Ein freies Wochenende - längere Pausen gibt es in der Formel 1 2020 nicht. Schon startet mit dem Großbritannien GP in Silverstone der zweite Triple-Header. Mercedes schickt sich an, in der WM davonzuziehen. Oder kann die Konkurrenz das doch noch verhindern?

Formel 1, Silverstone: Ferrari-Comeback? Red Bull im Aufwind? (10:00 Min.)

Red Bull versucht jedenfalls alles, um den Anschluss zu halten. Ganz andere Probleme hat Ferrari, sie haben in der Mini-Pause schon im Management umgebaut und befinden sich jetzt im Krisenmodus. Diese Themen, sowie Racing Points zähe Podiumssuche, McLarens Ungarn-Depression und Lewis Hamiltons Heim-Dominanz - das sind die Brennpunkte für den Großbritannien-GP.

#1: Wie reagiert Ferrari?

Ferrari reist auf Platz fünf der Konstrukteurswertung nach Silverstone. Spätestens seit Ungarn ist die Scuderia endgültig im Krisenmodus. Auf dem Red Bull Ring war das schwache Abschneiden noch teilweise mit dem PS-Defizit zu erklären, auf dem Hungaroring - der langsamsten Strecke im Formel-1-Kalender 2020 - wurden Sebastian Vettel und Charles Leclerc sogar überrundet.

"Wir werden sehen, wie sich unser Auto nun auf dieser Art Strecke verhält, die wieder anders ist als jene in Österreich und Ungarn", so Vettel. Besonders optimistisch ist Ferrari aber nicht. "Wir wissen, dass es aus reiner Performance-Sicht schwierig wird, aber wir müssen uns darauf fokussieren, die bestmöglichen Informationen zu sammeln, damit wir unser Auto in die richtige Richtung entwickeln", so Sportdirektor Laurent Mekies.

Auch wenn Ferrari sportlich so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht mehr dasteht, scheint es zumindest intern keine größeren Reibungen zu geben. Teamchef Mattia Binotto kündigte erst kürzlich Umstrukturierungen an, ohne aber Leute zu entlassen. Auch Ober-Boss John Elkann zeigte sich in einem Interview mit der Gazzetta dello Sport geduldig und warnte vor überhöhten Erwartungen, was die Geschwindigkeit des Aufschwungs angeht.

#2: Welches Gesicht zeigt Red Bull?

Weil Ferrari in den vergangenen Wochen so viele Prügel einstecken musste, ging die überraschend schwache Leistung von Red Bull fast unter. Auf dem Hungaroring, der selbsternannten Paradestrecke, qualifizierten sich Max Verstappen und Alexander Albon auf den Rängen sieben und 13 - sogar beide Ferrari lagen vor dem besten Red Bull.

Nach Verstappens Abflug auf dem Weg in die Startaufstellung schien das Chaos perfekt. Allerdings legte der Niederländer mit einer tollen Startrunde die Grundlage für Platz zwei. Das Ergebnis ist schmeichelhaft, die reine Performance hätte maximal zu Platz drei hinter den beiden Mercedes gereicht.

Die Probleme sind tiefgreifend. Zunächst führte man die Unberechenbarkeit des RB16 auf Verwringungen des Unterbodens zurück. Allerdings scheint des Pudels Kern nicht darin zu liegen. Die Aerodynamik ist nicht stabil genug, weshalb sich die Balance des Autos mehrmals in einer Kurve ändert. Red Bull brach deshalb in Ungarn die Sperrstunde, um den Boliden von Freitag auf Samstag komplett umzubauen - auf Test-Spezifikation.

Während für Ferrari die nächste spezielle Streckencharakteristik keinen Hoffnungsschimmer bedeutet, könnte Silverstone für Red Bull tatsächlich etwas besser passen. Außerdem kämpfen die Ingenieure in Milton Keynes hauptsächlich an einer Front. Eine schnelle Lösung ist hier im Vergleich zu Ferrari wahrscheinlicher. Allerdings wird Silverstone von Jahr zu Jahr mehr Power-Strecke, weil immer mehr Grip dazu führt, dass immer mehr Passagen mit vollgas durchfahren werden.

