Lewis Hamilton hat die erste Niederlage der neuen Saison kassiert. Beim Großen Preis von Australien musste sich der Titelanwärter seinem Kontrahenten Sebastian Vettel geschlagen geben. Entscheidend war letztendlich die Boxenstopp-Strategie - und gleich kam die Frage auf: Hat es Mercedes mit dem frühen Boxenstopp von Hamilton verzockt und den Sieg weggeworfen? "Wenn man zurückschaut, hätten wir es besser machen können", beschrieb es Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. "Aber hätte es gereicht, um zu gewinnen? Ich weiß es nicht."

Klar ist zumindest, dass für die Silberpfeile in Sachen Strategie nicht alles optimal lief. Hamilton war mit dem Rennausgang alles andere als glücklich. Der Brite war sicher, dass er in der Lage gewesen wäre, seine Pole Position in den Sieg um umzumünzen. "Ich hätte heute gewinnen können", sagte er. "Aber es gab ein paar Dinge, die wir besser hätten machen können. Ich habe alles gegeben, aber du kannst nicht immer gewinnen."

Boxenstopp früher als geplant

Gleich mehrere Faktoren kamen zusammen, die Mercedes den durchaus möglichen Sieg kosteten. Zum einen Hamiltons Probleme mit den Reifen während seines Start-Stints. Während Verfolger Vettel den Silberpfeil unter Druck setzen konnte, hatte dieser mit seinen Supersoft-Mischungen zu kämpfen. Mehrmals beschwerte er sich über mangelnden Grip, schließlich beorderte ihn das Team in Runde 17 an die Box.

"Wir haben voll gepusht, sind aber einfach nicht weggekommen", sagte Wolff mit Blick auf den überraschend schnellen Ferrari. "Es gab das Risiko eines Undercut und unsere Reifen haben einfach nichts mehr hergegeben. Das hat uns zu der Entscheidung gebracht, den Undercut zu vermeiden." In Absprache mit Hamilton wechselte dieser früher als geplant auf die Soft-Reifen, um damit das Rennen zu beenden.

Am Start sicherte Lewis Hamilton die Pole Position, Foto: Sutton
Am Start sicherte Lewis Hamilton die Pole Position, Foto: Sutton

Mercedes-Plan ging nicht auf

Dabei hatte der Plan vor dem Rennen anders ausgesehen. Hamilton: "Wir brauchten erst mal die Pace, um einen Vorsprung auf Sebastian herauszufahren. So wie wir das Rennen gestalten wollten und wie ich es umsetzen sollte, war es aber nicht unbedingt das Optimum." Die Reifennutzung auf den Ultrasofts kam den Mercedes-Strategen in die Quere, sie hatten einen längeren ersten Stint eingerechnet. "Wir müssen verstehen, warum wir zu Rennbeginn nicht die Pace hatten bei diesen Bedingungen", räumte Wolff ein.

Gemeint waren damit vor allem die Temperaturen. Bei den Trainings am Freitag betrug die Streckentemperatur rund 30 Grad - am Sonntag waren es zu Beginn des Rennens immerhin 36 Grad, später wurde es kühler. Wolff: "Ich glaube, dass diese Reifen ein sehr enges Fenster haben. Unterhalb oder oberhalb dieses Fensters verlierst du an Performance. Das ist anders als letztes Jahr. Bei den Bedingungen heute haben wir unterperformt. Es war viel heißer und wir waren nicht mehr so gut wie am Freitag."

Mit den Ultrasoft-Reifen hatte Hamilton seine Probleme, Foto: Sutton
Mit den Ultrasoft-Reifen hatte Hamilton seine Probleme, Foto: Sutton

Endgegner Max Verstappen

Die Reifen waren das eine Problem - das andere hieß Max Verstappen. Ausgerechnet einer der am schwierigsten zu überholenden Piloten schaffte es, sich nach Hamiltons Boxenstopp zwischen ihn und Vettel zu quetschen. Nicht umsonst hämmerte Wolff wutentbrannt mit der Faust auf den Tisch. Während der Ferrari sich vorne Luft zum Atmen verschaffen konnte, klebte Hamilton förmlich hinter Verstappen fest. Diese Situation besiegelte letztendlich jegliche Siegeschanden.

"Dadurch, dass wir hinter Max rausgekommen sind - der sein eigenes Rennen fuhr - haben wir das Rennen verloren", bestätigte Wolff. Mercedes wies Hamilton per Funk an, so schnell wie möglich zu überholen - doch es klappte nicht. Das lag allerdings nicht am schnellen Red Bull. "Wenn ich vor ihm gewesen wäre, hätte es anders ausgesehen", glaubte Hamilton. "Er hatte auf jeden Fall nicht die Pace auf den Ultrasoft-Reifen."

An Max Verstappen gab es kein Vorbeikommen, Foto: Sutton
An Max Verstappen gab es kein Vorbeikommen, Foto: Sutton

Überholen noch schwieriger

Das Überholen mit den neuen Aero-lastigen Autos könnte zum Kunststück werden, eine Strecke wie Melbourne tat dazu ihr Übriges. "Letztes Jahr brauchte man ungefähr eine Sekunde Vorsprung auf den Vordermann", rechnete Hamilton vor. "Jetzt ist es mehr, dieses Jahr brauchst du zwei Sekunden. So geht das die ganze Saison weiter..."

Hamilton kam erst an Verstappen vorbei, als dieser in der 25. Runde selbst zum Reifenwechsel in die Box abbog. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Vettel bereits einen deutlichen Vorsprung erarbeitet. Hätte ihn Hamilton in den verbleibenden 32 Runden nicht mehr schnappen können? Er sagte: "Ich hatte mehr Pace im zweiten Stint. Aber ich musste so früh an die Box, dass ich nicht wusste, wie lange die Reifen halten würden. Ich wollte nicht pushen, um die Lücke zu schließen, weil ich eh wusste, dass ich nicht überholen kann."

Hamilton sparte sich zum Rennende einen echten Angriff auf Vettel, Foto: Sutton
Hamilton sparte sich zum Rennende einen echten Angriff auf Vettel, Foto: Sutton

Platz zwei in Gefahr

Hätte Hamilton die Reifen zu stark beansprucht, wäre sogar der zweite Platz dank des heranstürmenden Teamkollegen Valtteri Bottas in Gefahr gewesen. Der Finne war im zweiten Stint auf acht Runden frischeren Reifen unterwegs gewesen und holte gegen Ende mächtig zu Hamilton auf, der aber ohnehin nicht mehr Vollgas gab. So fehlten ihm beim Zieleinlauf zehn Sekunden auf Rennsieger Vettel, der an der Spitze ebenfalls Gas rausnahm.

Wolff wollte nicht von einem Strategie-Fehler sprechen, sondern wies den verlorenen Sieg der starken Pace von Sebastian Vettel zu. Selbst wenn Hamilton seinen Boxenstopp einige Runden später absolviert hätte, wäre er laut Wolff Gefahr gelaufen, von Vettel undercuttet zu werden: "Als allgemeine Zusammenfassung würde ich sagen, dass wir heute nicht schnell genug waren. Deshalb ist Sebastian der verdiente Sieger. Er hätte jederzeit einen Undercut ausführen können, dann wäre es genauso ausgegangen."