Alles ist angerichtet. Ein intensiver und hochspannender Italien GP in Monza steht der Formel 1 bevor. Wie bitte? Hat Mercedes die versammelte Konkurrenz am bisherigen Wochenende nicht in Grund und Boden gefahren? Sowohl mit Mega-Vorsprung im Qualifying als auch überragender Longrun-Pace? Ja, das haben die Silberpfeile. Muss es deshalb langweilig werden? Nein, gleich mehrere Faktoren können noch für überraschende Monza-Würze sorgen.

Zunächst jedoch zur reinen Performance: Hier macht Mercedes an diesem Wochenende in Monza zweifelsohne niemand etwas vor. Weder Ferrari mit verbesserter Power Unit noch das zuletzt so starke Red Bull können auch nur ansatzweise mit Mercedes Schritt halten. Im Qualifying trennten stolze acht Zehntel Polesitter Hamilton von der nicht-silbernen Zweit-Welt, auch auf den Longruns am Freitag zeichnete sich eine ähnliche Hausnummer ab - egal, ob Soft oder Supersoft.

"Am Freitag war das Auto schon gut. Wir konnten die Reifen richtig zum Arbeiten bekommen. Wenn du das Fenster triffst, bist du sehr schnell - und wir haben es gefunden", erklärt Toto Wolff den großen Vorsprung. "In Hockenheim und Spa ist uns das nicht ganz gelungen. Wenn man Red Bull sieht: Denen ist es heute wahrscheinlich nicht gelungen. Ich bin vorsichtig mit Vorhersagen, warum die Lücke acht Zehntel beträgt. Aber ich denke, es liegt an der Interaktion mit den Reifen", berichtet der Mercedes-Motorsportchef.

Reifen-Glück als letzte Chance der Mercedes-Jäger

Auch Nico Rosberg wunderte sich über die gerade im Vorjahresvergleich drastisch größere Lücke - trotz Motor-Upgrade bei Ferrari. Genau das untermauert Wolffs Reifen-These aber nur noch mehr. Das wiederum bedeutet jedoch: Die Konkurrenz von Ferrari und Red Bull hat ihrerseits offenbar noch jede Menge Verbesserungspotential, versteht sie nur die Reifen besser und trifft im Rennen das Arbeitsfenster ähnlich ideal wie Mercedes. Red Bull allerdings muss sich erst einmal mit Williams herumschlagen: Valtteri Bottas qualifizierte sich vor den Bullen. Wenn es einen Mercedes-Jäger gibt, dann also allenfalls Ferrari.

Sebastian Vettel gibt sich jedenfalls optimistisch, am Sonntag besser mit Mercedes mithalten zu können. "Morgen sollten wir näher dran und im Renntrimm ganz gut unterwegs sein. Natürlich sind wir nicht die Favoriten. Es wird hart, Schritt zu halten. Aber wir werden alles geben", sagt der Ferrari-Pilot

Das Thema Reifen spielt dabei auch für Vettel eine tragende Rolle. Der Deutsche sieht hier zusätzlich zum möglichen Potential durch das richtige Arbeitsfenster noch zwei weitere Chancen: Start und Strategie. So startet Mercedes anders als alle anderen auf dem etwas härteren Soft. "Das sollte ein Vorteil sein. Vielleicht geht da schon was am Start. Es wäre toll, sie in der ersten Ecke zu ärgern", hofft Vettel.

Neuer Silberpfeil-Ärger als größte Hoffnung der Konkurrenz in Monza, Foto: Sutton
Neuer Silberpfeil-Ärger als größte Hoffnung der Konkurrenz in Monza, Foto: Sutton

Mercedes-Duell in Monza birgt Sprengstoff

"Der Start wird wichtig", bestätigt Rosberg, denkt dabei aber eher an das Duell gegen Stallrivale und WM-Kontrahent Lewis Hamilton. Das für sich genommen birgt in Monza schon wieder genug Sprengstoff. Ist die Konkurrenz allein nicht stark genug, könnten sichs die Silberpfeile ja nochmal richtig unter sich geben. Ablehnen würde dieses Geschenk im Ferrari-Land sichlich niemand ...

