Mehr Einheitsteile: Neue Infos zum Formel-1-Reglement 2021 (38:25 Min.)

Die Formel 1 steht 2021 vor einem Paradigmenwechsel. Seit der Übernahme von Liberty Media arbeitet Sportchef Ross Brawn mit seinem Team an einem neuen Reglement. Alles, was Liberty bislang machten konnte, war Kosmetik. Zu zerfahren sind die Regierung und der Regelgebungsprozess der Königsklasse derzeit.

Doch die Formel 1 braucht auch aus einem anderen Grund Zeit für die Revolution. Bis auf den Motor - der weitestgehend identisch bleiben wird - soll kein Stein auf dem anderen bleiben. Da will jede Änderung gut durchdacht und durchsimuliert sein. Die Formel 1 hat sich im Hintergrund ein ganzes Team aufgebaut, das eigene Simulationen durchführen kann.

Noch ist das genaue Reglement für 2021 noch Work in Progress, doch ein erstes Grundgerüst steht bereits. Die Aerodynamik soll sich vollumfänglich der Überholproblematik widmen, die Simulationen hierfür laufen noch auf Hochtouren.

Für 2021 steht die gesamte Formel 1 auf dem Prüfstand - sehen die Autos so aus?, Foto: FOM
Für 2021 steht die gesamte Formel 1 auf dem Prüfstand - sehen die Autos so aus?, Foto: FOM

Seit längerer Zeit steht bereits fest, dass sich die Reifendimensionen ändern werden. Fährt die Formel 1 aktuell noch mit 13-Zoll-Reifen, arbeitet Reifenausrüster Pirelli bereits an 18-Zöllern für 2021. Gleichzeitig werden Heizdecken der Vergangenheit angehören.

Anfang des Jahres hatte die FIA eine Ausschreibung für einen Einheitsgetriebe-Lieferanten veröffentlich, Motorsport-Magazin.com berichtete bereits über die Einzelheiten. Nun sind es erneut Ausschreibungen des Automobilweltverbandes, die neue Details ans Licht bringen.

Am 25. April 2019 veröffentlichte die FIA drei neue Ausschreibungen für Einheitslieferanten. Demnach sollen die Felgen, das Bremssystem und das Bremsmaterial standardisiert werden. Alle Standardisierungen verfolgen das gleiche Ziel: Die jeweiligen Teile bei sehr ähnlicher Performance deutlich günstiger machen. Schon heute gibt es Einheitsteile: Motor-Sensorik, Steuergeräte und Lenkrad-Displays gehören dazu.

2021 sollen dann mit Felgen und Bremsen auch Performance-orientierte Bauteile vereinheitlicht werden, um Kosten zu sparen. Das soll geschehen, indem auf das berühmte letzte Gramm Gewichtsreduktion, das bei exorbitanten Zusatzkosten kaum mehr Performance bringt, verzichtet werden darf. Das Schöne an Ausschreibungen: Sie beinhalten bereits erste technische Details.

Formel 1 Reglement 2021: Die Einheitsfelge

Aktuell gibt es mit OZ, Enkei und BBS drei verschiedene Felgenhersteller in der Formel 1. Quantitativer Klassenprimus ist dabei klar OZ: Die Italiener beliefern derzeit sieben verschiedene Teams, darunter alle drei Top-Teams. Ab 2021 soll es dann nur noch einen Hersteller geben, der allen Teams die gleiche Spezifikation liefert.

Denn auch wenn OZ mehrere Teams beliefert, das Produkt ist für jeden Boliden maßgeschneidert. Felgen müssen in der Formel 1 nicht nur Reifenkräfte übertragen, sondern sind gleichzeitig auch maßgeblich am Temperaturmanagent beteiligt. Über das Bremssystem wird die Felge erhitzt, die wiederum den Reifen aufheizt. Die Teams spielen mit dieser Kettenreaktion.

18-Zöller testete die Formel 1 bereits 2014, Foto: Sutton
18-Zöller testete die Formel 1 bereits 2014, Foto: Sutton

Dazu ist die Felge auch ein aerodynamisches Mittel. Bis 2018 durften die Teams Luft von der Innenseite des Rades nach außen Leiten. Die zentrale Radmutter musste entsprechend groß ausfallen, was wiederum Auswirkungen auf das Felgendesign hatte. Aber auch die heutige Form der Felge ist auf die Aerodynamik hin ausgelegt. Gleichzeitig hat die Felge natürlich auch Auswirkungen auf den Reifenwechsel.

Mit den Reifen wachsen 2021 natürlich auch die Felgen. Aktuell sind 13,2 x 18 Zoll große Felgen an der Vorderachse und 16,9 x 18 Zoll an der Hinterachse vorgesehen. Die Breite kann sich bis 2021 noch geringfügig ändern.

Bei den Materialien gilt: Alles was heute erlaubt ist, soll auch in Zukunft verwendet werden. Die Formel 1 fährt heute mit den Magnesium-Legierungen AZ70 und AZ80. Die Laufleistung eines Sets soll mindestens 10.000 Kilometer betragen, pro Auto und Saison soll es mindestens 60 Sätze geben.

Formel 1 2019: Überblick der Felgenhersteller

TeamHersteller
MercedesOZ
FerrariOZ
Red BullOZ
RenaultOZ
HaasOZ
McLarenEnkei
Racing PointBBS
AlfaOZ
Toro RossoOZ
WilliamsUnbekannt

Interessant: Der Einheitshersteller soll auch eine Verkleidung einplanen. Diese wird voraussichtlich aus Karbon bestehen. Die Magnesium-Felgen könnten aus aerodynamischen Gründen wie in der Formel E verkleidet werden. Derzeit sind die Verkleidungen verboten.

