1. - S wie Startaufstellung

Ordnung muss sein. Wer sich die Startaufstellung zum Jubiläumsrennen der Formel 1 ansieht - in China fährt die Königsklasse ihren 1000. Grand Prix (Rennstart heute um 08:10 Uhr, RTL und Sky übertragen live) - kann auf die Idee kommen, sie stammt aus der Feder der Autoren der beliebten 90er-Jahre Sitcom "Hausmeister Krause". Zwei Mercedes vor zwei Ferrari, dann zwei Red Bull, zwei Renault und zwei Haas. Die Top-10 sind farblich wunderschön sortiert.

Doch so ordentlich drapiert es aussieht, so großes Unheil könnte es anrichten. Teaminterne Hahnenkämpfe scheinen fast schon programmiert. Zumal nicht nur Polesetter Valtteri Bottas gerade einmal um 0,023 Sekunden schneller war als Lewis Hamilton, sondern auch Sebastian Vettel Charles Leclerc nur um Bruchteile eines Wimpernschlags bezwang. Genauso bei Renault, das einen überraschenden Sieg Daniel Ricciardos über Nico Hülkenberg erlebte.

Einen schnellen Konter gegen den Teamkollegen anbringen, das werden am Start gleich einige wollen …

2. - S wie Start

Nur 336,49 Meter beträgt auf dem Shanghai International Circuit der Weg von Pole bis zum Scheitelpunkt von Kurve eins. Der ist in China ohnehin viel wichtiger als der Bremspunkt, geht es in die Schneckenkurve mit hohem Speed hinein. Das hat in der Vergangenheit schon mehrfach zu brenzligen Situationen am Start geführt. Stichwort Torpedo.

Den idealen Nährboden für neuen Nervenkitzel bereitet allein die Startaufstellung. Bottas vs. Hamilton vorne und Vettel vs. Leclerc direkt dahinter nebeneinander, alle mit gleichen Waffen in Sachen Reifenmischungen, liefert gleich doppelten Drang, sich teamintern zu beweisen. "Es wird hoffentlich kein Problem", gibt sich Vettel in dieser Sache jedoch entspannt.

Er und Leclerc hätten ohnehin ein noch wichtigeres Ziel im Visier als den Teamkollegen. "Wir gehen beiden davon aus, dass wir sowieso nach vorne attackieren und vielleicht den einen oder anderen Mercedes schnappen können", sagt Vettel. Das klingt fast schon nach einem fertigen Schlachtplan. Doch den gibt es offenbar doch nicht.

"Wir schauen einfach. Für die erste Kurve irgendetwas zu planen, ist sehr schwierig, denn es ist immer eine sehr chaotische Situation", winkt Leclerc ab. Zumal direkt hinter ihm auch noch der stets angriffslustige Max Verstappen auf jede Chance lauert. Gerade in China geht es durch sehr spezielle Schneckenkurve ohnehin nicht nur um Turn eins. Mit taktisch kluger Positionierung lässt sich bis hin zu Kurve vier noch einiges bewirken.

3. - S wie Strategie

Neben dem Start die beste Möglichkeit, auf einen Schlag viel zu gewinnen, aber auch zu verlieren, ist wie immer die Strategie. Pirelli empfiehlt für den China GP nur einen Stopp mit einem Startstint auf Soft für 18 Runden und dann harten Reifen bis ins Ziel. Für die Top-5 ist das wegen ihrer Medium-Pflicht am Start nicht möglich.

"Da diese Fahrer eine Strategie fahren werden, die theoretisch ein bisschen langsamer ist als die derjenigen, die auf Soft starten, könnte das ein spannendes Element werden", hofft Pirellis F1-Chef Mario Isola auf Würze für das Rennen. Fragt man bei den Teams nach, ist der Soft allerdings weiter weniger beliebt, als der Italiener hier glauben macht. Wirklich anders sieht die Strategie für die Top-5 zudem gar nicht aus: Hier empfiehlt Pirelli nahezu dasselbe, einzig mit einem um eine Runde nach hinten verschobenen Stopp. Ein Zwei-Stopp-Rennen sei klar langsamer.

Formel 1 2019: Brennpunkte vor dem China GP: (07:08 Min.)

Noch dazu sind die Top-Teams in Sachen Pace ohnehin viel zu überlegen, als dass eine nur leicht schlechtere Strategie, große Folgen hätte. Umso wichtiger fällt diese Faktor jedoch im ohnehin bedeutendsten Kampf unter den Top-Teams aus. "Der Schlüssel wird sein, die richtige Strategie zu finden" meint Vettel. "Du musst sie hier voll auf den Kopf treffen und noch ist nicht ganz klar, welcher Weg der richtige sein wird."

