Die Kritik an der modernen Formel 1 ist nach wie vor groß. Fehlender Sound auf der einen Seite, auf manchen Strecken langsame Rundenzeiten auf der anderen Seite. Dazu das übliche Problem: Überholmanöver sind Mangelware. Am Sound soll sich schon in der kommenden Saison mit zusätzlichen Endrohren etwas ändern, langfristig wird auch das Motorkonzept überdacht.
Performance-technisch ist die Power Unit aber schuldlos: Die Mega-Hybrid-Aggregate lassen schon jetzt ordentlich Dampf auf die Kette. Das Exemplar von Mercedes ist etwa so stark wie die besten V10 - nur eben mit halb so viel Benzin - und leider eben auch nur halb so viel Sound. Dass die Autos ordentlich Dampf haben, zeigen die Topspeed-Werte in Monza und Mexiko.
Das Performance-Problem ist die Aerodynamik. Nach den extremen Auswüchsen 2008 wurde die Aerodynamik enorm beschränkt. Zum einen wurden die Dimensionen der Flügel auf den Kopf gestellt: Vorne deutlich breiter, hinten schmaler, dafür höher. Zudem wurden die Autos cleaner, die zahlreichen kleinen Flaps gehören seither der Vergangenheit an.
Abtrieb kommt zurück
Über die Jahre wurden immer weitere Details beschränkt: Der angeblasene Diffusor, Drag Redcution Device und F-Schacht wurden allesamt verboten. Dazu kamen im vergangenen Jahr weitere Einschränkungen wie tiefe Nasen oder das Entfallen des Beamwings. All diese Änderungen haben sukzessive Abtrieb gekostet. Deshalb ist die Formel 1 heute langsamer, nicht wegen der Power Units.
2017 soll deshalb die Aerodynamik grundlegend überarbeitet werden. Nach Information der Kollegen von Auto Motor und Sport sollen die Eckdaten folgendermaßen aussehen: Tieferer und breiterer Heckflügel, dazu ein Diffusor, der früher und stärker ansteigen darf. Außerdem soll der Beamwing zurückkommen, die Streben zum Heckflügel könnten wieder entfallen. Außerdem sollen die Bargeboards, die Luftleitelemente vor den Seitenkästen, wieder deutlich größer werden. Hinzu kommt eine längere Nase und ein angespitzter Frontflügel.
Auch bei den Reifen wird seit längerer Zeit diskutiert. Pirelli wollte ursprünglich nicht nur in der Breite, sondern auch beim Durchmesser größere Reifen. Aller Wahrscheinlichkeit nach bleibt es bei 13-Zoll-Reifen, die allerdings deutlich breiter werden sollen. Die Hinterreifen wachsen von 325 auf 400 Millimeter breite, die Vorderreifen von 245 auf 300 Millimeter. Außerdem wird das gesamte Fahrzeug breiter: Von 1,80 Meter geht es auf stattliche 2,00 Meter.
Breite Reifen bringen mehrere Sekunden
Alleine durch die breitere Spur und die dickeren Schlappen sind Performance-Sprünge von mehreren Sekunden drinnen. Die Aerodynamik-Regeln sollen noch einmal zwei bis drei Sekunden bringen. Insgesamt lautet die Vorgabe: Fünf bis sechs Sekunden sollen die Fahrzeuge schneller werden. Wobei das natürlich von Strecke zu Strecke variieren wird. In Sao Paulo sind keine sechs Sekunden mehr drinnen.
Die breiten Reifen sorgen für mehr mechanischen Grip. Das ist gut für Überholmanöver. Gleichzeitig wird deutlich mehr Abtrieb über den Diffusor generiert, auch das ist gut. Allerdings bleibt der Frontflügel in Relation zu den Reifen ähnlich groß. Er soll von 1,65 Meter auf 1,80 Meter anwachsen. Bei ähnlich komplexen Konstruktionen wie aktuell bleibt damit ein zentrales Problem: Beim Hinterherfahren stimmt die Anströmung nicht mehr und somit bleibt es schwierig, dem Vordermann zu folgen.
Pirelli steht vor einer schwierigen Aufgabe: Die Italiener sollen ohne großartig Testfahrten komplett neue Reifen entwickeln. Auch die privaten Pirelli-Testfahrten sind nur bedingt sinnvoll, weil der Reifenhersteller kein Fahrzeug mit ähnlich viel Abtrieb hat. Eigentlich sollte es nicht schwer sein, einfach einen größeren Flügel auf den Boliden zu schrauben - schließlich muss das Testfahrzeug nicht reglementkonform sein. "Immer, wenn wir so etwas versucht haben, wurde das Auto unglaublich langsam", sagte Pirelli Motorsportdirektor Paul Hembery zu Motorsport-Magazin.com.
Wann kommen die Abtriebs-Monster?
Eigentlich sollen die neuen Regeln 2017 kommen. Der neue Motor ist möglicherweise für 2017, spätestens aber für 2018 angedacht. Beide Änderungen bis 2017 sind unwahrscheinlich - schließlich sind weder neue Motoren- noch Aerodynamik-Regelungen bislang in Stein gemeißelt. Die eine Reform nur ein Jahr nach der anderen zu bringen macht aber auch wenig Sinn.
Deshalb glauben - und manche fürchten - dass die große Regelrevolution in einem Schritt kommt und deshalb erst 2018. Bernie Ecclestone mahnte jedoch im Exklusivinterview mit Motorsport-Magazin.com: "Wir können das Problem lösen, aber wir können nicht ein paar Jahre warten."
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