Direkt nach dem Rennen der Formel 1 in Kanada war es schon fast ein Wutausbruch, mit dem sich Sebastian Vettel gleich einmal die Schlagzeilen sicherte. Der Tafeltausch und der verspätete Auftritt zur Siegerehrung hinterließen ein Bild vom Heißläufer Sebastian Vettel.

Allerdings dauerte es nicht lange, bis sich Vettel wieder einfing. Nach dem Rennen in der Pressekonferenz gab er sich dann mehr traurig als sonst etwas, und trauerte nicht einmal unbedingt um seinen verpassten Sieg. Er trauert um die Formel 1: "Letzten Endes ist das nicht der Sport, in den ich mich verliebt habe."

Vettel sieht klar: Die Entscheidungen sind falsch

Die Strafe selbst konnte Vettel einfach nicht verstehen, es war für ihn klar Racing. Nichts Besonderes. "Es ist ziemlich klar, dass ich am Limit war", erklärt er danach noch einmal. "Natürlich bin ich durchs Gras gerutscht, und es ist hinlänglich bekannt, dass Gras nicht viel Grip hat. Also? Richtig? Und dann kam ich auf die Strecke und versuchte einfach, das Auto unter Kontrolle zu halte., Dann erst sah ich in den Spiegel und sah Lewis direkt hinter mir."

Fehler kann er - abgesehen vom ursprünglichen Fahrfehler - in diesem Verhalten keinen entdecken. Er und Hamilton hätten sich genauso verhalten, wie man sich in dieser Situation eben gezwungenermaßen verhält. Daher ist sein Fazit: Die Strafe ist falsch.

Vettel: In diese Formel 1 habe ich mich nicht verliebt

Am Besten lassen sich Vettels Kommentare wohl mit einem Satz einordnen, der in der Pressekonferenz fällt: "Letzten Endes ist das nicht der Sport, in den ich mich verliebt habe, als ich noch Zuschauer war." Zuvor hatte Vettel noch angemerkt, wie sehr er Racing denn generell liebe.

"Natürlich tut es mir heute weh, weil es mein Rennergebnis beeinflusst, aber es ist eine größere Sache", findet Vettel. "Morgen, wenn ich aufwache, werde ich nicht enttäuscht sein. Lewis und ich haben großen Respekt füreinander. Wir haben so viel in diesem Sport erreicht und haben Glück, hier zu sein. Ein Sieg mehr oder weniger macht da nichts aus, wenn du so lange dabei bist. Aber wie gesagt, ich bin nicht glücklich über das andauernde Beschweren, das wir so oft sehen."

Vettel: Die Formel 1 hat Probleme

Entscheidungen, Beschwerden - Vettel spricht in der Mehrzahl. Warum, das wird in der Pressekonferenz deutlich. "Ich bin ein Purist, liebe die Vergangenheit, die alten Autos, die alten Fahrer", erklärt Vettel. "Manchmal wünsche ich mir, dass ich einfach so gut bin wie sie, aber in ihrer Zeit fahre - nicht in meiner."

Vettel tauscht im Parc Ferme von Kanada die Tafeln, Foto: LAT Images
Vettel tauscht im Parc Ferme von Kanada die Tafeln, Foto: LAT Images

"Es geht nicht nur um die Entscheidung heute, es gibt auch andere", geht Vettel ins Detail. "Hör dir einfach die Wörter am Funk an. Wir haben eine offizielle Sprache, ich glaube das passt alles nicht. Wir sollten sagen dürfen, was wir uns denken, aber wir tun das nicht - in dieser Hinsicht stimme ich nicht mit der aktuellen Richtung des Sportes überein."

Vettel ortet Formel 1 der Anwälte statt Racer

Vettel hat einen viel pragmatischeren Ansatz in Sachen Formel 1, das hört man auch nicht zum ersten Mal. "Es ist Rennfahren, das ist der gesunde Menschenverstand", beschreibt er es. "Die alten Formel-1-Fahrer, und die Leute in den Tribünen und so ... es ist Teil des Sportes, da wird man zustimmen, aber heutzutage ist es einfach ..."

Eine Kollision vermieden, einen Vorteil verschafft - Vettel führt viele Beispiele für die moderne, gesäuberte Formel-1-Sprache an. "Wir klingen ein bisschen wie Anwälte, mit dieser offiziellen Sprache. Das tut den Leuten keinen Gefallen, das tut dem Sport keinen Gefallen."

"Ich weiß nicht, es fühlt sich einfach an, als ob wir heute auf so viele Dinge schauen, die wir in der Vergangenheit vielleicht nicht beobachtet haben, weil niemand sich wirklich darüber aufgeregt hat", schließt Vettel später das Thema ab. "Heute zahlt sich das aus, sich so aufzuregen, eben weil du solche Entscheidungen bekommst."

Vettel zeigt Verständnis - trotzdem: Einfach falsch

Trotzdem gab sich Vettel verständlich gegenüber jenen, die die Kanada-Entscheidung aussprachen, und jenen, die davon profitierten. "Diese Leute sollten Lewis nicht ausbuhen", meinte er noch auf dem Podium, "sie sollten diese komischen Entscheidungen ausbuhen."

Vettel und Hamilton auf dem Podium in Kanada, Foto: LAT Images
Vettel und Hamilton auf dem Podium in Kanada, Foto: LAT Images

Besonders aufgrund der sich andauernd beschwerenden Fahrern und dem modernen Regelwerk der Formel 1 kann er sich auch zu Verständnis für die Stewards durchringen: "Ich habe es oft gesagt, wenn ich bei ihnen war: Sie sitzen vor einem Stück Papier und schauen das Rennen. Und sie kamen auf mich zurück und meinten 'ja, aber schau, wir müssen diese Dinge machen.'"

Vettels Schluss daraus: "Ich denke, die Art, wie wir mit so etwas umgehen, ist einfach falsch. Aber so läuft es in unserer Zeit, wir haben Regeln für alles."