Vergangene Saison war er noch Haas' Allzweckwaffe, 2017 läuft es für Romain Grosjean bisher überhaupt nicht nach Plan. Nach Punkten hat seiner neuer Teamkollege Kevin Magnussen seit Baku die Nase vorne. Im Qualifying erlebte der Franzose in Aserbaidschan zudem erneut eine Schlappe und versank am Ende des Feldes. Wieder waren es die Bremsen und die Reifen, die Grosjean zur Weißglut trieben. Beim Chaos am Rennsonntag blieb er verschont und konnte dennoch nicht profitieren. Der Frust scheint sich wie ein roter Faden durch seine Saison zu ziehen.

Schon in Sochi hatte Grosjean mit dem letzten Platz im Qualifying einen absoluten Tiefpunkt erreicht. In Baku landeten Marcus Ericsson und Stoffel Vandoorne zwar noch hinter ihm, doch den eigenen Erwartungen lief er erneut hinterher. "Ich verstehe es einfach nicht. Ich bekomme mit dem Auto einfach nicht das Gefühl, um das Maximum herauszuholen", klagte der 30-Jährige am Samstag, nachdem er auf Magnussen über eine Sekunde verloren hatte. Ein Grund mehr für ihn, frustriert zu sein: "Ich mache niemandem einen Vorwurf. Ich muss mich bei solchen Bedingungen einfach besser anpassen." Beim Rennen auf dem Baku City Circuit gelang ihm das aber nicht einmal ansatzweise.

Während der Stallgefährte auf Platz sieben wertvolle Punkte sammelte und im direkten Duell nun mit 11:10 Zählern vorne liegt, konnte Grosjean aus der Ausfallorgie keine Vorteile ziehen. Als 13. und Letzter überquerter er die Ziellinie und war gleichzeitig der einzige Pilot, der eine Runde Rückstand aufwies. Die Pressemitteilung von Haas ließ ein Statement des Sorgenkindes gänzlich missen. Auch ohne eine Aussage Grosjeans lag nahe, weshalb sich der Franzose mit seinem Frust lieber aus dem Staub machte. "Das Bremsproblem war das ganze Wochenende schon schrecklich. Kevin sagt dasselbe, und der weiß auch, wie man ein Auto fährt", gab er am Vortag zu Protokoll. Umso schlimmer, dass Magnussen im Rennen knappe zwei Minuten Vorsprung auf ihn hatte.

Romain Grosjean erlebte in Sochi ein Debakel, Foto: Sutton
Romain Grosjean erlebte in Sochi ein Debakel, Foto: Sutton

Grosjean und die Bremsen

Grosjean und die Bremsen an seinem Haas-Boliden: Das scheint mittlerweile wie eine niemals endende Geschichte. Schon 2016 hatte er immer wieder Wochenenden, an denen er permanent geradeausfuhr und sich lautstark über das problematische Ansprechverhalten der Bremsanlage beklagte. Das Team versucht seinem Piloten mit aller Kraft dabei unter die Arme zu greifen, die Probleme endlich in den Griff zu bekommen. Bereits mehrmals wechselte man den Hersteller und probierte statt Brembo die Teile von Carbon Industries aus. Der große Durchbruch gelang bisher aber noch nicht.

Dabei ist Grosjean der Meinung, gerade auf der Bremse besonders stark zu sein. "Bremsen ist immer schon meine Stärke, das war schon in der Formel Renault so", ist er überzeugt. Gerade deshalb wiegt das Mysterium umso schwerer auf seinem Selbstvertrauen: "Aber ich habe daran gearbeitet, besser zu werden, auch wenn mir das Auto nicht liegt. Aber ich habe immer noch gewisse Probleme und es ist wirklich eine unkomfortable Situation für mich." Aus der Vergangenheit kennt Grosjean solche Situationen, doch so ratlos wie bei Haas war er nie.

"Ich kann immer von meinem Teamkollegen lernen. Es war mit Pastor [Maldonado] 2014 das Gleiche, als wir das seltsame Auto hatten, das nach rechts gefahren ist, wenn du nach links gelenkt hast", erinnerte er an seine Zeit bei Lotus. Damals schaffte er es offenbar schneller, den Problemen auf den Grund zu gehen. Das Bremsproblem am Haas scheint allerdings ein ganz anderes Ausmaß zu haben: "Wenn das nicht läuft, ist es meine größte Schwäche. Sobald das nicht mehr funktioniert, bin ich verloren. Das ist schwer zu beschreiben", erklärte er seinen Teufelskreis. Was Grosjean am Baku-Wochenende außerdem gegen den Strich ging, war die permanente Übertragung seiner frustrierten Funksprüche.