4. - S wie Safety Car

Keinesfalls bei allen Taktik-Überlegungen zu vergessen ist speziell in China - 80 Prozent SC-Wahrscheinlichkeit, blickt man auf die vergangenen fünf Grands Prix - das Risiko eines Safety Cars. Oder auch die Chance: So ermöglichte erst 2018 nur der Einsatz von Bernd Mayländer den überraschenden Sieg Daniel Ricciardos auf dem Shanghai International Circuit.

5. - S wie Speedvorteil

Apropos Shanghai International Circuit. Mit Blick auf das Streckenlayout sticht sofort nicht nur die Schneckenkurve nach dem Start, sondern insbesondere auch die extrem lange Gegengerade ins Auge. Mit 1,2 Kilometern Länge handelt es sich sogar um die längste 'echte' Gerade im gesamten Rennkalender der Formel 1. Weil diese in einer Spitzkehre mündet, könnte eine Überholgelegenheit kaum besser gestaltet sein.

Gute Nachrichten also für Ferrari. Wenn Sebastian Vettel und Charles Leclerc überhaupt bis zum Bremspunkt brauchen, nicht schon mitten auf der Gerade dank DRS und Power-Vorteil vorbei an den Mercedes fliegen. Die Silberpfeile warnten schon nach Bahrain davor. "Sie sind schnell auf den Geraden, und hier gibt es sehr lange Geraden", betonte Pole-Mann Bottas jetzt auch nach dem Zeitraining wieder diese Sorge.

Vettel ist sich dessen nicht ganz so sicher. Geht es wirklich so spielerisch wie manch einer im Fahrerlager vermutet? "Auf den Geraden sind wir Gott sei Dank sehr schnell. Aber es wird schwer, überhaupt dranzubleiben, weil sie in den Kurven schneller sind", warnt Vettel. Insbesondere in den ganz langsamen Ecken sei Mercedes überlegen. Genau eine solche befindet sich unmittelbar vor der langen Rechtkurve, die auf die Gerade führt.

Doch selbst wenn sich Ferrari hier besser aus der Affäre ziehen sollte als im Qualifying sei ein Überholmanöver kein Selbstläufer. "Wir können die Gerade runter eine Chance haben, denn da sind wir schnelle. Aber es sind jetzt auch nicht gleich 50 km/h! Es ist also noch immer ein harter Job."

6. - S wie Sonnenwunder oder Smog?

Bislang verläuft der China GP bei erstaunlich guten Bedingungen. Nicht nur, dass der berüchtigte Smog der Metropole Shanghai bis dato nicht über die Strecke wehte. Noch dazu zeigte sich sogar die Sonne, lieferte angenehme Temperaturen um die 20 Grad Celsius. Ideale Rennbedingungen also.

Doch bleibt es am Rennsonntag dabei? Oder müssen sich die Teams an ganz andere Voraussetzungen anpassen. Deutlich mehr Wolken sind jedenfalls prognostiziert - und die sind entscheidend für die Asphalttemperatur und damit die Arbeitsfenster der sensiblen Pirelli-Pneus.

7. - S wie Sieger

Doch wer ist nun der haushohe Favorit? Niemand. Mehr als leichte Vorteile lassen sich auf keiner Seite finden. Dazu lagen die Longruns am Freitag viel zu dicht beisammen. Nicht nur bei Mercedes und Ferrari, auch Red Bull ist bei der Musik. Mercedes war auf dem Soft besser, Ferrari dafür auf dem Hard. Ein Patt. Doch gestartet wird ganz vorne nun ohnehin mit Medium.

"Wir werden es morgen herausfinden", vertröstet deshalb auch Bottas alle, die eine Prognose von ihm hören wollen. "Nach Freitag sah es zwischen den drei Top-Teams auf jeden Fall sehr eng aus. Da gibt es also noch Fragezeichen", sagt er. "Aber heute war auf jeden Fall ermutigend." Ähnlich sieht es Hamilton, sieht sogar noch Potential bei Mercedes: "Das wollen wir morgen rausholen!"

Doch auch die Konkurrenz sieht sich gut aufgestellt. "Es wird ein harter Fight um den Sieg", verspricht Leclerc. "Es wird sehr eng", ergänzt Vettel. "Wir sollten aber ein gutes Auto für das Rennen haben." Einen klaren Favoriten sieht auch der Deutsche nicht. "Ich erwarte Mercedes, Red Bull und uns aber Kopf an Kopf. Unser Speed sollte gleichwertig sein", sagt Vettel. Wichtig sei insbesondere, dass Ferrari eine konsistente Pace vorlege, es nicht, wie etwa in Australien, von einem Stint zum anderen erheblich schwanke.

"Ich hoffe, wir können es über das Rennen hinweg zeigen und haben nicht nur abschnittsweise ein gutes Gefühl. Denn bisher waren unsere Sonntag dann eher etwas knifflig. Aber es wird ein langes Rennen und wenn wir alles zusammenbekommen, dann können wir echt stark sein!"