Wie konnte sich Lewis Hamilton vor Sebastian Vettel halten?

Der große Showdown war angerichtet. Nach dem Ende der Safety-Car-Phase belauerten sich Sebastian Vettel und der führende Lewis Hamilton extrem, keiner wollte den möglicherweise entscheidenden Fehler machen. Eine Kollision wie in Baku blieb aber aus. Vettel schien auf seinen frischen Ultrasofts einen enormen Vorteil zu haben gegenüber dem auf Softs unterwegs befindlichen Hamilton. Doch dieser nutzte einen fahrerischen Trick, um Vettels Angriff abzuwehren.

Durch Eau Rouge fuhr er nicht mit Vollgas, um für den Rest der Kemmel-Geraden eine Reserve zu haben, die es verhindert, dass Vettel einen Überschuss erzielen konnte. "Als wir die Gerade zur Eau Rouge herunterfuhren, hatte ich das Gas nur zu etwa 90 Prozent offen, um ihn so nah wie möglich hinter mir zu halten", schilderte Hamilton. "Erst als wir Eau Rouge hochfuhren, gab ich maximale Power. So hatte er oben keine Möglichkeit, um Schwung zu holen."

Eine Meisterleistung, die voll aufging. Vettel kam nicht vorbei. "Ich bin nicht ganz zufrieden. Ich hatte am Start und am Re-Start eine Chance und hab nach beiden Malen ins Lenkrad gebissen", erklärte er. Den Vorteil seiner Ultrasofts konnte er in der Folge nicht ausspielen, Hamilton fuhr ihm davon. Das Rennen war entschieden.

Am Ende cruiste Lewis Hamilton zum Sieg, Foto: LAT Images
Am Ende cruiste Lewis Hamilton zum Sieg, Foto: LAT Images

Warum ging Mercedes am Ende auf Soft-Reifen?

Doch wieso ging Mercedes überhaupt das Risiko ein und wählte nach dem Mittelstint auch für den Schlussstint die gelben Reifen? Erste und einfachste Antwort: Es waren keine frischen lila Reifen mehr übrig. Doch auch wenn noch ein Satz in der Garage gestanden hätte, wäre man wohl bei den Softs geblieben. "Wir hatten erwartet, dass der Soft für die noch übrigen 12 bis 14 Runden der schnellere Reifen sein würde", sagte Motorsportchef Toto Wolff.

Zwar bestand für die unmittelbar folgende Phase nach dem Re-Start eine potentielle Gefahr durch Vettel, doch mit Hamilton hatte man genau den richtigen Mann, um die Attacke abzuwehren. "Der Lewis hat eine Speed hingelegt, das war unglaublich. Das kann nur er", sang Niki Lauda ein Loblied. Und Wolff ergänzte: "Der Ultrasoft wäre nur für eine Attacke in den ersten zwei Runden nach dem Re-Start gut gewesen, aber danach nicht die richtige Wahl. Wir wussten, wenn sich Lewis vorne halten würde, ist der Soft der bessere Reifen - und so war es dann auch."

Wie kam Daniel Ricciardo auf das Podium?

Daniel Ricciardo schaffte es auch in Belgien wieder, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Obwohl Red Bull eigentlich nicht mit Ferrari und Mercedes mithalten konnte, schaffte er es auf das Podium, obwohl keiner der vier Top-Fahrer ausschied. Das entscheidende Manöver setzte Ricciardo nach dem Re-Start. Auf dem Weg die Kemmel-Gerade hinauf Richtung Les Combes setzte er sich außen neben Valtteri Bottas, der mit seinen Reifen kämpfte.

Innen war dann auch noch Kimi Räikkönen, der kurz davor stand, das Häkkinen-Manöver aus 2000 zu wiederholen. Doch Ricciardo kam außen an Bottas vorbei und hielt sich auch vor dem Ferrari-Finnen. Dieser konnte die Pace nicht mehr mitgehen, Ricciardo war Dritter. "Ich konnte mich nur auf Valtteri fokussieren und um ehrlich zu sein, war es in der Anbremszone etwas blind. Ich wusste, dass ich vielleicht vorne bin, aber irgendwann kommt ein Punkt, an dem man es nicht wirklich sieht", schilderte Ricciardo.

Daniel Ricciardo fuhr erneut auf das Podium, Foto: LAT Images
Daniel Ricciardo fuhr erneut auf das Podium, Foto: LAT Images

Warum wurde Kimi Räikkönen bestraft?

Vermutlich wäre für Räikkönen ein Podium locker drin gewesen, hätte er nicht einen bösen Schnitzer begangen. Als Max Verstappen seinen Boliden abstellen musste, wurden die Kemmel-Gerade hinauf doppelt-gelbe Flaggen als Warnsignal geschwenkt. Ein klares Zeichen an die Fahrer, zum Anhalten jederzeit bereit sein zu müssen. Doch Räikkönen ignorierte die Signale und ging überhaupt nicht vom Gas. Ein Verhalten, das die Rennleitung rigoros ahndete. Der Finne erhielt eine 10-Sekunden Stop-and-Go-Strafe, zudem wurde seine Superlizenz mit drei Strafpunkten belastet.

Doch nach dem Rennen wollte Räikkönen seinen Fehler überhaupt nicht einsehen. "Ich wusste, dass da gelbe Flaggen waren", sagte der frühere Weltmeister. "Aber das Auto war auf der Geraden mindestens zur Hälfte hinter der Streckenbegrenzung. Ich bin nicht schneller gefahren, aber auf der Geraden nicht vom Gas gegangen. Aus meiner Sicht war es unsinnig, dafür eine Strafe zu erhalten", lieferte er eine äußerst eigenwillige Sicht auf die Dinge.