Die schlechte Nachricht für Puristen: Beim Felgendesign müssen Sensoren berücksichtigt werden. Neben dem üblichen Drucksensor soll auch ein Temperatursensor beibehalten werden. Der Temperatursensor in der Felge misst die Karkassen-Temperatur des Reifens. Beide Sensoren sollen 2021 ebenfalls standardisiert werden.

Formel 1 Reglement 2021: Die Einheitsbremse

Für die Bremse gibt es zwei einzelne Ausschreibungen. Die FIA trennt dabei das Bremssystem von den Verbrauchsmaterialien, also Bremsscheibe und Bremsbelägen. Das Bremssystem wird dabei aus Brake-by-Wire-System, Bremssattel und Hauptbremszylinder definiert.

Die Bremshydraulik soll standardisiert werden, die einzelnen Leitungen jedoch in der Hand der Teams liegen. Entsprechend gilt es, die Schnittpunkte zu standardisieren. Ebenfalls Team-spezifisch werden die Bremsleitungen und Ausgleichsbehälter ausfallen.

Formel 1 2019: Überblick der Bremsenhersteller

TeamHersteller
MercedesBrembo
FerrariBrembo
Red BullBrembo
RenaultBrembo/AP Racing
HaasAP Racing
McLarenAkebono
Racing Point920Engineering
AlfaBrembo
Toro RossoBrembo
WilliamsAP Racing

Beim Material des Bremssattels sollen weiterhin Aluminiumlegierungen zum Einsatz kommen. Auf teure Aluminium-Lithium-Legierungen soll verzichtet werden. Derzeit schreibt das Reglement lediglich Aluminium-Legierungen mit einem maximalen E-Modul von 80 Gigapascal vor.

Pro Auto sollen pro Saison je zwei komplette Sets geliefert werden - eines davon ist als Ersatz angedacht. Die Laufleistung soll also auf eine volle Formel-1-Saison mit maximal 24 Rennen ausgelegt sein.

Beim Verbrauchsmaterial sollen Bremsscheibe und Bremsbeläge mindestens ein gesamtes Rennwochenende halten. Möglicherweise wird hierzu auch das Sportliche Reglement angepasst. Wie bei den Motoren könnte es ein Kontingent geben, mit dem ein Fahrer die gesamte Saison durchkommen muss. Das soll verhindern, dass sich finanzkräftigere Teams einen Performance-Vorteil durch frischere Bremsen kaufen können.

Größere Bremsscheiben, maximal zwei Spezifikationen

Weil durch die 18-Zoll-Räder mehr Platz ist, werden die Bremsscheiben beim Durchmesser wachsen. Zwischen 320 und 330 Millimeter sind derzeit angedacht. Aktuell sind die Bremsschreiben auf 278 Millimeter im Durchmesser limitiert. Die Dicke bleibt bei 32 Millimeter.

Das hat auch Auswirkungen auf den Bremssattel, der entsprechend mitwächst. Dadurch soll übrigens Gewicht eingespart werden: Der größere Bauraum erlaubt strukturell bessere Formen, so dass auf zusätzliches Material zugunsten der Steifigkeit verzichtet werden kann.

Um die Kosten bei den Bremsscheiben zu senken, soll die Zahl der Bohrungen verringert werden. Inzwischen haben die Schreiben über 1.000 kleinster Bohrungen, die für eine bessere Kühlung sorgen. Diese Mini-Bohrungen sind Kostentreiber Nummer eins.

Um die Bremsleistung trotzdem auf allen Strecken gewährleisten zu können, darf es an der Vorderachse zwei unterschiedliche Spezifikationen geben. Auf Strecken, die besonders kritisch für die Bremsen sind, dürfen Bremsscheiben mit mehreren Bohrungen eingesetzt werden. Die Anzahl der speziellen Scheiben soll aber beschränkt werden, nicht mehr als 25 Prozent der gesamten Scheiben sollen solche Spezial-Scheiben sein.

Mit Brembo, AP Racing, Akebono und 920Engineering vertrauen die Teams 2019 auf vier verschiedene Bremsenhersteller. Beim Verbrauchsmaterial ist das nicht ganz so einfach, nicht alle Teams nennen ihre Partner. Carbon Industries und Brembo dominieren den Markt allerdings.

Zeit wird knapp: Einheitshersteller im Juni gefunden

Wie bei den Getrieben gibt es auch bei Felgen und Bremsen ein enges Zeitfenster. Bis 22.05.2019 können die Bewerber ihre Unterlagen bei der FIA einreichen. Am 14. Juni sollen die Entscheidungen spätestens fallen. Die FIA behält sich aber bei allen Ausschreibungen das Recht vor, einen Rückzieher zu machen, sollte sich kein geeigneter Partner finden.

Die Vertragslaufzeit soll die Jahre 2021 bis inklusive 2024 umfassen. Gleichzeitig soll die FIA eine Option haben, die Verträge bis einschließlich 2025 zu verlängern. Die Regeln für die jeweiligen Bauteile sollen sich innerhalb dieser Intervalle nicht ändern, damit das Design Saison für Saison übernommen werden kann und somit Kosten eingespart werden können.