Für Sebastian Vettel läuft es in der Formel-1-Saison 2019 noch nicht rund. Während Mercedes schon acht Siege feiern konnte und zuletzt auch Red Bull triumphierte, stehen Vettel und Ferrari noch bei null Erfolgen. Doch es ist nicht nur die sportliche Situation, an der Vettel derzeit zu knabbern hat.

Den Sieg beim Kanada GP verlor der Deutsche aufgrund einer Zeitstrafe. Dem Regelbuch zufolge war die Strafe korrekt, doch die überwiegende Mehrheit der Rennfahrer stand auf Vettels Seite. Der Ferrari-Pilot beschwerte sich unmittelbar nach dem Rennen, sprach von einer Formel 1 der Juristen statt der Sportler.

Weil auch in den folgenden beiden Rennen in Frankreich und Österreich Steward-Entscheidungen im Fokus standen, wird es zahlreichen Fans zu viel. Stellvertretend fordert nun Vettel im Interview mit Servus TV: "Brennt die Regeln ab und dann lasst uns neu beginnen."

Vettel: Sport ist nicht schwarz und weiß

Über die Jahre wurde das Regelbuch immer dicker, weil Fahrer, Teams und der Regelhüter versuchten, das Unmögliche möglich zu machen: Die Formel 1 in schwarz und weiß zu malen. "Aber schwarz und weiß gibt es im Sport nicht", erklärt Vettel.

"Es ist so schwer, Dinge auf Papier festzuhalten, die so unterschiedlich sein können. Jeder Fall ist unterschiedlich, deshalb glaube ich, geht das nicht", so der 32-Jährige weiter, der aber selbst weiß, dass es so einfach nicht ist: "Das Problem ist, dass vorhandene Papier abzuschaffen. Es gibt eben immer welche, die ein Interesse daran haben, daran festzuhalten. Da gehen die Interessen auseinander."

In ihrem Perfektionswahn wollen die Teams jedes bisschen Ungewissheit abschaffen. Dazu zählen auch Bestrafungen für Fahrvergehen. Für Vergehen A muss ihrer Ansicht nach Strafe 1 stehen. Diese Herangehensweise hat die Stewards in den letzten Jahren entmündigt, ihnen die Möglichkeit genommen, Fingerspitzengefühl zu beweisen. "Ich finde, letzten Endes ist es Unterhaltung, ist es Sport, was wir machen", bilanziert Vettel.

Formel 1 kein technischer Vorreiter?

Und das bringt den vierfachen Weltmeister auch schon zum nächsten Thema: Dem Technischen Reglement der Formel 1. Denn auch hier versucht die Königsklasse des Motorsports einen Spagat zu schaffen.

"Was will man erreichen?", fragt Vettel. "Will man die Technologie, die Komplexität auf einen Standard bringen, der so weit weg und nicht greifbar ist? Oder bekennt man sich zur Unterhaltung, zum Sport, zum Wesentlichen und reduziert sich darauf?"

Vor Jahrzehnten hat sich diese Frage nicht gestellt, beide Dinge gingen miteinander einher. Die Zeiten haben sich aber geändert. "Das sind zwei Dinge, die aufgrund des Wissens, das inzwischen vorhanden ist - und stetig wächst - ständig auseinanderdriften", glaubt Vettel.

Anpressdruck macht die Autos schneller, sorgt aber für Probleme beim Hinterherfahren. Die Power Units sind zwar unglaublich effizient und leistungsstark, sorgen aber aufgrund ihrer Komplexität für Probleme. Die Liste ließe sich fast beliebig lang fortsetzen.

Für Vettel ist klar, in welche Richtung es gehen muss: "In gewisser Weise ist die Formel 1 schon heute kein Vorreiter mehr. Wir haben kein ABS, keine Traktionskontrolle und keine Stabilitätskontrolle - Dinge, die in jedem halbwegs modernen Auto Standard sind -, weil der Fahrer im Vordergrund stehen soll."

Autonomes Fahren: Formel 1 ohne Fahrer?

Und noch aus einem ganz anderen Grund wird die technische Vorreiterrolle der Formel 1 für Vettel obsolet: "Wenn man sich ansieht, wohin es mit der Mobilität geht, wird der Fahrer in den nächsten Jahrzehnten ersetzt. Also müsste die Formel 1 dann keine Fahrer mehr haben - aber ich glaube nicht, dass das einen großen Unterhaltungswert hat und es wäre schade."

"Deshalb ist ein Punkt erreicht, an dem man sagt, man bekennt sich zum Sport und nicht mehr dazu, dass die F1 überall technischer Vorreiter ist", fordert Vettel. 2021 gäbe es die große Chance dazu, die Formel 1 könnte aufgrund auslaufender Verträge und Reglements die Revolution ausrufen.

So richtig will Vettel aber nicht daran glauben: "Ich glaube nicht, dass es unmöglich ist, ein Konstrukt und ein Reglement zu schaffen, die diese Dinge mehr in den Vordergrund stellen, aber je mehr Zeit ohne Klarheit verstreicht, desto wahrscheinlicher wird es, dass Dinge so bleiben."