampf um den Sieg einmal mehr eine klare Angelegenheit zwischen Lewis Hamilton und Valtteri Bottas. Das eigentliche Rennen findet hinter dem Weltmeister-Team statt. McLaren, Racing Point und Renault wollen Red Bulls Knick nutzen, um Max Verstappen vom Treppchen zu stoßen.

Jegliche Hoffnung auf einen anderen Sieger als Mercedes dürfte sich auch beim Italien GP nur durch außergewöhnliche Ereignisse erfüllen lassen, die Hamilton und Bottas aus der Bahn werfen. Die Hoffnung auf etwas Abwechslung durch einen Triumph des Finnen ruht - wie sollte es anders sein- auf dem Start.

Einmal mehr verpasste Bottas die Pole Position nur knapp. Sieben Hundertstel bescherten dem Herausforderer die sechste Qualifying-Niederlage in Folge. Auf dem Papier sieht das zwar übel aus, doch eins muss man Bottas lassen: seine Beharrlichkeit ist bemerkenswert. Trotz der anhaltenden Niederlagen bleibt er motiviert und Hamilton stets auf den Fersen.

Die zweiten Startplätze führten in den Rennen allerdings noch nicht zum Erfolg. In Ungarn und Budapest setzte Bottas seine Starts jeweils in den Sand und landete am Ende als Dritter nicht einmal direkt hinter Hamilton. In Monza bietet der Sprint zur ersten Kurve wie in Barcelona wieder eine ausgezeichnete Möglichkeit dank üppigem Windschatten - aber nur, wenn man beim Erlöschen der Ampeln auch wegkommt.

Red Bulls Formknick macht Konkurrenz Hoffnung

Da die Top-10 geschlossen auf dem Soft-Reifen starten, wird Mercedes so oder so den Ton angeben. In den Longruns am Freitag war Hamilton über eine halbe Sekunde schneller als Bottas und fast eine Sekunde flotter als der schnellste Fahrer unter den Verfolgern, Max Verstappen. Gelingt Bottas der Move in der Startphase nicht, dürfte sich die Hoffnung auf einen Kampf um den Sieg wohl oder übel erledigt haben. Strategisch bleiben nicht viele Möglichkeiten. Pirelli rechnet fest mit einem Einstopp-Rennen.

Dafür wird sich Carlos Sainz dann über die von ihm seit langer Zeit erhoffte Screen-Time freuen dürfen. Der Spanier führt als Dritter in der Startaufstellung den Best of the Rest an, der diesmal besonders scharf auf den letzten Platz auf dem Treppchen ist. Red Bull strauchelt in Monza so sehr, dass selbst für Verstappen nicht mehr als P5 im Grid drin war.

"Max startet nicht als Dritter und er ist sonst der Podest-Fahrer. Dass ihn ein paar Autos davon trennen, sollte für ein paar gute Kämpfe sorgen", hofft Daniel Ricciardo, der sich als Siebter nur anderthalb Zehntel hinter Sainz qualifizierte. Von P3 bis P13 lag das Feld im Qualifying innerhalb von fünf Zehntelsekunden.

Formel 1, Gegner zittern: Mercedes jetzt noch stärker? (09:38 Min.)

Renault glaubt an starke Rennpace

In diesem dichten Verfolgerfeld sind McLaren, Racing Point, Red Bull, Renault, AlphaTauri und Ferrari vertreten. In Spa-Francorchamps war Renault hinter Mercedes und Verstappen noch die stärkste Kraft. Die Franzosen rechneten sich nach ihrem Höhenflug in den Ardennen große Chancen auf das erste Podest seit der Rückkehr in die F1 2016 aus. Doch die Stärken des R.S.20 kamen auf dem Highspeed-Kurs wider Erwarten doch nicht so zur Geltung.

Ricciardo ist trotzdem optimistisch, ein Wort um den letzten Pokal mitreden zu können: "Wir sind bei der Rennpace alle dicht beieinander. Wir werden keine Prozession erleben, es wird vorwärts gehen. Normalerweise sind wir im Rennen immer etwas besser, wenn wir im Qualifying nicht sonderlich schnell waren."

Die Longrun-Zeiten bestätigen das. Zumindest auf Soft und Medium stand Renault besser da als der Großteil der Konkurrenz. "Im Longrun sahen Red Bull und Renault schneller aus als wir. Im Rennen erwacht Red Bull immer zum Leben, deshalb wird es schwer werden, Verstappen hinter uns zu halten", sagt Sainz. Mit dieser Einschätzung könnte er richtig liegen, denn vor allem auf dem Soft-Reifen fuhr Verstappen deutlich die schnellsten Zeiten hinter Mercedes.

Racing Point muss Achillesferse fürchten

Orientiert man sich an den Zeiten aus den Trainings, steht ein Team auf dem weichen Reifen überhaupt nicht gut da. Im Qualifying zeigte Perez mit Platz vier zwar einmal mehr das Potential des RP20 auf, doch auf den Rennsimulationen war er sogar langsamer als Charles Leclerc im Ferrari. Auf dem Medium-Compound liegen er und Stroll im Nirgendwo zwischen Renault und Alfa Romeo.

