Das erste Formel-1-Rennen der Saison 2019 in Australien war eine einzige Machtdemonstration von Mercedes. Aufgeführt nicht etwa von Weltmeister Lewis Hamilton, sondern von seinem 2018 so scharf in die Kritik geratenen Teamkollegen. Valtteri Bottas dominierte den ersten Grand Prix des Jahres nach Belieben. Ein Comeback, das ihn selbst fast sprachlos machte. Für eine Ansage an seine Kritiker reichte es aber noch.

"An alle, die sich angesprochen fühlen: fickt euch!", feuerte der Rennsieger nach dem Überfahren der Ziellinie im Boxenfunk eine scharfe Salve an alle seine Kritiker ab, die ihm nach der enttäuschenden Saison 2018 bereits die Ablösung durch Esteban Ocon bei Mercedes voraussagten - noch lange bevor in Melbourne das erste Mal die Startampel erlosch.

"Er war abgeschrieben. Die Leute dachten, er hätte es nicht drauf. Und dann auf diese dominante Weise zurückzuschlagen...", zeigte sich auch Mercedes-Teamchef Toto Wolff erleichtert über die Wiederauferstehung seines Schützlings. "Valtteri ist bärenstark aus dem Winter gekommen. Ich kenne den Jungen aus den Nachwuchsserien, wo er nach Belieben dominiert hat. Diesen Bottas haben wir gesehen", so der Österreicher am RTL-Mikrofon.

Bottas ringt um Fassung: Das beste Rennen meines Lebens

Wo genau dieser Bottas auf einmal herkam, konnte sich der Rennsieger selbst nicht erklären. Ich weiß nicht, was hier gerade passiert ist. Keine Ahnung, was ich sagen soll", rang Bottas im Parc Ferme um Worte, nachdem er seinem sonst so übermächtigen Teamkollegen 20 Sekunden die Ziellinie abgenommen hatte. Bottas knackte Hamilton bereits mit dem Erlöschen der Ampel. Die darauffolgenden 56 Runden wurden zu einer makellosen Triumphfahrt.

"Das war definitiv das beste Rennen meines Lebens. Es hat sich so gut angefühlt. Ich hatte alles unter Kontrolle, das Auto war heute so gut", versuchte der Finne eine Erklärung für seine Performance zu finden. Fakt ist, dass er über den Winter hart an sich gearbeitet hat, um die Schmach der sieglosen Saison 2018 hinter sich zu lassen.

Der neue Valtteri Bottas: Sehe die Dinge nun anders

"Du lernst jedes Jahr dazu, über dich als Person, über das was für dich funktioniert und was nicht funktioniert", sagt er. Die Vorbereitung setzt sich aus allem zusammen. Wie du dich ausruhst, wie du deine Freizeit verbringst, wie viel du trainierst und was du als Training machst. Deine Reisepläne, all diese Dinge."

"Es ist schwierig zu erklären, was letzten Winter in meinem Kopf abging. Es hat sich definitiv etwas geändert, wie ich die Dinge im Leben sehe, generell, und auch im Motorsport. Aber das ist alles in meinen Gedanken. Ich habe mich heute gut gefühlt, und das Auto hat sich auch gut angefühlt. Das ist alles, was zählt."

Flashbacks an den Strategie-Call von Sochi 2018, als er Hamilton den Sieg schenken musste, hatte er zu keinem Zeitpunkt. Warum auch, schließlich konnte der Weltmeister seine Pace nicht mitgehen. "Es gab keinen Grund, darüber nachzudenken. Wir starten alle mit null Punkten in die neue Saison und sind alle hier um zu kämpfen", sagt er.

Australien GP 2019: Wie stark war Bottas? Wie schwach Ferrari?: (08:02 Min.)

Rennen vom Start weg kontrolliert

Der zweite entscheidende Faktor neben seiner zurückgewonnenen mentalen Stärke war der Start. Schon auf den ersten Metern des Rennens legte er dort den Grundstein für den vierten Formel-1-Sieg seiner Karriere. "Der Schlüssel war, am Start die Führung zu übernehmen und von da an vorne zu sein. Ich zeigte eine starke Pace und fuhr eine Lücke auf", sagt Bottas, dessen Führung zu keinem Zeitpunkt im Rennen in Gefahr schien.

Als Vettel früh zum ersten Boxenstopp kam und mit seinem Undercut-Versuch gegen Hamilton auch Bottas' direkten Verfolger zum Reifenwechsel zwang, hatte der spätere Sieger an der Spitze die Ruhe weg.

"Wir machen einen etwas späteren Boxenstopp. Damit war der Reifen am Ende des Rennens nicht so schlecht", so Bottas, der in Runde 23 fast zehn Umläufe später als seine direkten Gegner stoppte. Wie gut der 29-Jährige an diesem Sonntag in Form war, zeigte seine Versessenheit auf einen einzigen WM-Punkt mehr.

Bottas unersättlich: Schnellste Runde um jeden Preis

Bottas fuhr im Rennverlauf mehrmals schnellste Runden, wurde in der Schlussphase jedoch von Max Verstappen im Kampf um den 2019 eingeführten Extra-Punkt herausgefordert. Im Boxenfunk unterstrich Bottas gegenüber seinem Renningenieur, dass er es nicht unversucht lassen wird, den Bonuspunkt mitzunehmen. In der vorletzten Runde ließ er seinen Worten Taten folgen.

"Ich habe an die neue Regel in diesem Jahr gedacht und hatte eine starke Pace, also wollte ich mir das am Ende holen", erklärt der Mercedes-Pilot, der 2018 mit den meisten schnellsten Runden eher versehentlich den DHL Fastest Lap Award gewonnen hatte. Der zusätzliche WM-Punkt war für ihn jedoch verlockend genug, obwohl er die 25 Zähler für den Sieg schon sicher hatte.

"Das ist ein Punkt, und wenn du einen mehr holen kannst, kann das am Ende des Jahres den Unterschied machen. Also war ich natürlich bereit, das zu riskieren. Aber natürlich, wenn du 20 Punkte oder mehr holen kannst sind die wichtiger, als diesen einen zu holen. Du musst das Risiko abschätzen. Heute war es mir das wert."

Bottas gedenkt Formel-1-Ikone Charlie Whiting: Sieg ist für ihn

Trotz des Höhenflugs nach diesem perfekten Rennsonntag war Bottas in Gedanken nach dem Rennen bei dem am Donnerstag vor dem Rennwochenende überraschend verstorbenen Rennleiter Charlie Whiting. "Danke Charlie. Dieser Sieg ist für ihn und all die Arbeit, die er für die Formel 1 geleistet hat. Er hat unglaublich viel getan und uns Fahrern sehr viel bedeutet."