Kevin Magnussen liegt in der Gesamtwertung vor Romain Grosjean, Foto: Sutton
Kevin Magnussen liegt in der Gesamtwertung vor Romain Grosjean, Foto: Sutton

Grosjeans Frust-Funk: Teamchef Günther Steiner gefällt's

"Ich habe jetzt echt genug davon. Was sage ich sage, ist für das Team bestimmt und nicht für die Öffentlichkeit", polterte Grosjean gegenüber der Presse in Aserbaidschan. Schon 2016 war er mit seinen geladenen Funksprüchen häufig auf Sendung. Je mehr Probleme er hat und umso mehr Frust er im Radio ablässt, desto häufiger hört die Weltöffentlichkeit mit. "Ich wurde viel mehr übertragen als andere Fahrer. Aber ich bin sicher, dass auch andere manchmal nicht so glücklich sind und fluchen", so der Haas-Pilot.

In der Tat sind die Schimpftiraden von Piloten wie Fernando Alonso und Kimi Räikkönen bei der Regie genauso angesagt wie die des Romain Grosjean. Während sich die Gegner über die Übertragung nicht beschweren oder, wie im Fall Alonso, auch noch stolz darauf sind, gefällt Grosjean seine Sendezeit überhaupt nicht: "Ich kann mein Naturell nicht verbergen, aber das ist nicht wirklich das, was ich will." Haas-Teamchef Günther Steiner äußerte sich gegenüber Motorsport-Magazin.com schon vor langer Zeit zum unfreiwilligen Entertainment-Faktor seines Piloten.

"Es gibt diese Funk-Nachrichten, die ziemlich aggressiv sind. Aber wir kennen den Mann. Er hat Emotionen - und ich sage immer, Emotionen sind gut. Denn wenn du keine Emotionen hast, kannst du in einem Sport wie diesem nicht erfolgreich sein, wo viel von Emotionen abhängt und davon, über das Limit zu gehen", erklärte der Österreicher damals. Obendrein sei für Steiner alles im grünen Bereich, solange sein Fahrer beim Dampf ablassen nicht persönlich wird: "Für mich wäre es das Schlimmste, wenn er auf eine Person losgeht. Aber wenn er generell darauf losgeht, dass etwas nicht funktioniert, ist das für mich okay."

Haas-Teamchef Günther Steiner kann sich über Grosjeans Ausraster gut amüsieren, Foto: Sutton
Haas-Teamchef Günther Steiner kann sich über Grosjeans Ausraster gut amüsieren, Foto: Sutton

Anders als bei den großen Werksteams, wo die politische Korrektheit unter keinen Umständen untergraben werden darf, sieht man die Funkausraster des Piloten bei Haas deutlich lockerer. "Wenn seine Aussagen zu schlimm geworden wären, wäre es für mich einfach gewesen, zu sagen, dass er es nicht sagen darf oder den Funk ausschalten soll. Aber das wollen wir nicht und das will ich nicht. Wir müssen es auch nicht. Zum Glück gibt es im Team Haas diese Freiheit", so Steiner, der sich zusammen mit seinen Kollegen auch gerne einen Spaß aus Grosjeans Wut-Funk macht.

"Wir sehen am Kommandostand die Daten vom Auto und was es macht. Dann diskutieren wir, in welcher Runde er anfängt zu schreien", so Steiner weiter, der mit seinen Tipps meistens richtig liegt: "Ich sage: Gleich kommt er wieder, gleich platzt ihm der Kragen. Und eine Runde später geht es los." Er stellte jedoch auch von Beginn an klar, dass Grosjean nicht nachtragend ist und seine schlechte Laune schnell wieder verfliegt: "Er ist hinterher nicht schwierig zu managen. Man setzt sich mit ihm zusammen und erklärt ihm, wieso und warum. Eine halbe Stunde später ist er den Jungs gegenüber wieder positiv eingestellt."