Hart auf hart kommen wird es dabei jedoch voraussichtlich allenfalls am Start. "Danach wird es schwierig. Mit der Strategie kann man nicht viel machen", sagt Rosberg. Die Statistik gibt ihm recht. Der letzte Sieg in Monza von einem anderen Startplatz als der Pole liegt bereits sieben Jahre zurück. "Es ist eine Strecke, auf der du überholen kannst, aber du brauchst dafür fast eine Sekunde Zeitvorteil gegenüber dem Auto vor dir, um das Manöver wirklich setzen zu können. Wegen der langen Geraden halten die Luftverwirbelungen lange an und je näher du kommst, desto weniger Abtrieb hast du. Und wir haben hier sowieso schon extrem wenig ...", schildert Lewis Hamilton die Monza-Problematik.

Noch dazu kommt bei Mercedes traditionell der Führende in den Genuss des früheren Boxenstopps. Entsprechend hart sollte in Schikane eins und zwei bei Mercedes gefightet werden. Das hofft auch Vettel: "Morgen sind sie hoffentlich eng beieinander und sich nicht immer einig. Wir haben eine Chance wenn die Ampel ausgeht."

Kimi Räikkönen betreibt große Geheimnistuerei um die Rennstrategie, Foto: Sutton
Kimi Räikkönen betreibt große Geheimnistuerei um die Rennstrategie, Foto: Sutton

Trickst Reifenflüsterer Räikkönen Mercedes aus?

Während die Strategie Mercedes-intern weniger Chancen eröffnet, rechnet sich Ferrari - neben dem Start - gerade hier einiges aus. "Wir haben morgen noch ein paar Meetings, um den Plan - oder die Pläne - für die ersten Runden und das Rennen auszuarbeiten", gibt sich Kimi Räikkönen noch geheimnisvoll. Dann "Ich bin gestern 22 Runden auf dem Supersoft gefahren, also ... " Das klingt dann doch stark nach Einstopp-Strategie, ist es immerhin mehr als die offizielle Empfehlung für diese Mischung seitens Pirelli:

  • Supersoft: 20 Runden
  • Soft: 34 Runden
  • Medium: 39 Runden

Der Reifenhersteller vermutet ebenfalls eine Dominanz von Einstoppern, jedoch auch einige "extrem interessante" Strategie-Optionen...

Die Einstopp-Variante hält man jedoch auch im Silberpfeil-Lager für die quer durchs Felds wahrscheinlichste. Zumindest sollte jeder es zumindest versuchen: Wegen der ultraschnellen Start-Ziel-Geraden ist der Zeitverlust eines zusätzlichen Services in Monza schlicht unwahrscheinlich groß. "Trotzdem haben wir verschiedene Optionen bei den Reifen morgen", sagt auch Räikkönen zu Motorsport-Magazin.com. In die Karten schauen lassen will sich der Finne dann doch nicht.

Vettel indessen ist sicher, mit dem Start auf Supersoft die bessere Strategie in Händen zu halten als Mercedes. "Aber natürlich gehen beide davon aus, das Beste gemacht zu haben. Und da sind wir offenbar unterschiedlicher Meinung. Morgen wir sich zeigen, was besser war", sagt Vettel. Allerdings sei Mercedes sicherlich auch als einziges Team überhaupt in der Lage gewesen, mit dem Soft in Q3 einzuziehen, gesteht Vettel.

Wie schlimm ist Hamiltons Bremsplatten wirklich?

Lewis Hamilton handelte sich dabei jedoch einen leichten Bremsplatten ein - zumindest fürchtete er sich noch am Boxenfunk davor - und muss nun auf diesem Satz Reifen starten. Der vielleicht entscheidende Nachteil? Der Weltmeister wiegelt ab: "Ich habe die Reifen nicht beschädigt, nur in Turn eins etwas blockiert. Ich hatte die Pace. Der Bremsplatten ist nicht sehr schlimm, nur minimal, ich kann ihn kaum spüren."