Warum sorgte Force India für den größten Aufreger?

Für den größten, weil gefährlichsten Aufreger sorgte aber das Force-India-Team. Zum wiederholten Male in dieser Saison kamen sich die beiden Teamkollegen Sergio Perez und Esteban Ocon in die Quere. Zunächst kurz nach dem Start, als Perez aufgrund eines falschen Motoren-Modus' fast wehrlos war. Rechts und links tauchten Fahrer auf, darunter auch Ocon. Perez sah ihn nicht und zog nach rechts. Erste Berührung, aber folgenlos.

Das deutlich extremere Manöver folgte in Runde 29. Ocon lag hinter Perez, nach La Source wollte er schon vor Eau Rouge innen vorbei. Perez aber zog wieder nach rechts, Ocon hatte keinen Platz, es kam zur Kollision. Der Frontflügel des Franzosen verabschiedete sich, Perez erlitt an einer der gefährlichsten Stellen überhaupt einen Reifenplatzer.

Force India verlor wertvolle Punkte, Foto: Sutton
Force India verlor wertvolle Punkte, Foto: Sutton

Die Schuld auch am zweiten Manöver sah Ocon wieder ganz klar bei Perez. "Er hat mich bei 300 km/h in die Mauer gedrückt und dabei mein Leben riskiert. Und das ohne Grund! Noch dazu hat es dem Team jede Menge Punkte gekostet. Er sollte ein professioneller Rennfahrer sein, aber das hat er heute nicht gezeigt", fand er klare Worte. Auch Force-India-Geschäftsführer sah eine "80:20"-Verteilung pro Perez. Toto Wolff, zu dessen Nachwuchsfahrern Ocon gehört, bezeichnete die Aktion als "unverantwortlich und dämlich".

Perez selbst nahm die Schuld am ersten Zwischenfall klar auf sich, aber nicht für die zweite Aktion. " Ich denke, beim zweiten Manöver war Esteban einfach zu optimistisch. Es gab keinen Raum und keinen Grund für diesen Kontakt. Jeder andere Fahrer hätte da auch seine Linie verteidigt", stellte er klar.

Weshalb erlebte Max Verstappen ein wahres Horror-Rennen?

Zehntausende holländische Fans waren ins Nachbarland gekommen, um ihren Hero Max Verstappen zu erleben. Doch für den Red-Bull-Piloten verlief auch sein halbes Heimrennen (Verstappen besitzt auch einen belgischen Pass) wie ein Albtraum. In der achten Runde streikte ein Zylinder seiner Power Unit, der Ausfall auf der Kemmel-Geraden - direkt vor "seiner" Tribüne. Unfassbar: es war der sechste Ausfall für Verstappen in dieser Saison - macht eine Quote von 50 Prozent.

"Es ist einfach demotivierend", sagte Verstappen. "Du arbeitest das ganze Wochenende hart, hast ein tolles Qualifying und freust dich auf das Rennen - und dann fällst du nach acht Runden aus. Ich weiß gar nicht, was ich da noch sagen soll. Es ist einfach ein sehr hartes Jahr." Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko äußerte sich sogar erstaunlich verständnisvoll, sollte sich Verstappen nach seinem Vertragsende 2018 nach einem anderen Team umsehen, sollte Red Bull die Zuverlässigkeitsprobleme nicht in den Griff bekommen.

Wieder einmal endete ein Rennen für Verstappen vorzeitig, Foto: Sutton
Wieder einmal endete ein Rennen für Verstappen vorzeitig, Foto: Sutton

Warum ist Valtteri Bottas der große Verlierer des Belgien GP?

Auch wenn Verstappen emotional wohl am meisten zu leiden hatte, war Valtteri Bottas rein sportlich gesehen der große Verlierer in Spa. Denn während sich Sebastian Vettel und Lewis Hamilton wieder einmal um den Sieg bekämpften, verlor Bottas mit Rang fünf wertvollen Boden. Befand er sich nach dem Ungarn GP noch mitten drin im WM-Kampf, hat er nun 41 Punkte Rückstand auf Vettel und satte 34 auf Hamilton.

Besonders die teaminterne Konstellation könnte nun eine Änderung erfahren. Da Ferrari ohnehin nur auf Vettel setzt, könnte Mercedes seinen Fokus auch bald auf Lewis Hamilton verlagern. Niki Lauda wurde schon einmal deutlich. "Ich weiß ganz genau, was wir machen werden und müssen", stellte er bei RTL klar. "Ich brauche das aber nicht zu diskutieren, weil sich das Problem hier von selber erledigt. Bottas war hier nicht so stark das gesamte Wochenende, deshalb konnte er nicht so mitfahren. Jetzt kommen Rennen für Rennen. Ganz klar ist, dass Lewis der absolute Favorit ist für die Fahrer-WM mit sieben Punkten Rückstand. Da werden wir sicher nichts machen, wo er Punkte verliert." Klare Worte nennt man das.

Wieso war für Pascal Wehrlein schon nach einer Runde Schluss?

Ein komplett gebrauchtes Wochenende erwischte Pascal Wehrlein in Belgien. Im Qualifying nach einem sich selbst auflösenden Unterboden nur Letzter, war sein Rennen bereits nach einer Runde vorbei. "Wir hatten Probleme mit der Radaufhängung, was dann letztlich dazu geführt hat, dass ich das Rennen frühzeitig beenden musste", erklärte Wehrlein.