Eine Woche vor dem Grand Prix von Frankreich 2018 soll es beim Formel-1-Team von McLaren Ärger gegeben haben. Die anhaltenden Misserfolge des Teams sollen laut der britischen Presse einige der Mitarbeiter dazu veranlasst haben, sich gegen die Teamführung rundum CEO Zak Brown und Racing Director Eric Boullier zu stellen. Tatsächlich sollen sie Hilfe ausgerechnet bei Ex-Teamchef Martin Whitmarsh angefordert haben.

"Einige Leute von McLaren sagten, dass sie mir ein Schreiben bezüglich der dort herrschenden Situation zukommen lassen würden", so Whitmarsh gegenüber der Daily Mail. Der verwies seine ehemaligen Kollegen allerdings direkt an die Shareholder: "Ich sagte ihnen, dass sie es nicht mir sondern Mansour schicken sollen." Das anonyme Schriftstück soll schon vergangenes Jahr in Umlauf gebracht worden sein.

In der Woche nach Montreal soll es bei der Nachbesprechung des Rennens erneut heiß hergegangen sein, da Boullier offenbar keine zufriedenstellende Antwort auf die schwache Performance liefern konnte. "Genug ist genug. Es wird eine Delegation zusammengestellt", soll ein namentlich nicht genannter Mitarbeiter erklärt haben, dass man gegen die ihrer Ansicht nach inkompetente Teamführung vorgehen will.

Whitmarshvon McLaren-Niedergang "zutiefst betrübt"

Ein Teil dieses Plans soll auch die Reaktivierung Whitmarshs sein, der von 1989 bis 2014 Teil des Teams war und in seinen letzten fünf Jahren dort die Rolle des Teamchefs bekleidete. "Ich lebe in der Nähe und treffe auf Freunde die bei McLaren arbeiten. Sie sind enttäuscht mit dem was dort passiert und beschweren sich bei mir darüber", so der 60-Jährige.

Ihn selbst trifft die jüngste Vergangenheit seines langjährigen Arbeitgebers trotz seiner Absetzung Anfang 2014 immer noch sehr. "Ich liebe das Team und bin zutiefst betrübt angesichts dessen, was daraus geworden ist", erklärt er. Whitmarsh pflegt nach der langen Zusammenarbeit nach wie vor einen engen Kontakt zu Shareholder Mansour Ojjeh.

Der Saudi-Arabier ist seit Ende 1981 Anteilseigner des britischen Traditionsrennstalls. Beim diesjährigen Spanien GP ergriff Whitmarsh bei seinem Besuch offenbar selbst die Initiative und trat an ihn heran. "Ich habe dem ein bisschen Nachdruck verliehen", gibt Whitmarsh zu, der mit der Marschroute der aktuellen Teamführung offenbar auch als Außenstehender nicht konform geht.

Whitmarsh ist mit der Arbeit Boulliers offenbar nicht einverstanden, Foto: Sutton
Whitmarsh ist mit der Arbeit Boulliers offenbar nicht einverstanden, Foto: Sutton

Whitmarsh fordert Entlassung von McLaren-Teamführung

"Dieses Team war mal eine Siegermannschaft in der Formel 1. Jetzt schauen sie stattdessen auf andere Serien und wollen zum Beispiel in der IndyCar oder in Le Mans starten", so Whitmarsh. "Das sind an sich tolle Dinge, aber McLaren in diese Richtung gehen zu sehen statt Grand-Prix-Sport zu seiner alleinigen Priorität zu machen, lässt mich erschaudern."

Whitmarsh glaubt, dass die Verantwortlichen mit ihren Entscheidungen für die Misere verantwortlich sind. "Es braucht eine grundlegende Änderung was ihren Ansatz angeht. Zwischen den tragenden Persönlichkeiten wird zu viel Politik betrieben. Ich denke, ein paar von ihnen müssen gehen", feuert er gegen die Entscheider Zak Brown und Eric Boullier.

Tatsächlich ist er mit dieser Meinung offenbar schon an die obersten McLaren-Bosse herangetreten: "Ich habe meine Ansichten Mansour erklärt. Es liegt an den Shareholdern, zu entscheiden was zu tun ist", so Whitmarsh, den vor allem die Entlassung eines ehemaligen Weggefährten dazu veranlasst haben soll.

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Whitmarsh bietet sich für McLaren-Rückkehr an

"Der Abschied von Tim Goss war für mich zu viel. Tim ist unglaublich intelligent, arbeitet hart, macht keine Politik und war eine Bereicherung für das Team", bricht er eine Lanze für den Ende April entlassenen Chefdesigner. "Er wurde zum Sündenbock gemacht", ist er sicher. "Er hatte vielleicht nicht auf alles die Antworten, aber er war immer dazu in der Lage an einer Lösung zu arbeiten."

Zu Letzterem sieht er sich offenbar auch selbst fähig. Obwohl McLaren unter Whitmarshs Führung zwischen 2009 und 2014 keine WM-Titel erringen konnte, traut er sich zu das Team aus seiner misslichen Lage befreien zu können: "Wenn eine Delegation bei mir auf der Matte stehen würde, würde ich sie nicht wegschicken. Sie wissen, wo sie mich finden."