Valtteri Bottas war beim Grand Prix von China 2018 lange Zeit auf Siegkurs. Vom Start weg hatten der Mercedes-Pilot und seine Strategen alles richtig gemacht, Ferrari und Sebastian Vettel bei den Boxenstopps sogar die Führung abgeknüpft. Selbst Bremsklotz Kimi Räikkönen konnte Bottas nicht aufhalten. Durch die Safety-Car-Phase blieben die Anstrengungen letztendlich unbelohnt.

"Das überwiegende Gefühl ist Enttäuschung", so Bottas, der zehn Runden vor der Zielflagge vom Soft-bereiften Daniel Ricciardo im Red Bull abgefangen wurde. "Er kam wirklich sehr schnell näher. Der Pace-Unterschied war groß. Sie hatten ein starkes Auto und zu diesem Zeitpunkt obendrein noch frische Reifen. Mit der Pace, mit der er danach davongefahren ist, war es sowieso nur eine Frage der Zeit", erklärt der Finne, der schlussendlich fast zehn Sekunden hinter Ricciardo über den Zielstrich fuhr.

Ricciardo exerzierte sein Manöver mit der von ihm gewohnten Aggressivität sowie Sorgfalt, als er Bottas beim Anbremsen auf Kurve sechs innen überholte. "Ich versuchte mich in Turn 6 zu verteidigen. Aber es ist immer ein bisschen ein Kompromiss, wie extrem du es machst. Wenn du zu viel verteidigst, wird er dich am Ausgang definitiv kriegen, wenn er sich hinter dir seine Linie aussuchen kann. Aber er tendiert ja dazu, auch dann innen noch Platz zu finden, wenn du schon verteidigst", so Bottas.

"Sein Manöver gegen Valtteri war vielleicht etwas brutal, aber es hat funktioniert. Valtteri hat ihm aber auch etwas geholfen, da er eine Kollision verhindert hat. Aber das ist Racing und es war großartig", so Mercedes-Teamchef Toto Wolff, der dem Rennsieger Rosen streute. "Daniel ist einer der sehr guten Fahrer und das hat er heute wieder bewiesen. Er hat auf seine Chancen gewartet und war aggressiv, wenn es notwendig war. Ein sehr gutes Rennen von ihm."

Bottas selbst hatte nach Bahrain etwas Kritik einstecken müssen, da er der Ansicht einiger Leute im Paddock, zu denen auch Ricciardo zählte, im Kampf um den Sieg gegen Sebastian Vettel kein Manöver versucht hatte. In China bewies Bottas jedoch, dass auch er weiß wie man sich auf der Strecke nach vorne kämpft. Schon am Start war er gegen den Ferrari von Kimi Räikkönen erstmals erfolgreich.

Bottas machte vom Start weg in China eigentlich alles richtig, Foto: Sutton
Bottas machte vom Start weg in China eigentlich alles richtig, Foto: Sutton

Ferrari-Schikane Räikkönen: Hätte Mercedes genauso gemacht

"Ich wusste, dass es für mich die einzige Möglichkeit sein würde, es außenherum zu machen. Das habe ich dort schon ein paar Mal gemacht. Es ist immer auch ein Risiko, wenn eines der Autos vor dir weit geht, weil es zum Kontakt kommt oder sich jemand verbremst. Aber dieses Mal hat es funktioniert. Ich konnte die Position relativ einfach gutmachen, da sie [die Ferraris] sich beharkten", erklärt Bottas.

In der Schneckenkurven kam es im späteren Rennverlauf zu einem weiteren Manöver gegen Kimi Räikkönen, allerdings unter anderen Vorzeichen. Nachdem Bottas die Phase bis zu den Boxenstopps hinter Vettel verbracht hatte, brachte ihn das Team per Undercut erfolgreich vor den Ferrari an die Spitze. "Das Team hat mit allem einen perfekten Job gemacht. Ich habe auf der In-Lap alles rausgeholt, der Boxenstopp war der schnellste seit langer Zeit und meine Out-Lap war auch sehr gut", so Bottas.

Der 28-Jährige war nach seinem Reifenwechsel zwar vor Vettel, lag im Rennen damit jedoch nur an zweiter Stelle. In Führung lag zu diesem Zeitpunkt der zweite Ferrari von Räikkönen, der noch nicht gestoppt hatte. Bottas und Vettel hatten die Lücke mit frischen Reifen bald geschlossen. "Als ich auf Kimi auflief habe ich schon gesehen, was sie vorhatten", sagt Bottas, der sich ein Schmunzeln nicht verkneifen kann.

