Sinkende Zuschauerzahlen, fallende TV-Quoten, anhaltende Kritik: Die Formel 1 hat es derzeit wahrlich nicht leicht. Dabei macht es sich die Königsklasse selbst unnötig schwer. Angeführt von Formel-1-Chef Bernie Ecclestone hagelt es fast täglich neue Negativschlagzeilen. Erst kürzlich hatte Ecclestone im Interview mit Motorsport-Magazin.com die Formel 1 erneut als 'scheiße' bezeichnet.

"Das Problem ist: Ich sehe die Dinge, wie sie sind und nicht so, wie ich sie will", rechtfertigt der 85-Jährige seine offene Kritik am eigenen Produkt. Ecclestone will schnell handeln, er sieht sein Produkt in Gefahr.

Doch so schlecht ist es um die Formel 1 nicht gestellt: Mercedes errechnete einen eigenen Werbegegenwert der abgelaufenen Formel-1-Saison von rund drei Milliarden Dollar. Die Investitionen in die Königsklasse machen einen Bruchteil dessen aus. "Das zeigt, was für eine globale Plattform die Königsklasse darstellt", sagte Mercedes Motorsportchef Toto Wolff der Tiroler Tageszeitung.

Während die Zuschauerzahlen in der Formel 1 sinken, sind die Zahlen in anderen Serien gegenläufig. Die Glorifizierung von anderen Motorsportveranstaltung wie Le Mans oder der MotoGP hält Toto Wolff aber für falsch. "Man muss hier Äpfel mit Äpfel und Birnen mit Birnen vergleichen. Die Formel 1 hat ein TV-Publikum, das ein Vielfaches der MotoGP darstellt. Wo die MotoGP reüssiert, das ist das Live-Event. Sie füllen die Strecken und haben gute Action", so Wolff.

Wolff: Mitbewerber und Bernie machen Technologie schlecht

Aber auch die Action in der Formel 1 sei nicht so schlecht, wie manch einer versucht glaubhaft zu machen, meint der Österreicher. "Wir haben, mit Ausnahme der Turbo-Ära in den 80er-Jahren, wo wir auf eine Qualifyingrunde über 1000 PS hatten, die leistungsstärksten Motoren der Neuzeit", erklärt er. "Aber wir verkaufen das Produkt einfach schlecht. Das liegt daran, dass einige Mitbewerber und auch Bernie vereinzelte Male, aus Eigeninteresse heraus, diese Technologie schlechtmachen. Die Zukunft ist Hybrid!"

Dass die aktuellen Autos auf manchen Strecken noch deutlich hinter den absoluten Rundenrekorden herfahren, liegt weniger am Antrieb, als vielmehr an Aerodynamik und Reifen. Durch die komplette Aerodynamik-Kastration 2009 verloren die Boliden enorm an Downforce. In den folgenden Jahren sorgten Doppeldiffusor und der angeblasene Diffusor für enormen Abtrieb, den die aktuellen Fahrzeuge nicht mehr generieren dürfen.

Die Motorleistung jedoch stimmt. Auf Strecken wie Bahrain, wo die Aerodynamik eine geringere Rolle spielt, ist die Formel 1 nah an den Rundenrekorden dran. In Brasilien, 700 Meter über dem Meeresspiegel, sind bereits Rundenrekorde gefallen, weil die Turbomotoren mit zunehmender Höhe keine Leistung verlieren. "Die Aerodynamik der Autos war um sechs bis sieben Sekunden schneller als heute", weiß Wolff. "Und trotzdem fahren wir jetzt fast dieselben Rundenzeiten."

Die neuen Autos werden auch optisch ansprechender, Foto: Mercedes/Motorsport-Magazin.com
Die neuen Autos werden auch optisch ansprechender, Foto: Mercedes/Motorsport-Magazin.com

Trotzdem ist die Kritik an den Power Units nach wie vor groß. Es gibt mehrere Kernprobleme zu lösen. Ende Januar soll spätestens eine Lösung da sein, dafür sorgen Bernie Ecclestone und Jean Todt nun persönlich. Billiger, lauter, mehr und einfacher sind die vier Stichworte.

Für 2017 plant die Formel 1 ohnehin eine radikale Überarbeitung der Aerodynamik-Regeln. Die Autos sollen auf zwei Meter Breite wachsen, die Reifen wachsen gleich mit, der Heckflügel soll breit und tief werden und der Diffusor soll deutlich größer ausfallen. "Wenn wir nun jedoch das ein oder andere Detail am Boliden ändern, werden wir 2017 die schnellsten Autos sehen, die es jemals auf diesem Planeten gab", verspricht Wolff. Durch die Änderungen verspricht man sich Zeitenverbesserungen von bis zu sechs Sekunden.

"Man hat das Produkt schlecht verkauft und dabei auch übersehen, dass wir damit den gesamten Sport schlechtreden. Klar darf die Technologie nicht überhandnehmen, es geht immer noch um den Fahrer", stellt Wolff klar. Für Ecclestone hat er bei all der Kritik noch Verständnis, für den Rest nicht: "Alles, was Bernie macht, ist ernst zu nehmen. Alle anderen, die in seinem Windschatten sitzen, sehe ich als bellende Hunde, die nicht beißen."

Einmal mehr gilt es für Mercedes und Wolff einen Kompromiss zu finden. Auf der einen Seite muss der Klassenprimus versuchen, die Vorteile so gut wie möglich abzusichern. Jede Regeländerung ist da schlecht. Auf der anderen Seite will Mercedes auch, dass die Bühne, auf der Erfolge eingefahren werden, attraktiv ist. "Wir versuchen einen Kompromiss zu erzielen, wir agieren nicht als Hardliner, die nur auf sich schauen. Die Plattform muss attraktiv sein."