Ferrari sorgt dieser Tage mehr auf als neben der Strecke für Schlagzeilen. Eine Seltenheit in letzter Zeit. Doch dafür gibt es zwei Gründe: Erstens zeigt sich Ferrari beim Wintertest in Barcelona stark, fährt nicht nur zuverlässig viele Runden, sondern auch schnell. Zweitens, weil die Ferrari-Angestellten kaum mit den Medien reden. Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen sprechen je Testwoche einmal kurz, das Teammanagement überhaupt nicht.

Vettel stand in der Mittagspause seines letzten Testtags zum zweiten und letzten Mal vor dem Saisonstart in Australien Rede und Antwort. Am Vormittag setzte er mit 1:19,024 Minuten die bisherige Bestzeit der beiden Tests. Vettel ließ wenig Zweifel daran, dass es sich hierbei schon um eine Qualifying-Simulation handelte: "Man konnte ja sehen, was wir gemacht haben. Wir waren schneller als letzte Woche und auch als den Rest dieser Woche. Also ist es ziemlich klar."

Schwachpunkt dritter Sektor

Zweimal ging er auf Ultrasoft auf Zeitenjagd, zweimal verlor er im letzten Sektor deutlich - sonst wäre die 1:18er Marke gefallen. Auf den Soft-Reifen war Vettel zuvor nur unwesentlich langsamer. Lässt der Ultrasoft etwa gegen Ende der Runde schon nach? Ganz raus mit der Sprache, was im letzten Sektor los war, wollte Vettel nicht. Zu Motorsport-Magazin.com sagte er: "Ich habe noch nicht so viel Erfahrung mit den Ultrasofts, ich hatte nur zwei oder drei Schüsse. Es ist aber typisch Barcelona: Im letzten Sektor will man immer mehr Grip haben."

Zum ersten Mal ging es bei Ferrari in Richtung Qualifying-Simulation, Foto: Sutton
Zum ersten Mal ging es bei Ferrari in Richtung Qualifying-Simulation, Foto: Sutton

"Die ersten paar Kurven fühlen sich mit dem frischen Set immer großartig an, die letzten Kurven rutscht man immer - das liegt in der Natur der Strecke", so Vettel. "Aber wenn man es mit den letzten Jahren vergleicht, ist es eine andere Dimension. Es macht mehr Sinn, für uns im Auto ist es schön, wir können mehr spielen, mehr pushen. Es ist jetzt wieder mehr Fahren, würde ich sagen." Pirelli arbeitet bei den neuen Reifengeneration vor allem an der Langlebigkeit. Der Reifenabbau ist 2017 deutlich geringer.

Abflüge kosten Zeit

Doch der letzte Sektor war nicht Vettels einziges Problem an seinem vierten und damit letzten Testtag. Das Ferrari-Programm ist etwas durcheinander: "Durch den Abflug von Kimi gestern haben wir Runden verloren, das ist nicht optimal. Ich war heute auch kurz im Kies. Aber wo gehobelt wird fallen Späne." Während Kimi Räikkönen am Mittwochnachmittag sogar in den Reifenstapel einschlug, für Rot sorgte und damit den Testtag der Scuderia vorzeitig beendete, blieb Vettels Ausritt bis zu seiner Medienrunde unbemerkt. Bei Testfahrten gibt es nur die Streckenkameras, im Media Center wird lediglich ein einzelner Abschnitt übertragen.

"Wir haben deshalb noch viel auf unserer To-do-Liste stehen, wir sind im Plan etwas hinten. Das wird noch arbeitsreich." Im Vergleich zur Vorsaison läuft es aber deutlich besser, wie auch Vettel findet: "Wir sind besser vorbereitet als letztes Jahr, haben mehr Runden abgespult."

Sieht Ferrari in einer besseren Position: Sebastian Vettel, Foto: Sutton
Sieht Ferrari in einer besseren Position: Sebastian Vettel, Foto: Sutton

2016 als Wendepunkt

Auch wenn 2016 ohne Sieg für Ferrari ein Jahr zum Vergessen war, sieht es der viermalige Weltmeister als entscheidenden Wendepunkt an. Technikdirektor James Allison musste gehen, dafür übernahm Mattia Binotto die Verantwortung für das Fahrzeugkonzept. Binotto stieg vom Motoren-Chef zum Gesamt-Technik-Chef auf. "Was im Hintergrund passiert ist, war wirklich wichtig, um einen Schritt nach vorne zu machen. Die Erfahrungen aus dem letzten Jahr haben uns dabei geholfen, als Team zu wachsen. Hoffentlich können wir das in dieses Jahr mitnehmen. Die Bestätigung dafür wird es aber erst in Melbourne oder in den Rennen danach geben."

Obwohl Ferrari bei den Tests aus neutraler Sicht einen bärenstarken Eindruck macht und Lewis Hamilton den Italienern schon die Favoritenrolle zusprach, spielt Vettel den Ball zurück: "Wenn man sich die Rundenzahl von Mercedes ansieht, wenn man historisch sieht, wie langsam sie bei Tests gefahren sind und was sie dann in den Rennen noch drauflegen konnten, dann ist klar, dass sie sehr schnell sind. Und wenn man sich die Longruns ansieht, sind sie diejenigen, die es zu schlagen gilt. Wenn wir in Melbourne um das Podium kämpfen, wäre das großartig. Es ist kein Geheimnis, dass man Favorit ist, wenn man drei Titel in Folge einfährt. Ob Regeländerung oder nicht: sie gilt es zu schlagen."