Esteban Ocon leistete sich im Formel-1-Rennen in Brasilien einen der größten Kardinalfehler im Motorsport. Als Überrundung räumte er den in Führung liegenden Max Verstappen ab und beraubte den Niederländer damit des Sieges. In der 68-jährigen Geschichte ist Ocon aber längst nicht der erste Pilot, der diesen Bock schoss - und auch nicht der erste, der dafür von seinem Opfer eine gewaltige Abreibung bekam.

Während Ocon in der F1 hoch angesehen wird und sich eines gewissen Standings rühmen darf, blieb der Fehltritt für manch anderen Namen das einzige Vermächtnis in der Königsklasse. Eliseo Salazar oder Jean-Louis Schlesser wären ohne unrühmlichen Auftritt einige Jahrzehnte später niemandem mehr ein Begriff. Doch auch der Name Verstappen findet sich unter den Übeltätern wieder. Motorsport-Magazin.com blickt zurück.

Belgien 1998 - Schumi will DC an den Kragen

Der Grand Prix von Belgien 1998 bot reichlich Action. Das Rennen begann mit der bis heute größten Massenkarambolage der Geschichte. Und auch nach dem Restart ging es nicht weniger spektakulär zur Sache. Mit Damon Hill im Jordan brachte das Rennen einen absoluten Sensationssieger hervor. Teamkollege Ralf Schumacher machte mit seinem zweiten Platz den ersten F1-Sieg für Eddie Jordans Rennstall perfekt.

Der andere Schumacher sorgte an diesem Tag allerdings auch für einen denkwürdigen Moment. Michael Schumacher befand sich beim 13. von 16 Rennen mitten im WM-Kampf gegen Mika Häkkinen. Dessen McLaren-Teamkollege David Coulthard war beim ersten Start der Auslöser des Startunfalls gewesen. Beim Restart drehte sich Häkkinen nach einer leichten Berührung mit Schumacher und wurde daraufhin von Johnny Herbert im Sauber torpediert. Das Aus für den Finnen.

Schumacher übernahm nach sieben Runden die Führung von Hill und sah früh wie der sichere Sieger aus. Kurz nach Rennhalbzeit lief er zur Überrundung auf Coulthard auf, der im T-Car ein verhaltenes Rennen fuhr. Der Schotte reagierte nicht sofort, was Schumacher zu Handzeichen veranlasste und seinen Teamchef Jean Todt dazu, am McLaren-Kommandostand vorstellig zu werden und Ron Dennis darauf hinzuweisen, seinem Fahrer entsprechende Anweisungen zu geben.

Formel 1, Belgien 1998: Michael Schumacher rastet aus: (03:56 Min.)

Auf dem Weg herunter zu Pouhon ging Coulthard vom Gas um Schumacher passieren zu lassen, blieb dabei jedoch auf der Ideallinie. Schumacher hatte in der schweren Gischt keine Chance, die Situation rechtzeitig zu erkennen. Er fuhr auf Coulthard auf und riss sich das rechte Vorderrad samt Aufhängung ab. Sein Unfallgegner verlor den Heckflügel, woraufhin beide in langsamer Fahrt an die Box zurückkehrten.

Kaum angekommen sprang Schumacher aus seinem F300, riss sich den Helm herunter und stürmte mit hochrotem Kopf in die McLaren-Garage. Dort saß Coulthard immer noch im Auto, denn er erwartete sein Rennen nach einer Reparaturpause noch einmal aufzunehmen. Mehrere Ferrari-Mechaniker und Jean Todt begleiteten Schumacher, der nicht nur von seinem Team, sondern auch von der McLaren-Crew zurückgehalten wurde.

Coulthard fuhr am Ende als Siebter mit fünf Runden Rückstand über die Ziellinie. Da es zu dieser Zeit nur bis Platz sechs Punkte gab, war sein Einsatz am Ende wenig lohnenswert. Schumacher verlor die Weltmeisterschaft letztendlich gegen Häkkinen. Die zehn Punkte aus Spa hätten ihm angesichts eines Rückstandes von 14 Zählern aber auch nicht den Titel beschert. Das verkorkste Finale in Suzuka war für Schumacher letztendlich der entscheidende Rückschlag im Kampf um den Titel.

Italien 1988 - 39-Jähriger Rookie stoppt Ayrton Senna und McLaren

Der McLaren MP4/4 gilt als eines der erfolgreichsten Autos der Formel-1-Geschichte. In der Saison 1988 gewannen Ayrton Senna und Alain Prost für das britische Team 15 aus 16 Rennen. Nur der Grand Prix von Italien ging Teamchef Ron Dennis auf dem Weg seines Teams zur totalen Domination durch die Lappen. Verantwortlich dafür war Jean-Louis Schlesser. Im zarten Alter von 39 Jahren gab der Franzose in Monza sein Formel-1-Debüt.