An der Strecke gibt es erste Änderungen: Alexander Albon bekommt mit Simon Rennie einen neuen Renningenieur. Rennie war lange Zeit Renningenieur von Mark Webber, arbeitete aber in den letzten Jahren in der Fabrik. Mike Lugg, Albons bisheriger Renningenieur, bleibt bei Red Bull wird aber künftig eine andere Rolle bekleiden.

#3: Holt sich Hamilton den 7. Heimsieg?

Mit seinem Budapest-Sieg zog Lewis Hamilton bereits mit einem Rekord von Michael Schumacher gleich: acht Siege auf der gleichen Strecke. In Silverstone hat Hamilton bislang 'nur' sechs Siege auf dem Konto, doch sein Heim-GP liegt dem Mercedes-Piloten ähnlich gut wie Ungarn.

Sieg in Silverstone - Lewis Hamilton kennt das Gefühl, Foto: LAT Images
Sieg in Silverstone - Lewis Hamilton kennt das Gefühl, Foto: LAT Images

Mit Ausnahme von 2018, als Hamilton - von Pole gestartet - von Kimi Räikkönen gedreht wurde und am Ende noch Zweiter wurde, gewann der Brite seit 2014 jedes einzelne Rennen in Silverstone.

Zu Hamiltons persönlicher Silverstone-Statistik kommt die Mercedes-Performance hinzu. Seit Jahren kommen die Silberpfeile auf kaum einer Strecke so gut zurecht wie dort. Weil der F1 W11, obwohl er in vielen Dingen mehr Revolution als Evolution darstellt, trotzdem die Gene seiner Vorgänger in sich trägt und vor allem schnelle Kurven liebt, ist Mercedes erneut haushoher Favorit.

#4: Schöpft Racing Point endlich das Potential aus?

Racing Point ist die Überraschung des Jahres. Trotzdem liegt der Rennstall mit seiner Mercedes-Kopie nach drei Rennen 'nur' auf Rang vier in der Weltmeisterschaft. Kollisionen, ein Regen-Qualifying, Strafen und schlechte Starts haben dafür gesorgt, dass Racing Point das Potential bislang nicht voll ausschöpfen konnte.

Vor Red Bull konnte sich Racing Point zuletzt nicht halten, Foto: LAT Images
Vor Red Bull konnte sich Racing Point zuletzt nicht halten, Foto: LAT Images

In Silverstone könnte endlich die ganze große Stunde für den pinken Benz schlagen. Da die Streckencharakteristik dem Original bekanntlich besonders gut lag, stellt sich die Frage, ob die Kopie ähnliche Charakterzüge zeigt. Im Ungarn-Qualifying reichte es bereits für eine rein pinke zweite Startreihe - besser kann es in Silverstone kaum laufen. Doch dann muss die Performance auch mal ins Rennen übertragen werden.

#5: Erholt sich McLaren vom Ungarn-Rückschlag?

Podium beim Auftakt in Österreich, Platz zwei in der Konstrukteurs-WM: Für McLaren begann die Formel-1-Saison 2020 nahezu traumhaft. In Ungarn erlebte die Mannschaft von Andreas Seidl allerdings einen Rückschlag: Gerade so konnte Carlos Sainz noch zwei magere WM-Punkte ergattern.

"Die Stärken und Schwächen unseres Autos waren bei den ersten drei Rennen sehr ähnlich zu dem, was wir beim Test in Barcelona gesehen haben", zeigt sich Technik-Chef James Key beruhigt und erklärt: "Das erlaubt es uns, die Prioritäten bei der Entwicklung so beizubehalten, wie wir es bereits geplant hatten."

Schon in Silverstone wird es nach diesem Plan neue Teile geben. Worum es sich dabei genau handeln soll, will Key allerdings nicht verraten. Gut für McLaren: Weil es zwei Rennwochenenden auf der gleichen Strecke geben wird, haben die Ingenieure ausreichend Möglichkeiten für die Validierung ihrer Ergebnisse.

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