Es war eine Bestzeit mit Ansage. Daniel Ricciardo war am Donnerstag beim Trainingsauftakt der Formel 1 in Monaco der schnellste Mann - und das mit Abstand. Im zweiten Freien Training knallte der Red-Bull-Pilot eine Zeit von 1:14.607 Minuten in den Asphalt und ließ seinen ersten Verfolger Lewis Hamilton damit stolze sechs Zehntelsekunden hinter sich.
Warum eine Bestzeit mit Ansage? Red Bull kommt der winkelige Stadtkurs an der Cote d'Azur von Haus aus entgegen, in den vielen Kurven können die Vorzüge des starken Chassis' voll ausgespielt werden. Darüber hinaus kommt erstmals die neue Ausbaustufe des Renault-Motors zum Einsatz, sodass deutlich mehr Power als bei den bisherigen Rennen zu Verfügung steht.
"Ich denke, wir sind jetzt in einem sehr guten Fenster", meinte Ricciardo zufrieden nach dem Training. "Es hängt davon ab, wie die Strecke am Samstag ist, aber wenn sie sich nicht zu sehr verändert, glaube ich nicht, dass wir allzu viel verlieren werden. Ich habe viel Vertrauen in das Auto."
Ricciardos Platzierung überrascht nicht, sehr wohl aber sein Vorsprung. Dieser lässt sich jedoch, zumindest teilweise, mit dem Streckenlayout von Monaco erklären - es ist unglaublich schwierig, eine freie Runde zu bekommen, gelbe Flaggen stehen an der Tagesordnung. Hätte es Mercedes mit aller Vehemenz darauf angelegt, wären die Silberpfeile wohl ein gutes Stück näher am Australier dran gewesen, doch an einem Trainingstag gibt es bekanntlich Wichtigeres.
Das ändert allerdings nichts am Eindruck, dass es Red Bull erstmals in diesem Jahr gelingen könnte, Mercedes aus eigener Kraft zu schlagen. In Barcelona profitierte man ja noch davon, dass sich Rosberg und Hamilton gegenseitig aus dem Rennen nahmen. "So lange es nicht zu sehr geradeaus geht, ist unser Chassis sicher eine Klasse für sich", bestätigte Dr. Helmut Marko. Und auf das Chassis kommt es im Fürstentum eben hauptsächlich an.
Vorentscheidung im Qualifying?
Im Mercedes-Lager nahm man die gute Red-Bull-Performance, die von Max Verstappen viertem Rang abgerundet wurde, der aber noch den alten Motor fährt, interessiert zur Kenntnis. "Red Bull sieht hier wie erwartet sehr stark aus. Wir müssen heute Abend und morgen noch einiges an Hausaufgaben erledigen, um etwas Zeit zu finden", meinte Nico Rosberg, der die letzten drei Ausgaben des Großen Preises von Monaco gewann. Der Deutsche ordnete sich in der Nachmittagssession hinter seinem Teamkollegen Lewis Hamilton auf dem dritten Platz ein.
Hamilton selbst war mit seinem Tag durchwegs zufrieden. "Wir haben alles, was nötig war, in den beiden Trainings erledigt und unsere Pace sieht gut aus. Hoffentlich geht es am restlichen Wochenende genauso weiter", sagte der Brite, der schon seit dem Herbst des vergangenen Jahres auf einen Sieg wartet.
Mit vollen Tanks fuhren Rosberg und Ricciardo - jeweils mit den neuen Ultrasoft-Reifen am Auto - in etwa auf demselben Niveau. Allerdings spielen die Longruns in Monaco lediglich eine untergeordnete Rolle und ihre Aussagekraft hält sich in Grenzen. Zum einen, weil es schwierig ist, mehrere freie Runden am Stück zu erwischen, und zum anderen, weil nirgendwo anders der Startplatz so wichtig ist wie im Fürstentum.
Ein gutes Qualifying ist in Monaco mehr als nur die halbe Miete. In der langen Geschichte des Glamour-Rennens kam es nicht nur einmal vor, dass sich ein Pilot an seinem Vordermann trotz wesentlich schnelleren Autos die Zähne ausbiss und mangels Überholmöglichkeiten einfach nicht vorbeikam. Das weiß auch Mercedes-Technikchef Paddy Lowe, der sich auf einen harten Kampf mit Red Bull am Samstag einstellt. "Schon jetzt steht fest, dass das Qualifying eine enge Angelegenheit wird."
Ferrari mit Rückstand
Enttäuschend verlief der Trainingsauftakt für Ferrari. Kimi Räikkönen und Sebastian Vettel kamen mit rund anderthalb Sekunden Rückstand nicht über die Ränge sieben und neun hinaus. Vettel touchierte zu allem Überfluss auch noch zwei Mal die Leitplanken, was den gebrauchten Tag aus der Sicht der Scuderia abrundete. "Wir haben ein paar Sachen probiert und ein paar sind in die Hose gegangen", gab der Heppenheimer zu, dass es noch viel Luft nach oben gibt.
Dass die Zeitenjagd bei Ferrari allerdings nicht ganz oben auf der Prioritätenliste stand, zeigt ein Blick auf die eingesetzten Reifen. Während sich Red Bull und Mercedes bei den Longruns auf die neuen Ultrasofts konzentrierten, fuhr die Scuderia viel mit den Supersofts und Softs. Eine andere Herangehensweise, um für alle Eventualitäten im Rennen gerüstet zu sein.
Entscheidend für ein erfolgreiches Rennen aus Ferrari-Sicht wird nicht zuletzt sein, das Qualifying wesentlich besser als vor zwei Wochen in Barcelona hinzubekommen. Damals kamen Vettel und Räikkönen mit den plötzlich wärmeren Temperaturen am Samstag überhaupt nicht zurecht und qualifizierten sich nur in der dritten Startreihe. Eine Wiederholung dessen wäre in Monaco fatal.
"Es ist eine ganz andere Strecke, ganz andere Bedingungen und ganz andere Reifen", beruhigt Vettel jedoch. "Ich denke, dass wir am Samstag ganz normal unterwegs sein sollten und die Probleme von Barcelona uns nicht zu sehr tangieren."
Probleme hin oder her, momentan scheint Ferrari nur noch die dritte Kraft in der Formel 1 zu sein. Das glaubt auch Dr. Helmut Marko, der nach Red Bulls bärenstarkem Donnerstag in Monaco selbstbewusst zu Protokoll gab: "Auf so einer Strecke schauen wir auf Mercedes und nicht so sehr auf Ferrari." Worte, die man in Maranello wohl gar nicht gerne hört.
diese Formel 1 Analyse