Die Formel-1-Piloten wurden mit den Regeln für die Saison 2019 endlich erlöst. Das für die Fahrer festgesetzte Mindestgewicht setzte dem in der Königsklasse über Jahre hinweg vorherrschenden Magerwahn ein Ende. Die Piloten freuen sich über ein ganz neues Lebensgefühl. Der Winter brachte den Pumpern unter den Fahrern mehr Muckis und den Gourmets mehr Genuss.

"Ich bin letzte Saison bei 68 Kilogramm gewesen. Jetzt wiege ich 73 Kilogramm, am Morgen!" lacht Romain Grosjean. Der als leidenschaftlicher Koch bekannte Franzose ist froh um die neue Freiheit der Fahrer: "Ich fühle mich jetzt stärker. Ich weiß nicht, ob ich das im Auto brauche, aber im Leben auf jeden Fall."

Dass sich ein Pilot fünf Kilogramm mehr antrainiert und anfuttert, wäre vor zwölf Monaten noch eine mittlere Katastrophe für die Ingenieure gewesen. Seit Einführung der Hybrid-Motoren und dem damit drastisch angestiegenen Gewicht der Boliden, waren die Fahrer seit 2014 noch mehr dazu genötigt, zur Maximierung der Performance kein Gramm zu viel auf die Waage zu bringen.

Magerwahn in der Formel 1: Hungern und Kardiotraining

Der Nimbus des Modellathleten mit Stiernacken war in der Formel 1 ohnehin schon seit Jahrzehnten nur noch ein Mythos, doch in der jüngeren Vergangenheit war an den Piloten kaum mehr dran als an einem Skispringer. Ein zu hoher Fettanteil war immer schon ein rotes Tuch, doch Training und Ernährung waren nur noch auf die Erhaltung der minimal nötigen Muskelmasse ausgelegt.

"Es war nicht so toll, sich herunterzuhungern und nicht so essen zu können, wie man will", so Grosjean. Und auch das Training war in der Vergangenheit nicht das, was sich manch ein Sportler so unter Fitness vorstellt. "Bisher haben wir nur sehr viel grundlegendes Kardiotraining gemacht. Einfach nur um mager zu bleiben und kein Gewicht zuzulegen", hatte Daniel Ricciardo vergangenes Jahr geklagt.

Formel-1-Fahrer 2019: Endlich gesund & stark

Das für Fahrer inklusive Montur und Sitz festgelegte Mindestgewicht von 80 Kilogramm setzte dem Magerwahn ein Ende. Die Piloten kosteten ihre neuen Freiheiten im Winter in vollen Zügen aus, ganz nach dem Motto 'Bigger, better, faster, stronger'. "Ich habe vier Kilogramm zugenommen. Ich spüre an meiner Körpermasse, dass ich stark geworden bin, einfach am ganzen Körper. Es ist schön, wie sich das im Auto bemerkbar macht. Diese vier Kilogramm haben sich wirklich gelohnt", freut sich Kevin Magnussen.

Die meisten Piloten lagen vor der Regeländerung unter dem Gewicht, das sie ohne kontrollierte Reduktion von Fett- und Muskelmasse auf den Rippen gehabt hätten. Ein Umstand, der nicht nur was das Wohlbefinden und den Lebensstil angeht hinderlich ist. "Da wurde man schnell krank. Ich war immer recht lange krank im Winter, aber in diesem nicht. Ich hatte nicht einmal eine Grippe oder Schnupfen", sagt Valtteri Bottas, der zwei Kilogramm zugelegt hat.

Formel 1 2019: Wer gewinnt die Teamduelle?: (33:38 Min.)

Lewis Hamilton breit wie nie: Versuche nicht der Hulk zu sein

Während ein Großteil der Fahrer im überschaubaren Maße zulegte, ging Weltmeister Lewis Hamilton in die Vollen: "Bei mir ist es viel mehr", so der Mercedes-Star. Im Paddock wurde von bis zu acht Kilogramm gemunkelt. An den Oberarmen lässt sich jedenfalls auch ohne Waage problemlos feststellen, dass Hamilton seinen Fitnessgelüsten in den vergangenen Monaten freien Lauf ließ. "Ich bin schwerer, obwohl ich nicht oft Süßigkeiten esse. Ich konnte in der Pause natürlich essen, was ich wollte, aber ich bin auch immer sehr aktiv geblieben", erzählt er.

Der auch in Zeiten des Magerwahns stets gut trainierte Hamilton gönnte sich in den Wintermonaten die komplette Fitness-Palette: "Ich habe das Training mehr als jemals zuvor genossen. Früher hat es nicht so viel Spaß gemacht, aber wenn du es interessant machen kannst und unterschiedliche Elemente reinbringen kannst, ist es etwas anderes." Hamilton trainierte weiter ohne Fitnesstrainer an seiner Seite, probierte dafür unterschiedliche Sportarten mit spezialisierten Trainern aus. Von Surfen bis zu Martial Arts war beim 34-Jährigen alles dabei.

"Seit dem letzten Monat bin ich ziemlich sauber", sagt er über seine Ernährung. "Das Körperfett schwindet, ich bin definierter und habe mehr effiziente Muskelmasse. Ich versuche nicht der Hulk zu sein, denn es dauert natürlich seine Zeit, um Muskeln aufzubauen. Aber es war toll, essen zu können was man will." Die exzessiven Trainingseinheiten bereiteten entgegen seiner Erwartungen bei der Rückkehr ins Cockpit keine Probleme.

"Das mit dem Sitz war echt interessant. Wir mussten nicht viel anpassen, obwohl ich viel schwerer geworden bin. Das wird über die kommenden Wochen sicher etwas rauf- und runtergehen, aber es geht nur noch darum, die Form zu halten und am Ball zu bleiben."

Business as usual für Hülkenberg und Verstappen: Zu muskulös geht nicht

Max Verstappen hingegen achtete darauf, nicht zu viel Muskelmasse draufzupacken. "Viel Laufen, Fahrradfahren und viele Workouts mit dem eigenen Körpergewicht und Bändern", erklärt der Red-Bull-Pilot. "Letztendlich dürfen wir nicht zu muskulös sein, denn dann sind wir zu schwer." Die meisten Piloten im Grid beherzigten diesen Weg, denn schließlich ist bei 80 Kilogramm Schluss.

Für die größeren Piloten im Feld hat sich durch das neue Reglement deshalb unter dem Strich auch nichts geändert. Nico Hülkenberg ist mit 1,84 Meter immer schon am Limit gewesen. "Meine ganze Karriere schon habe ich nur ein Kampfgewicht. Mit voller Montur wiege ich 78 Kilogramm, ohne Sitz. Da will ich sein und da muss ich sein", so der Renault-Pilot.

Er begrüßt aber die neue Chancengleichheit im Feld: "Letztes Jahr war ich im Qualifying ein paar Mal übergewichtig unterwegs. Im Grund wurde jetzt eher den leichteren Fahrern ein Vorteil genommen. Für die schwereren Fahrer sollte es etwas fairer sein, aber für mich gibt es keinen messbaren Vorteil."