Kippt die Formel-1-Weltmeisterschaft 2020? Nach vier Wochenenden Mercedes-Dominanz schlug beim zweiten Rennen in Silverstone plötzlich Red Bull zurück. Max Verstappen biss sich vom vierten Startplatz dank alternativer Strategie gegen Lewis Hamilton und Valtteri Bottas durch. Einzig dem Glück einer gewagten Taktik verdankte der auf harten Reifen gestartete Verstappen seinen Sieg allerdings nicht. Der RB16 war dem W11 auch in Sachen Pace überlegen.
Das neue Kräfteverhältnis bedingten allerdings diverse Faktoren. Hitze, weichere Reifen als am ersten Wochenende in England - bei natürlich gleichbleibend fordernder Highspeedstrecke - und höhere Reifendrücke nach den Reifenschäden am Ende des Großbritannien GP. Deshalb hat Red Bull inzwischen zwar wieder etwas Hoffnung geschöpft, Mercedes 2020 doch noch im Kampf um die WM-Titel herausfordern zu können, doch so ganz trauen weder Team noch Fahrer dem Braten. Immer werden die Umstände nicht helfen, Red Bull muss seine Performance auch mit härteren Reifen und bei kühleren Graden auf Mercedes-Level hieven.
Formel 1 Barcelona: Hamilton & Bottas erwarten wieder Probleme
Beim kommenden Wochenende in Spanien deutet allerdings so manches auf eine kurzfristige Fortsetzung. Mercedes jedenfalls reist alarmiert nach Barcelona. „Ich erwarte, dass wir auf dieser Strecke vielleicht ähnliche Probleme haben werden wie hier“, fürchtet Hamilton. „Besonders, falls es heiß werden sollte. Vielleicht wird es nicht so schlimm wie heute, aber es wird noch immer eine ernsthafte Herausforderung für uns“, sagte der Brite nach dem Rennen in Silverstone über den kommenden Grand Prix. Teamkollege Bottas spiegelte diese Einschätzung. „Ich gehe davon aus, dass es warm werden wird und zumindest heute scheint Red Bull ziemlich stark, wenn es heiß ist“, sagte der Finne.
Tatsächlich liegen die Mercedes-Piloten mit dieser Erwartung des Wetters in Katalonien richtig. Für das gesamten Wochenende sind nach aktuellem Stand purer Sonnenschein bei rund 30 Grad Celsius prognostiziert. Das sorgt Mercedes jedoch nicht allein. „Wir haben schon in der Vergangenheit Anzeichen gesehen, dass unser Vorsprung auf die Verfolger nicht so groß war, wenn es heiß war. Aber es ist etwas einfach, nur zu sagen, es sei heißer“, sagte Toto Wolff. „Es ist komplexer.“
Max Verstappen erwartet kein zweites Wunder: Reifen wieder härter
Der Mercedes-Motorsportchef erinnerte an die weiteren Parameter wie die weicheren Reifen, die höheren Reifendrücke und die hohen Abtriebwerte des Mercedes. Noch dazu sei der Red Bull auch ein ziemlich schnelles Auto. Dass unter diesen Voraussetzungen jedoch mehr ein Problem bei Mercedes besteht als eine Stärke Red Bulls, wurde offensichtlich. Selbst mit frischen harten Reifen verloren Hamilton und Bottas nach ihrem ersten Stopp in Silverstone noch Zeit auf Verstappen auf sehr viel älteren Hard-Pneus. Noch litt Mercedes selbst mit dieser Mischung schnell und heftig unter Blasenbildung. Ein eindeutiges Anzeichen.
In Barcelona bringt Pirelli nun allerdings wieder härtere Reifen, nämlich genau jene Mischungen wie am ersten Wochenende in Silverstone - C1-C3 statt C2-C4 wie in Silverstone II. Das kommt Mercedes entgegen. Verstappen rechnet sich deshalb weniger aus. „Wir haben in Barcelona wieder härtere Reifen. Vergangene Woche haben wir gesehen, dass wir mit denen noch immer etwas weg sind, deshalb erwarte ich dort keine Wunder“, sagte der Niederländer.