Der Mexikaner glaubt trotzdem fest daran, seinen acht mit Mittelfeld-Teams erkämpften Pokalen am Sonntag einen weiteren hinzufügen zu können."Wenn alles richtig läuft, sollten wir das Podium erreichen", sagt er. An der Zeit wäre es, denn Teamchef Otmar Szafnauer ging bei der Präsentation des Teams im Winter jede Wette ein, dass diese Saison sogar beide seiner Fahrer Edelmetall holen. Bisher herrscht im Trophäenschrank für 2020 gähnende Leere.

Ob sich das am Sonntag ändert, ist fraglich. Das Rennen ist in diesem Jahr eindeutig Racing Points Schwäche. Gute Qualifying-Resultate in Ergebnisse zu verwandeln, ist mit dem RP20 kein Selbstläufer. "Das Auto ist natürlich ganz anders als das, was wir vorher hatten", sagt Perez. Doch mit der Podest-Armut steht sein Team nicht alleine da. Bis auf Mercedes und Red Bull standen 2020 nur McLaren und Ferrari auf dem Treppchen.

AlphaTauri als Underdog: Es ist alles drin

Während Renault und Racing Point gerne und viel vom Podest reden, ist AlphaTauri der Leisetreter im Verfolgerfeld - dabei kann Red Bulls Schwesterteam das mit den Champagnerduschen und den Jubelschreien im Boxenfunk eigentlich ganz gut. 2019 fuhren Kvyat und Gasly zweimal unter die Top-3. In Monza sind sie als die Underdogs im Kampf hinter der Spitze nicht außer Acht zu lassen.

"Es ist alles drin", glaubt Daniil Kvyat, der als Elfter ins Rennen geht und damit der erste Fahrer im Grid ist, der eine alternative Strategie einsetzen kann. Er muss nicht wie die Top-10 auf dem Soft-Reifen starten - und sollten sich die Longruns der Trainings im Rennen bewahrheiten, wäre er auf dem Hard-Compound sowieso besser bedient. Im Mittelwert fuhr er mit dieser Mischung genauso schnell wie Ricciardo auf Soft.

Ferrari hoffnungslos, Verstappen kämpferisch

Auf jeder Mischung zu langsam und folglich auch ohne Hoffnung auf das Podest geht eine Startreihe hinter ihm Ferrari-Pilot Charles Leclerc ins Heimrennen. "Ich erwarte auch morgen keine Wunder. Vielleicht können wir im Rennen noch Punkte holen, ich werde mein Bestes geben", so der Monegasse. Die schwachen Topspeeds des SF1000 lassen darauf schließen, dass er und Sebastian Vettel es einmal mehr mit Alfa Romeo und Haas zu tun bekommen, anstatt sich großartig nach vorne zu orientieren.

Abschließend bleibt eigentlich nur noch die Einschätzung Max Verstappens, der am Sonntag den Endgegner für die Podest-lüsterne Konkurrenz gibt. "Es wird nicht einfach zu überholen und wir sind von der dritten bis zur zehnten Position alle eng zusammen", so der Niederländer. "Ich erwarte aber, um P3 kämpfen zu können - von Mercedes reden wir aber gar nicht erst."

Formel 1, Monza-Training: Longruns auf Soft-Reifen

Fahrer Ø RundenzeitRückstandReifenalter in Runden
Lewis Hamilton1:24.00015
Valtteri Bottas1:24.619+ 0.61914
Max Verstappen1:24.912+ 0.91214
Daniel Ricciardo1:25.296+ 1.29617
Esteban Ocon1:25.409+ 1.40915
Pierre Gasly1:25.547+ 1.54717
Carlos Sainz1:25.559+ 1.55917
Charles Leclerc1:25.576+ 1.57612
Daniil Kvyat1:25.617+ 1.61715
Sergio Perez1:25.789+ 1.78913
Romain Grosjean1:25.859+ 1.85917
Alexander Albon1:25.935+ 1.93515
Lance Stroll1:26.005+ 2.00515
George Russell1:26.021+ 2.02113
Sebastian Vettel1:26.064+ 2.06413
Antonio Giovinazzi1:26.134+ 2.13411
Kimi Räikkönen1:26.618+ 2.61813
Kevin Magnussen1:26.713+ 2.71323

Formel 1, Monza-Training: Longruns auf Medium-Reifen

Fahrer Ø RundenzeitRückstandReifenalter in Runden
Lewis Hamilton1:23.91517
Daniel Ricciardo1:24.356+ 0.44112
Esteban Ocon1:24.912+ 0.99717
Sergio Perez1:25.228+ 1.31318
Lance Stroll1:25.534+ 1.61917
Kimi Räikkönen1:25.843+ 1.92817
Charles Leclerc1:25.969+ 2.05420
George Russell1:26.193+ 2.27821

Formel 1, Monza-Training: Longruns auf Hard-Reifen

Fahrer Ø RundenzeitRückstandReifenalter in Runden
Valtteri Bottas1:23.86414
Max Verstappen1:24.589+ 0.72517
Carlos Sainz1:24.754+ 0.89012
Daniil Kvyat1:25.268+ 1.40420
Alexander Albon1:25.479+ 1.61521
Romain Grosjean1:25.727+ 1.86317
Sebastian Vettel1:25.977+ 2.11315
Nicholas Latifi1:26.406+ 2.54225
Antonio Giovinazzi1:26.579+ 2.71521