Sechs Jahre zuvor war er beim Frankreich GP erstmals in der Königsklasse aufgetaucht, war im RAM allerdings zur Qualifikation gescheitert. Bei Williams erhielt er eine zweite Chance, indem die Briten ihn als Ersatz für Nigel Mansell verpflichteten, der das Rennen krankheitsbedingt nicht in Angriff nehmen konnte. Ursprünglich sollte wie schon in Belgien Martin Brundle einspringen, doch der Brite wurde von seinem Jaguar-Team in der Sportwagen-WM nicht freigegeben.

Im durch den Judd-Motor massivst untermotorisierten FW12 qualifizierte Schlesser sich auf dem 22. Platz und startete somit am 11. September 1988, dem Tag vor seinem 40. Geburtstag, in seinen ersten Grand Prix. Während die Konkurrenz um ihn herum reihenweise mit technischen Defekten ausfiel, blieb Schlesser im Rennen und fand sich wenige Runden vor Schluss auf der elften Position wieder.

Formel 1, Italien 1988: Überrundung schießt Ayrton Senna ab: (01:41 Min.)

An der Spitze lag zu diesem Zeitpunkt Senna, der als einziger McLaren im Feld verblieben war. Prost hatte in der 35. von 51 Runden mit Fehlzündungen aufgeben müssen, war Senna bis dahin jedoch wie ein Schatten gefolgt und hatte den Brasilianer dazu gezwungen, deutlich mehr Benzin als geplant zu verbrauchen. In der Schlussphase musste Senna deshalb das Tempo herausnehmen, sodass die Ferraris von Gerhard Berger und Michele Alboreto näher rückten.

Zwei Runden vor Schluss sah es so aus, als ob Senna sich vor seinen Verfolgern würde retten können - bis er auf Schlesser auflief, um diesen zum zweiten Mal zu überrunden. Eingangs der Variante Rettifilo setzte er zum Überholmanöver an. Schlesser verbremste sich außen, rumpelte in der zweiten Kurve der Schikane innen über den Kerb und torpedierte Senna. Eine gebrochene Hinterradaufhängung setzte seinem Rennen ein Ende.

Die Tifosi durften dadurch am ersten Rennwochenende nach dem Tod des legendären Enzo Ferrari einen Doppelsieg der Scuderia bejubeln. Einige von ihnen bedankten sich dafür sogar persönlich bei Schlesser. Dieser traf 25 Jahre später in Monaco auf Ron Dennis, der ihn "als den Mann, der mein Leben und 1988 unsere perfekte Saison zerstörte" vorstellte. Schlesser entgegnete: "Was an diesem Tag in Monza passiert ist, hat euch bei der Stange gehalten."

Deutschland 1982 - Nelson Piquet lässt die Fäuste sprechen

Eliseo Salazar ist bis heute der einzige Chilene, der in der Formel 1 an den Start ging. Bei 24 Starts für March, Ensign, ATS und RAM sammelte er immerhin drei WM-Punkte. Unvergessen ist er jedoch für seinen Fauxpas beim Großen Preis von Deutschland 1982 oder eher die Abreibung, die ihm Nelson Piquet dafür verpassten.

Salazar hatte sich im ATS als 22. qualifiziert und stand, wie sollte es auch anders sein, in der 18. Runde zur Überrundung durch den Leder Nelson Piquet an. Der Brasilianer bremste sich bei der Anfahrt auf die Ostschikane außen am Nachzügler vorbei. Dieser warf noch einen Blick herüber zu Piquet, fast so, als ob er von dessen Manöver leicht überrascht war.

Einen Moment später fuhr er den Führenden von der Strecke. Piquet gelang es nicht, sich vor dem Einlenken in die Schikane ganz vor Salazar zu setzen, beziehungsweise gelang es diesem nicht, rechtzeitig zurückzustecken und sich in Luft aufzulösen. Salazars rechtes Vorderrad touchierte das linke Hinterrad Piquets, der daraufhin in die Reifenstapel flog und auf der anderen Seite der Strecke ausrollte.

Formel 1, Hockenheim 1982: Nelson Piquet prügelt auf Gegner ein: (02:59 Min.)