Mercedes alarmiert: Brauchen dringend Lösung
Der Parameter Wetter hingegen bleibt, auch der Faktor Strecke wird nicht sehr viel besser. Wie der Silverstone Circuit zählt auch der Circuit de Barcelona-Catanlunya zu jenen Kursen, welche die Reifen besonders rannehmen. Verstappen erwartet allerdings, dass die härteren Reifen das für Mercedes kompensieren können. „Ich weiß, dass diese Strecke hart für die Reifen ist, aber mit den härteren Reifen kannst du etwas härter pushen als heute“, sagte Verstappen nach seinem Sieg in Silverstone.
Mercedes sieht das anders - oder will sich zumindest nicht darauf verlassen. So schlimm wie in Silverstone habe man noch nie unter Blistering gelitten, gab Chefrenningenieur Andrew Shovlin zu Protokoll. Gerade im Verhältnis zum größten Konkurrenten. „Wir waren da am aller- , allerschlimmsten Ende dieses Problems und Red Bull scheint am allerbesten Ende des Spektrums gewesen. Das müssen wir verstehen“, sagte der Brite am Sonntag. „Es gab schon Rennen, in denen da alle im selben Bott waren, aber warum waren wir diesmal ein Ausreißer? Noch haben wir keine Antwort.“
Mercedes: Können Problem-Reifen aus Silverstone nicht umgehen
Die müsse Mercedes nun sehr schnell finden. „Es gibt ein Element der Dringlichkeit, denn wir fliegen am Dienstag nach Barcelona, fahren dort am Freitag, es sollen 30 Grad werden und die Strecke wird ähnlich sein wie diese“, mahnt Shovlin. „Es ist ein High-Energy-Kurs und uns ist sehr bewusst, dass uns ein weiterer Sonntag bevorsteht, an dem wir dumm aussehen, wenn wir das nicht herausfinden.“
An Rettung durch die härteren Reifen glaubt Shovlin nicht. „Wenn wir es nicht gelöst bekommen, kannst du es vielleicht etwas mit dem C1-Reifen kaschieren. Aber wir müssen ja noch immer den Reifen fahren, der uns heute Kummer bereitet hat, fahren. Das löst also das Problem nicht“, erinnert Shovlin an die Regeln. Diese besagen, dass im Rennen zwei verschiedene Mischungen zum Einsatz kommen müssen. Mercedes ist also verpflichtet, in Barcelona neben dem C1 (Hard) auch den C2 (Medium) zu fahren (an C3 ist wohl kaum zu denken). Jener Reifen also, der in Silverstone noch der C1 (Hard) gewesen war und schon nach wenigen Runden Blasen warf.
Mercedes: Ohne Bestform ist Red Bull sofort da
Einzig ein kurzer Stint darauf und alles gut? Das wäre eine Lösung. Doch dafür sei Red Bull zu nah dran. „Wir haben gesehen, dass Red Bull in den Rennen nicht so weit von uns weg war - selbst wenn wir in Bestform schienen“, warnt Shovlin. „Um ehrlich zu sein werden wir wieder in Problemen stecken, sollten wir keinen Fortschritt erzielen. Daher kommt es, dass ich von Dringlichkeit spreche.“
Toto Wolff erwartet, dass Mercedes diese Aufgabe meistern kann. „Wir hatten schon in der Vergangenheit diese Tage und sind stärker zurückgekommen. Deshalb freue ich mich auf Barcelona. Wir haben eine Handvoll Tage, um uns zu sortieren, Lösungen zu finden, sie dann am Freitag in Barcelona zu testen und dann hoffentlich ein besseres Rennen am Sonntag zu haben“, sagte Wolff in Silverstone.
Toto Wolff: Wenig Zeit, große Herausforderung
Letztlich zeugten die Probleme zudem nur von einer Stärke des eigenen Pakets. Mehr Abtrieb als Mercedes hat niemand. Das müsse man jetzt nur auch unter extremen Bedingungen zu nutzen wisse, um nicht über die eigentliche Stärke zu stolpern. „Wir haben vielleicht das schnellste Paket, aber das schnellste Paket generiert auch den meisten Abtrieb und der meiste Abtrieb nimmt die Reifen auch am härtesten ran“, erklärte Wolff.
„Wir müssen also lernen, wie wir das Auto in dieser Hinsicht anpassen können, um den Reifen etwas beim Überleben zu helfen. Ich bin erpicht darauf und interessiert zu sehen, wie wir uns in Barcelona schlagen. Wir haben ein paar Tage und es gibt nichts Besseres als eine große Herausforderung.“
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