Kimi Räikkönen und Sebastian Vettel haben bei den Wintertestfahrten in Barcelona mit dem SF70H ordentlich geklotzt, Mercedes scheint erneut schnell und vor allem zuverlässig. Doch wo steht Red Bull? Hat das Team um Christian Horner in Barcelona die Hosen noch nicht heruntergelassen oder ist bereits das vorläufige Ende der Fahnenstange erreicht? Motorsport-Magazin.com wirft einen Blick auf das ehemalige Weltmeister-Team.

Testfahrten als Indikator für die Leistungsfähigkeit der neuen Boliden hinzuziehen, ist immer mit Vorsicht zu genießen. Tendenzen lassen sich dennoch erkennen. Red Bull rangierte an den acht Testtagen im Schnitt auf dem dritten Platz. Eklatanter jedoch der Rückstand auf die absolute Spitzenzeit. Während Räikkönen beim Testabschluss mit einer Zeit von 1:18.634 Minuten das Blut der Ferraristi in Wallung brachte, war Max Verstappens 1:19.438 das höchste der Gefühle. Beide drehten ihre schnellste Runde auf dem Supersoft-Reifen von Pirelli.

Zeitrückstand besorgniserregend?

Wirft man einen Blick auf die Tabelle der schnellsten Runden der Testfahrten, ergibt sich ein klareres Bild. Verstappens Top-Zeit reicht hier nur für P6, Teamkollege Daniel Ricciardo liegt gar nur auf dem neunten Rang. Selbst reifenbereinigt liegt der Niederländer nur auf dem vierten Rang. Ricciardo, der seinen schnellsten Umlauf auf den Ultrasofts fuhr, wirft es gar auf den zehnten Rang zurück.

Reifen-bereinigt schnellste Runden

Pos Fahrer Team Reifen Zeit Handicap Korr. Zeit Gap
1 Räikkönen Ferrari SS 1:18,634 + 0,3 1:18,934
2 Bottas Mercedes SS 1:19,310 + 0,3 1:19,610+ 0,676
3 Vettel Ferrari US 1:19,024 + 0,6 1:19,624 + 0,690
4 Verstappen Red Bull SS 1:19,438 + 0,3 1:19,738+ 0,804
5 Hamilton Mercedes US 1:19,352 + 0,6 1:19,952+ 1,018
6 Massa Williams US 1:19,420 + 0,6 1:20,020+ 1,086
7 Stroll Williams S 1:20,335 1:20,335+ 1,401
8 Sainz Toro Rosso US 1:19,837 + 0,6 1:20,437+ 1,503
9 Hülkenberg Renault US 1:19,885 + 0,6 1:20,485+ 1,551
10 Ricciardo Red Bull US 1:19,900 + 0,6 1:20,500+ 1,566
11 Kvyat Toro Rosso SS 1:20,416 + 0,3 1:20,716+ 1,782
12 Perez Force India US 1:20,116 + 0,6 1:20,716+ 1,782
13 Ocon Force India US 1:20,161 + 0,6 1:20,761+ 1,827
14 Palmer Renault US 1:20,205 + 0,6 1:20,805+ 1,871
15 Magnussen Haas US 1:20,504 + 0,6 1:21,104+ 2,170
16 Grosjean Haas US 1:21,110 + 0,6 1:21,710+ 2,776
17 Vandoorne McLaren US 1:21,348 + 0,6 1:21,948+ 3,014
18 Alonso McLaren US 1:21,389 + 0,6 1:21,989+ 3,055
19 Ericsson Sauber SS 1:21,824 + 0,3 1:22,124+ 3,190
20 Wehrlein Sauber US 1:22,347 + 0,6 1:22,947+ 4,013

Auf die schnelle Runde wirkt Red Bull doch weiter weg als es den Österreichern lieb ist. Wo die direkte Konkurrenz - sprich: Mercedes und Ferrari - über mehrere Tage regelmäßig ihre Performance abrufen konnte und im Zeitentableau weit oder sogar ganz oben anzutreffen war, schwanken die Bullen noch. Unterschiedliche Tankfüllungen oder gänzlich unterschiedliche Programme mögen da eine Antwort darauf sein.

