Max Verstappen machte in Runde elf den Auftakt, Daniel Ricciardo zog in Runde 17 nach, Lance Stroll drei Runden später. Weitere vier Runden später legte Kevin Magnussen nach. Der Österreich GP 2020 produzierte Ausfälle am Fließband. Die Technik zeigte sich von ihrer fragilen Seite. Ein seltenes Bild in der modernen Formel 1.

Nur elf Autos sahen am Ende die karierte Flagge. Von den neun Ausfällen waren acht auf die Technik zurückzuführen. Dabei sind technisch bedingte Ausfälle eigentlich die Ausnahme: Obwohl es kaum Testfahrten gibt, geht in Zeiten von Computer-Analysen und Prüfständen kaum etwas kaputt. Doch warum war der Österreich GP so eine Ausnahme?

Grund 1: Saisonauftakt

Selbst in Zeiten von Corona klingt es komisch, aber Österreich war 2020 Saisonauftakt. Eigentlich sind moderne Formel-1-Autos schon von Anfang an recht standfest, selbst bei Testfahrten gibt es kaum noch technische Defekte. Doch in dieser Saison hatte das erste Rennen eine Besonderheit: Die Homologation vieler Komponenten.

In der Coronapause einigten sich die Teams darauf, die Entwicklung zahlreicher Fahrzeugteile einzufrieren. Unter der Karbonhaube war für viele Komponenten Rennen eins die Homologationsdeadline. Das gilt vor allem für die Power Units.

Während der Saison darf der Motor nur sehr geringfügig überarbeitet werden. Bis auf MGU-K und Batterie ist die Power Unit komplett eingefroren. Entsprechend versuchten alle Hersteller, schon beim ersten Rennen Upgrades zu bringen. Weil die Fabriken lange zugesperrt waren, hatten Teams und Motorenhersteller dafür aber weniger Zeit, als es der Kalender vermuten lässt.

Grund 2: Überholfreundlichkeit

Normalerweise startet die Formel 1 in Melbourne in die neue Saison. Der Albert Park ist eine spektakuläre Kulisse für den Auftakt, aber tolle Rennen liefert er nur selten, weil auf dem engen Kurs praktisch Überholverbot herrscht. "Das führt dazu, dass man nicht immer ans Limit gehen muss, weil man ohnehin nicht überholt wird. Man kann das Auto länger schonen", erklärt Mercedes' leitender Streckeningenieur Andrew Shovlin.

Der Red Bull Ring hingegen bietet zahlreiche Überholmöglichkeiten. Harte Bremspunkte und drei lange DRS-Zonen bieten fast optimale Voraussetzungen. Wer hier die Technik schont, wird schnell mit einem Überholmanöver bestraft.

Grund 3: Vibrations- und Killer-Kerbs

Vor dem Wochenende wurde der Red Bull Ring noch etwas entschärft, die aggressiven Kerbs am Ausgang der Kurven neun und zehn wurden entfernt. Die Änderung wurde nur vorgenommen, um die Autos beim Start in die intensive Corona-Saison zu schonen. Vor allem die gelben Wurst-Kerbs in den Zielkurven machten sich in den letzten Jahren einen Namen als Killer-Kerbs. Zahlreiche Frontflügel zerschellten an den fünf Zentimeter hohen Hindernissen.

Auch wenn die Wurst-Kerbs in den Kurven neun und zehn abgeschraubt wurden, an anderen Stellen blieben die unbeliebten Frontflügel-Killer. Aber auch die 'normalen' Kerbs haben es in sich: Österreich setzt auf sogenannte Negativ-Kerbs. Die fallen nach außen um 25 Millimeter ab.

Die Kerbs fallen nach außen ab, Foto: Motorsport-Magazin.com
Die Kerbs fallen nach außen ab, Foto: Motorsport-Magazin.com

Beim Überfahren entstehen besonders starke Vibrationen, die vor allem Mercedes das Leben schwer machten. "Die Strecke ist der Horror für die Autos", sagt Shovlin. Auf dem kurzen Red Bull Ring verbringen die Fahrer verhältnismäßig viel Zeit auf den Kerbs. Die Überholfreundlichkeit sorgt auch noch dafür, dass man auch im Rennen nicht von den Kerbs fern bleiben kann, weil man sonst zu viel Zeit verliert.

Grund 4: Die Hitze

Barcelona und Budapest sind normalerweise jene Rennen, die einem zuerst in den Sinn kommen, wenn man an Hitzeschlachten denkt. Aber auch Österreich hat sich in den letzten Jahren als Hitzerennen etabliert. 2019 war es so heiß, dass die Teams sogar Zelte in der Startaufstellung aufbauten, um Schatten zu spenden. In diesem Jahr war es zwar nicht ganz so heiß, dennoch kratzte das Quecksilber an der 30-Grad-Marke. Hitze setzt den sensiblen Formel-1-Boliden zu. Ausnahmen bestätigen die Regel: Bei der letztjährigen Hitzeschlacht kamen alle 20 gestarteten Autos auch ins Ziel.

Grund 5: Die Höhe

Spielberg ist nicht Mexiko City, aber liegt immerhin idyllisch in den Alpen. Knapp 700 Meter liegt der Red Bull Ring über dem Meeresspiegel. Je höher, desto dünner ist die Luft. Je dünner die Luft, desto schwieriger wird es, die Boliden zu kühlen. Bei Turbomotoren ist das besonders schwierig, weil diese durch die höhere Luft kaum Leistung verlieren. Gleichbleibendem Kühlbedarf steht also weniger Luftmassendurchsatz gegenüber.

Die Ausfälle beim Österreich GP 2020 im Überblick

FahrerTeamRundeGrund
Max VerstappenRed Bull11Elektrik
Daniel RicciardoRenault17Kühlung
Lance StrollRacing Point20PU/Sensor
Kevin MagnussenHaas24Bremsen
Romain GrosjeanHaas49Bremsen
George RussellWilliams49Benzindruck
Kimi RäikkönenAlfa Romeo53Radverlust
Alexander AlbonRed Bull67Power Unit
Daniil KvyatAlphaTauri69Aufhängung