Droht den Power Units das Ende? Am Freitag lädt die FIA zum großen Motoren-Meeting in Paris. Grund dafür sind die Regeln nach 2020. Das aktuelle Motoren-Reglement läuft noch bis einschließlich 2020, danach ist die Motoren-Zukunft offen. Aus diesem Grund hat der Automobilweltverband den kommerziellen Rechteinhaber und zahlreiche Hersteller eingeladen, um über das Triebwerk der Zukunft zu sprechen.

Interessant: Nicht nur die aktuellen Motorenhersteller Mercedes, Renault, Honda und Ferrari sitzen mit Ross Brawn und Jean Todt am Tisch, auch weitere Hersteller kommen der Einladung der FIA nach. Mit dabei ist auch ein Vertreter des Volkswagen-Konzerns, der - trotz Abgasaffäre - nach dem Ausstieg von Volkwagen aus der WRC und von Audi aus der WEC wieder Motorsport-Kapazitäten frei hätte.

Die Kritik an den aktuellen Power Units ist noch immer groß. Zu teuer, zu kompliziert, zu leise - die Kritik ist seit mehr als drei Jahren die gleiche. FIA-Präsident Jean Todt versucht gegenüber Motorsport-Magazin.com immerhin einen Faktor zu entkräften: "Sie machen eine falsche Annahme: Die Preise für ein Kundenteam sind ziemlich hoch, aber die Budgets der Teams betragen 150 bis 200 Millionen Dollar. Die Teams, die für Motoren bezahlen müssen, zahlen weniger als 20 Millionen Dollar, sie zahlen rund zwölf Prozent ihres Budgets dafür."

Power Units kein Kostenproblem

"Das ist noch immer zu teuer", gesteht Todt, "12 bis 15 Millionen wäre ein guter Preis für ein Privat-Team. Aber in diese Richtung gehen wir. Jedes Jahr bis Ende 2020 wird es eine Reduktion des Motorenpreises geben." Dr. Helmut Marko ist mit dem Ziel von Todt nicht ganz zufrieden. "Er muss unter zehn Millionen kosten", fordert Red Bulls Motorsportberater gegenüber Motorsport-Magazin.com.

Wichtiger als der Preis aber ist die Technik. Und hier geht es ans Eingemachte: Die Hersteller wollen nicht von der komplexen Hybrid-Technik abweichen, auch wenn sich Mercedes Motorsportchef Toto Wolff noch bedeckt hält: "Wir haben eine Meinung, aber die möchte ich noch nicht offenlegen."

Es wird einen Kampf zwischen zwei Fronten geben: Hersteller, die Hybrid technisch und marketing-wirksam in Szene setzen wollen gegen den kommerziellen Rechteinhaber mit Privatteams im Rücken, die einfachere, preiswertere und lautere Motoren wollen.

Marko spricht stellvertretend für die zweite Gruppe: "Wir wollen einen simplen, starken und kostengünstigen Motor. Keine zwei Elektromotoren, maximal ein Einheits-KERS. Ob sechs, acht oder zwölf Zylinder ist egal - je mehr, desto besser. Aber da muss man gewisse Kompromisse eingehen. Er muss laut sein und viel PS haben - und keine zehn Ingenieure im Hintergrund benötigen, damit er läuft." Ähnlich sieht es auch Ross Brawn: "Die aktuellen Motoren sind ein fantastisches Stück Ingenieurskunst, aber sie sind sehr kompliziert und teuer."

Motorsport muss sich mit Gesellschaft entwickeln

Neben den Herstellern, dem kommerziellen Rechteinhaber und den Privatteams hat auch die FIA einen Standpunkt. Todt stellt klar: "Der Motorsport kann sich der Entwicklung des normalen Straßenverkehrs nicht verschließen. Man muss sehen, wie man das im Motorsport implementieren kann."

Elektrische Mobilität sieht Todt nur in den Städen - wie die Formel E, Foto: Formula E
Elektrische Mobilität sieht Todt nur in den Städen - wie die Formel E, Foto: Formula E

"Ich sehe eine sehr gute Zukunft für elektrische Autos - aber nur in Städten! Viele Autos sind noch immer Diesel, Hybrid, Turbo-Benziner oder Hybrid. Ich sehe auch eine große Zukunft für die Brennstoffzelle. Wir sollten sie in einige Motorsportkategorien einführen, aber in der Formel 1 wird immer mit konventionelleren Motoren gefahren", verspricht Todt. Aufatmen für Puristen? Nicht ganz: "Das heißt nicht, dass wir zu dem zurückgehen, was vor zehn Jahren war - das wird nie passieren."

Die entscheidende Frage lautet nur: Will die FIA mit Todt nur nicht zurück zu hochdrehenden V10-Motoren, die bei weniger Leistung bis zu dem Zweifachen der aktuellen Power Units verbraucht haben? Oder will die FIA keinerlei Kompromisse beim Verbrauch eingehen und muss die nächste Generation mindestens so effizient sein wie die aktuellen Power Units?

Wird die MGU-H Opfer des Spektakels?

Der Wunschvorschlag vieler ist ein Bi-Turbo-Motor mit MGU-K aber ohne MGU-H. Mit leichtem Hubraum-Zuwachs ließen sich so extreme Leistungswerte realisieren. Allerdings verliert der Verbrennungsmotor ohne den elektrifizierten Turbolader MGU-H extrem an thermischer Effizienz. Man würde das Herzstück der aktuellen Effizienz-Monster herausreißen.

Die MGU-H könnte wegfallen, Foto: Honda
Die MGU-H könnte wegfallen, Foto: Honda

Viele wollen Spektakel durch Effizienz kaufen. Die Bi-Turbos wären kein Rückschritt a la V10, sondern eine Zwischenlösung. Aber wäre die FIA offen dafür? Todt gibt keine endgültige Antwort auf diese Frage. Die FIA hat aber ein Problem damit. "Der Motorsport hat eine soziale Verantwortung - und die Formel 1 als Königsklasse hat eine noch größere Verantwortung", stellt Todt klar.

Jean Todt ist nicht Formel-1-Präsident, er ist Präsident des Automobilweltverbandes. Er sieht seinen Job ganzheitlich, ist auch Sonderbeauftragter der Vereinten Nationen. Er führt seit Jahren einen entschiedenen Kampf für weniger Verkehrstote. Die Formel 1 ist nur ein Teil seiner Aufgabe und die Formel 1 passt nicht immer in sein Gesamtbild. Ganzheitlich betrachtet ist die Formel 1 eine kleine Blase. Innerhalb dieser Blase gilt es, den Sport weiterzuentwickeln. Ganzheitlich geht es darum, die Welt ein Stück besser zu machen. Todt muss an zwei Fronten kämpfen.

Deshalb wird das Motoren-Treffen am Freitag in Paris auch höchst interessant. Nicht nur was die Motoren selbst angeht. Es geht auch um die Zusammenarbeit mit Herstellern, Teams und dem neuen kommerziellen Rechteinhaber. Die Achse Todt-Brawn könnte besser funktionieren, aber der FIA-Präsident stellt auch klar: "Die Regeln werden letztendlich von der FIA geschrieben. Wenn es Input gibt, nehmen wir diesen an, solange er konstruktiv ist."