Doch die Konkurrenz war auch nicht ständig auf Qualifying-Simulationen unterwegs. Ein Blick auf die Rennsimulationen offenbart nämlich ebenso Defizite. Im Schnitt lag Verstappen 0,8 Sekunden hinter Vettel, der im Renntrimm die konsequent stärkste Leistung zeigte. Auch auf Räikkönen und Hamilton fehlten dem Niederländer 0,5 Sekunden. Natürlich ist diese Einordnung mit höchster Vorsicht zu genießen. Zumal im Fahrerlager gemunkelt wird, dass Red Bull unterschiedliche Aufhängungen testete, um im Fall eines möglichen Verbotes beim Australien GP abgesichert zu sein.

Fazit der Formel 1-Tests in Barcelona (05:53 Min.)

Ricciardo: (Noch) Keine Wunderdinge

Zu Beginn der zweiten Testwoche sprach Ricciardo nach seiner persönlichen Bestzeit von 1:19.900 Minuten (Supersoft) offen über seine Erwartungen. "Im Moment gibt es kein großes Geheimnis. Es ist nicht so, dass wir noch zwei Sekunden in der Hinterhand haben", so der Australier. Zwei Tage später, am vorletzten Tag der Wintertests, zeigte sich Ricciardo schon etwas resigniert. "Wir haben definitiv noch nicht die Pace von Ferrari gezeigt. Wenn ich es an heute festmachen würde, würde ich sagen, dass Ferrari im Moment der größte Konkurrent ist", so Ricciardo.

Mercedes-Aufsichtsratsvorsitzende Niki Lauda will jedoch an einen Leistungsabfall der Konkurrenz aus Österreich nicht ganz glauben. "Es wurde ein komplett neues Auto gebaut und dann wird es für zwei Mal vier Tage auf eine Rennstrecke gestellt, wo dann alles darüber herausgefunden werden muss. Das ist sehr wenig Zeit, um ein Auto richtig kennenzulernen", relativierte Lauda gegenüber RTL die Startschwierigkeiten von Red Bull.

Zuverlässigkeits-Defizit nach Barcelona

Die mangelnde Zuverlässigkeit des neuen Red Bulls sollte dem Team eher Kopfzerbrechen bereiten. Der Renault-Antrieb wurde über den Winter komplett umgebaut, um überhaupt eine Chance zu haben, an Ferrari und Mercedes heranzukommen. Das bedeutet, dass die Franzosen in Sachen Erfahrung weit nach hinten geworfen wurden. Während der Testfahrten fuhren die Renault-Teams allesamt im Sicherheitsmodus und dennoch zickte die MGU-K. Im Gegensatz zu Toro Rosso und dem Werksteam der Franzosen fuhr Red Bull die meisten Kilometer, aber dennoch deutlich weniger als Ferrari und erst recht als Mercedes.

Renault hat einiges aufzuholen, Foto: Sutton
Renault hat einiges aufzuholen, Foto: Sutton

Die Motoren-Problematik ist auch Ricciardo durchaus bewusst. "Naja, das hast du natürlich immer im Hinterkopf. Auf der anderen Seite kann ich daran nichts ändern. Ich denke, es wird schon in Ordnung sein", so der Australier bei den Testfahrten. Für den Saisonauftakt im heimischen Melbourne ist Ricciardo aber dennoch vorsichtig optimistisch: "In Melbourne werden wir auf beiden Seiten ein paar Updates haben. Sowohl das Auto als auch die Power Unit werden ein paar neue Teile haben. Im Moment ist es zwar noch ein bisschen auf gut Glück, aber am Renntag werden wir in einer besseren Position sein."

Teamchef Christian Horner gibt sich da schon wesentlich gelassener. "Für die Winter-Testfahrten gibt es keine Punkte. Es ist nicht ungewöhnlich für uns, dass wir nicht die meisten Runden fahren", so der Brite. "Mercedes ist letztes Jahr hier fehlerfrei gefahren, hat viele Kilometer gesammelt und hat dann während der Saison Probleme bekommen. Ich verstehe lieber jetzt unsere Fehler, damit man sie bis Melbourne beheben kann."