Als Bottas am Landsmann dran war, leistete dieser erbitterte Gegenwehr. "Er hat sehr deutlich versucht mich einzubremsen. Sebastian kam ran, aber er konnte ihm nicht genug helfen, um auch vorbeizukommen. Kimi hatte mit den alten Reifen wirklich zu kämpfen. Aber so läuft es halt, wir würden dasselbe machen", so Bottas, der in Turn 1 außenherum vorbeiging und in der Folge auch Vettel in Schach halten konnte, der ihm nach der Räikkönen-Blockade im Getriebe saß.

Bottas: Hatten Vettel im Griff

Da die Mercedes- und Ferrari-Piloten bei regulärem Rennverlauf alle eine Einstopp-Strategie mit einem langen zweiten Stint auf Medium geplant hatten, war sich Bottas sicher, die Führung gegen Vettel verteidigen zu können: "Sebastian war auf demselben Reifen und es gab keinen großen Pace-Unterschied zwischen den Autos. In der Theorie hätten wir das managen und uns bis zum Ende verteidigen können."

Die Kollision des Toro-Rosso-Teamkollegen in der 30. Runde kam Bottas und seinem Team jedoch in die Quere. Weder Mercedes noch Ferrari nutzten die Safety-Car-Phase für einen Wechsel auf den schnelleren Soft-Reifen. Einzig Red Bull ließ sich auf einen Reifenpoker ein. "Sebastian und ich hatten definitiv nicht die Option, zu stoppen. Wir waren die beiden einzigen Autos, die schon an der Safety-Car-Linie vorbei waren. Alle dahinter konnten es sich aussuchen", erklärt Bottas.

"Wir waren der Ansicht, dass Track Position wichtiger sein würde. Im ersten Stint konnten wir sehen, dass nicht überholt werden konnte. Unsere Berechnungen sagten voraus, dass der Medium bis zum Ende halten würde", so Wolff, dessen Strategen offenbar nicht auf dem Schirm hatten, dass die Taktik von Red Bull derart überlegen sein würde. "Rückblickend wäre es wohl die richtige Strategie gewesen, für Soft ein zweites Mal zu stoppen. Aber niemand im Team, mich eingeschlossen, hielt das für den richtigen Weg."

Bottas lag vor Vettel in Führung, nachdem das Duo Räikkönen passiert hatte, Foto: Sutton
Bottas lag vor Vettel in Führung, nachdem das Duo Räikkönen passiert hatte, Foto: Sutton

Mercedes überzeugt: In China besseren Job bei Strategie und Kommunikation gemacht

Insgesamt war Mercedes aber trotz allem der Ansicht, strategisch vieles richtig gemacht zu haben. "Wir sind sehr flexibel. Wir haben eine sehr gute Gruppe von Strategen und der Undercut für Valtteri funktionierte ausgezeichnet. Es wird einfach nur sehr komplex, wenn du auf sechs statt einem oder zwei Autos schauen musst, die Chancen auf den Sieg haben", so Wolff. Auch Bottas hatte in dieser Hinsicht nichts auszusetzen.

"Von unserer Seite habe ich das Gefühl, dass wir unter Berücksichtigung unserer Startposition ein perfektes Rennen hatten - bis zu dem Punkt, als Red Bull auf die frischeren Reifen wechselte und nach vorne kam." Nach den ersten beiden Saisonrennen gab es jeweils Kritik von den Silberpfeil-Piloten, der Kommandostand habe sie während des Rennens nicht gut genug informiert und so nicht das volle Potential ausgeschöpft.

In China war laut Bottas auch das anders: "Wir haben aus Bahrain viele Dinge hinsichtlich der Kommunikation gelernt. Heute konnte ich in ein paar Situationen schon einen Unterschied merken. Manchmal gab es etwas spezifischere Informationen. Ich habe mehr gefragt und das Team gedrängt, dass ich mehr Informationen will, wenn ich das Gefühl hatte, sie zu brauchen."

Bottas heiß auf Baku: Bin hungrig auf Rennsieg

Nachdem Bottas zum zweiten Mal innerhalb von nur sieben Tag der Sieg knapp durch die Lappen ging, ist der Finne bis in die Haarspitzen motiviert. "Es ist dieses Jahr sehr eng. Wir stehen einer großen Herausforderung gegenüber, aber wir sind heiß drauf. Wir wissen, dass wir uns noch in vielen Bereichen verbessern können. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir alles perfekt hinbekommen. Der Sieg wird kommen", ist er überzeugt.

In zwei Wochen hat er beim Grand Prix von Aserbaidschan die nächste Möglichkeit, für die beiden Niederlagen von Bahrain und China Wiedergutmachung zu leisten. "Ich freue mich auf Baku. Es ist die nächste tolle Chance, nachdem der Sieg für mich jetzt bei zwei Rennen nacheinander so nah war. Ich bin jetzt so hungrig auf diesen Sieg", gibt sich Bottas kämpferisch.