Noch bevor Piquets Auto gestoppt hatte, hatte dieser seine Gurte geöffnet und sprang sogleich aus dem Cockpit. Für Salazar hagelte es einige Fäuste und auch Tritte. Da alles recht schnell ging und dieser noch seinen Helm trug, blieben die Treffer des rasenden Piquets ohne Wirkung. Der Auslöser der Kollision äußerte sich zu den Angriffen zunächst nicht, denn tatsächlich verband ihn und Piquet eine langjährige Freundschaft.

Piquet hatte ihm Jahre zuvor den Weg nach Europa geebnet, um dort seine Rennfahrerkarriere zu verfolgen. Einige Monate später entschuldigte sich Piquet am Telefon bei ihm. Allerdings erst, nachdem ihm seine Mechaniker gestanden hatten, dass das BMW-Triebwerk in seinem Heck ohnehin nur noch wenige Runden mitgemacht hätte, und Salazar den deutschen Motorenlieferanten damit eigentlich vor einem beschämenden Defekt vor heimischem Publikum bewahrt hatte.

Brasilien 2001 - Verstappen verhindert Sensationssieg

In der Saison 2001 debütierte einer der zu dieser Zeit vielversprechendsten Nachwuchspiloten in der Formel 1. Die Rede ist nicht etwa von Fernando Alonso oder Kimi Räikkönen, die auch 17 Jahre später mit Weltmeistertiteln in ihrer Vita noch in der Königsklasse unterwegs sind. Juan Pablo Montoya hatte mit dem BMW Williams nicht nur das stärkste Auto der drei Rookies, als Formel-3000-Europameister, Champ-Car-Meister und Indy500-Sieger hatte der damals 25-Jährige auch schon eine beeindruckende Karriere vorzuweisen.

Seinen Vorschusslorbeeren wurde der Kolumbianer gleich am zweiten Rennwochenende gerecht. Beim Großen Preis von Brasilien qualifizierte er sich hinter Michael Schumacher im Ferrari, seinem Williams-Teamkollegen Ralf Schumacher und dem McLaren von Mika Häkkinen als Vierter. Mit dieser Ausgangslage war er zunächst nicht der heißeste Anwärter auf den Sieg, doch das sollte sich innerhalb weniger Runden ändern.

Montoya brannte nach dem Start ein wahres Feuerwerk ab. Nachdem Häkkinen im Grid den Motor abgewürgt hatte und zur Bergung das Safety Car ausrücken musste, nutzte Montoya, nach der Startunde bereits an zweiter Stelle, beim Restart seine Erfahrung aus den USA. Er verbiss sich im Windschatten Schumachers und machte gleich bei der ersten Gelegenheit kurzen Prozess, als er sich auf der letzten Rille innen ins Senna-S hinein am Ferrari vorbeibremste.

Noch überraschender als sein Manöver war dann die Pace, mit der er in der Folge das Rennen an der Spitze kontrollierte. In der 39. von 71 Runden lag er bereits über eine halbe Minute vor Schumacher und war drauf und dran, für BMW den ersten Sieg seit dem Formel-1-Comeback ein Jahr zuvor einzufahren. Doch aus dem Meilenstein für die Bayern sollte nichts werden.

Formel 1, Brasilien 2001: Jos Verstappen schießt Montoya ab: (03:29 Min.)

Zur Überrundung stand kein Geringerer als Jos Verstappen, Vater des heutigen Formel-1-Shooting-Stars Max Verstappen an. Der Niederländer in Diensten von Arrows kämpfte in dieser Saison mit stumpfen Waffen und machte zunächst auch vorbildlich die Ideallinie für den Führenden Montoya frei, als die beiden Piloten auf die vierte Kurve zusteuerten. Der Williams ging vorbei, die Situation unter Kontrolle - bis es in die Anbremszone ging.

Verstappen ordnete sich hinter Montoya ein, verpasste dabei aber seinen Bremspunkt komplett. Der Niederländer stieg über Montoyas Heck auf und beendete dessen Triumphfahrt an Ort und Stelle. "Er hat sehr früh gebremst und das war's. Ich konnte ihm nicht mehr ausweichen", beteuerte Verstappen. "Es tut mir wirklich sehr leid, denn ich habe gehört, dass er das Rennen anführte."

Der als Hitzkopf bekannte Montoya reagierte überraschend gelassen auf die Szene. Statt 'Jos the Boss' eine Ansage zu machen, akzeptierte JPM sein Schicksal und marschierte nach dem Unfall ohne viel Lärm davon. Vielleicht wusste er einfach schon, dass man sich einen Verstappen besser nicht als Gegner aussucht.