Unverhofft kommt oft, lautet ein bekanntes Sprichwort. Zum Beispiel beim Italien GP für Valtteri Bottas. Der Finne fuhr in Monza lange Zeit ein unauffälliges Rennen. Bis Runde 41. Da vertat sich Lewis Hamilton in der ersten Schikane. Bottas ergriff die Chance und sammelte seinen Teamkollegen ein. Plötzlich war er Zweiter. Plötzlich war er ein heißer Sieganwärter, noch heißer als Hamilton zuvor.

Warum? Obwohl Hamilton Leclerc bereits permanent hart attackiert, mit Dauerdruck bombardiert hatte, musste man von Bottas nun eigentlich noch mehr erwarten. Der Finne verfügte über sieben Runden frischere Reifen als der Brite. Während Hamilton zuvor mit einem Undercut gegen Leclerc gescheitert war, hatte es Mercedes mit Bottas antizyklisch versucht, langer Overcut.

Bottas: Langer erster Stint war immer geplant

"Es war von vornherein der Plan, länger zu fahren, um dann am Ende Chancen zu bekommen", schildert Bottas seine Mission. Bereits früh witterte er daraufhin zumindest diese Chance. "Zur Rennhälfte dachte ich, dass ich eine Chance auf den Sieg habe", so Bottas. Tatsächlich robbte sich der WM-Zweite nach seinem Stopp mehr und mehr an die Duellanten an der Spitze heran.

Nach dem Hamilton-Patzer mit freier Bahn gelang Bottas jedoch keine echte Attacke auf Leclerc. Noch bevor es soweit kam verbremste sich Bottas sogar ebenfalls in der Prima Variante und verlor alle Siegchancen. Die TV-Kameras fingen den Ärger in der Mercedes-Garage ein. Hätte Bottas diesen Sieg holen müssen?

Wolff verteidigt Bottas: Selbst Hamilton hat Leclerc nicht geknackt

"Ach, nein. Come on, hört auf!", winkt Toto Wolff am Abend auf Nachfragen zu seinen Gedanken zum Zeitpunkt des Bottas-Fehlers ab. "Charles hat Lewis abgewehrt, der für viele Runden direkt an ihm dran war. Also muss es schwierig sein, wenn der selbst der beste Kerl kein Manöver setzen kann", verteidigt der Mercedes-Teamchef den Finnen.

Auch Bottas selbst wehrt sich entschieden: "Ich habe alles versucht, aber es war so knifflig. Sie waren so schnell auf den Geraden. Wir konnten in den Kurven nicht nah genug dran bleiben. Mit DRS hatten wir denselben Speed wie sie ohne!"

Bottas: Hätte 1 Sekunde Pacevorteil gebraucht, hatte 0,5

Noch dazu sei in Monza ein Pacevorteil von einer Sekunde nötig, um zu überholen, verweist Bottas auf Mercedes-Analysen. "Aber wir hatten maximal 0,5. Deshalb war es knifflig und außer Reichweite", sagt Bottas.

Noch hält der Finne den Vorteil der Runden frischeren - und gegenüber Leclerc auf Hard auch weicheren Pirelli - für nur marginal groß. "Ich musste im zweiten Stint erst fünf Sekunden aufholen, also konnte ich nicht cruisen. Ich hätte die Reifen gerne besser gemanagt, aber ich musste sie jagen", schildert Bottas.

Bottas verteidigt: Nach Aufholjagd kein Reifenvorteil

"Als ich dann nah genug dran war, sind mir die Reifen vorne immer wieder stehen geblieben. Lewis hatte glaube ich dasselbe Problem. Er hat sich ja auch verbremst als ich vorbei bin." Das sei generell ein Problem gewesen. "Wenn du nah dran warst, hast du doch auch schnell verbremst."

Zumindest in diesem Punkt sieht jedoch Toto Wolff durchaus noch Verbesserungspotential. "Es sieht so aus als würde er etwas kämpfen das Maximum herauszuholen, wenn er in die Verwirbelungen des Autos vor ihm kommt. Lewis ist in dieser Position in der Lage, näher heranzufahren und sich selbst in eine Position zu bringen, in der er ein Manöver versuchen kann", schildert Wolff. "Das ist etwas, woran er arbeiten muss."

Wolff: In reiner Rennzeit Bottas das vielleicht schnellste Auto

Aber auf der positiv Seite war er echt schnell. In reiner Rennzeit vielleicht das schnellste Auto", lobt Wolff. Darüber freute sich auch Bottas. Schon in Spa zeigte sich der Finne erleichtert, seine dort fast schon chronischen Probleme mit der Rennpace ausgeräumt zu haben. Ähnliches gelte für Monza, so Bottas. Doch komplett ist der Rennfahrer Valtteri B. eben noch nicht. Das erkennt auch Bottas an, meint das allerdings nur positiv: "Ich werde mit dem Alter besser. Ich glaube, dass ich noch weit von dem entfernt bin, was ich sein kann!"