Die Aufregung war groß: Pirelli passte aus Sicherheitsgründen die Vorgaben für Luftdruck und Sturz an. Nachdem es in Spa zu Reifenschäden kam, soll nichts unversucht bleiben, um das in Monza zu verhindern. Nachdem die Italiener zunächst astronomisch hohe Werte festsetzten wollten, regte sich Widerstand bei Fahrer und Teams. Pirelli ruderte zurück und passte die Werte moderat an.

Durch höhere Luftdrücke hat der Reifen eine andere Form. Die Auflagefläche auf dem Asphalt wird geringer, dadurch werden gewisse Teile der Lauffläche heißer. Der Vorteil: Die Reifenflanke muss dadurch nicht mehr so hart arbeiten, es kommt weniger zum Walken. Doch wie wirken sich diese Änderungen auf die Longruns aus? Motorsport-Magazin.com analysiert die Rundenzeiten im Detail.

Hamiltons Longrun wird von Technik-Problemen verkürzt

Mercedes ist auch bei den Longruns so weit vor der Konkurrenz, dass wir auf einen direkten Vergleich verzichten. Interessant ist bei Mercedes einmal mehr lediglich der Vergleich zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton. Obwohl es seit langer Zeit mal wieder ein zweites Freies Training ohne Unterbrechung gab, wurde Hamiltons Longrun unterbrochen. Unregelmäßigkeiten bei den Telemetriedaten veranlassten das Team dazu, Hamilton an die Box zu holen.

Knapp eine viertel Stunde musste der Brite in der Garage verbringen. Der Longrun auf den Soft-Reifen war damit dahin, für einen ausgiebigen Test der Mediums reichte es ebenfalls nicht mehr. Deshalb bleiben nicht viele Vergleichsdaten mit dem Teamkollegen. Die wenigen Zeiten zeigen jedoch, dass es auch im Renntrimm ziemlich eng wird zwischen Hamilton und Rosberg. Genaueres lässt sich leider nicht sagen.

Ferrari: Angst vor Mercedes-Qualifying-Modus

Es ist fast wie immer: Hinter Mercedes geht es eng zu. Im Gegensatz zur ersten Saisonhälfte fährt Ferrari auch nicht mehr deutlich hinter Mercedes und deutlich vor dem Rest. In Spa war Ferrari nicht zweite Kraft. Beim Heimspiel sieht es wieder ein bisschen besser aus, doch eine Kaffeefahrt auf Platz drei und vier wird es sicher nicht.

Ferrari war in Spa schwach, Foto: Sutton
Ferrari war in Spa schwach, Foto: Sutton

Monza hat zwar weniger schnelle Kurven als Spa, doch Ferrari hat auch bei der reinen Power noch einen kleinen Rückstand auf Mercedes. Wobei der Rückstand bei der Power Unit nicht so dramatisch aussieht wie beim Chassis. Allerdings werden die Mercedes-Teams im Qualifying wieder ein paar Zusatz-PS aus dem Ärmel schütteln können. Deshalb wird es am Samstag schon richtig eng für Ferrari.

Ferrari im Renntrimm top

Ferraris Trumpf sollte dann eigentlich die Longrun-Pace sein. Höherer Reifenverschließ durch die Druckänderungen sollte Ferrari dabei zusätzlich entgegenkommen, geht der Ferrari doch normalerweise besser mit den Reifen um als die Konkurrenz. Die Theorie bewahrheitete sich im Training.

Bei den meisten Teams teilten sich die Piloten die Arbeit. Ein Fahrer fuhr Medium, der andere Soft. Normalerweise teilen sich weniger die Arbeit, durch die neuen Vorgaben wollten die Teams aber mehr Daten sammeln. Räikkönen, Ricciardo, Hülkenberg, Bottas und Maldonado durften hauptsächlich Soft fahren.

Alle Piloten fuhren mit ähnlich alten Reifen ähnlich lange Longruns. Die Vergleichsbasis ist ideal. Räikkönens Longrun war der schnellste: Im Schnitt benötigte der Finne 1:28,6 Minuten für einen Umlauf. Valtteri Bottas war 0,3 Sekunden langsamer, Daniel Ricciardo und Nico Hülkenberg jeweils 0,7 Sekunden. Pastor Maldonado muss mit 1,1 Sekunden Rückstand schon gewaltig federn lassen.

Lotus mit Problemen

Auf den Medium-Reifen sah das Bild ähnlich aus. Allerdings sind die Vergleichswerte nicht ganz so gut wie bei den Softs, weil die Piloten unterschiedlich lange Stints fuhren. Auch das Reifenalter zu Beginn der Runs war unterschiedlich. Grosjean begann beispielsweise mit neun Runden alten Mediums, Kvyat mit komplett neuen. Vettel, Massa und Hülkenberg lagen in der Mitte.

Wenig überraschend ist der Ferrari auch auf den Mediums der schnellste Verfolger. 1:28,8 Minuten fuhr Vettel im Schnitt. Hülkenberg kommt diesem Schnitt mit 1:28,9 Minuten zwar sehr nahe, fuhr allerdings fünf Runden weniger. Massa fehlten bereits 0,5 Sekunden auf Vettel, Kvyat 0,8. Grosjeans Reifen bauten mit Abstand am stärksten ab. Der Franzose fuhr aber auch den längsten Stint und begann mit den ältesten Reifen. 1:30,2 Minuten sind aber auch in diesem Kontext nicht rekordverdächtig.

"Mit viel Sprit haben wir noch Arbeit vor uns", meinte der Franzose selbst, der in Spa noch auf dem Podium stand. "Es sieht härter aus als in Spa, aber ich hätte niemals erwartet, dass es in Spa so gut am Sonntag aussehen würde."

Interessant: Während Red Bull auf den Softs hinter Ferrari Dritte Kraft war, sah es auf den Medium schlechter aus. Trotz frischer Reifen konnte Kvyat die Pace der Konkurrenz nicht mitgehen. Das sah auch Daniel Ricciardo so: "Mit den Options scheinen wir besser klar zu kommen." Im Renntrimm ist mit Red Bull auf jeden Fall mehr zu rechnen als im Qualifying. Wegen der Strafen - Ricciardo wird um 25 Plätze nach hinten versetzt, Kvyat 15 - braucht Red Bull gar nicht erst nach Qualifying-Pace suchen.

Monza: Trotz Reifenvorschriften Einstopp-Rennen

Bleibt eine Frage: Bleibt der Einstopp-Klassiker Monza auch mit den neuen Vorgaben von Pirelli ein Einstopp-Rennen? Ein klares Ja. Trotz aller Bedenken konnten auf beiden Reifenmischungen relativ problemlos 30 Runden zurückgelegt werden. Bei einer Renndistanz von 53 Runden sollte also eine Einstopp-Strategie kein Problem sein. "Ja, das wird ziemlich sicher ein Einstopp-Rennen", bestätigte auch Paul Hembery.

Fazit: Einstopp, das steht fest. Mercedes überlegen vorne, das steht auch fest. Im Renntrimm ist Ferrari zweite Kraft, das steht auch fest. Doch Ferrari muss die Qualifying-Performance der Mercedes-Konkurrenz fürchten. Im Rennen kann vor allem Force India eine Gefahr sein: Mit Topspeed-Überschuss und relativ guten Longruns. Williams konnte vor allem auf Soft überzeugen, auf Medium weniger. Den Speed-Vorteil hat Williams nicht mehr. Lotus sieht auf die Distanz am schwächsten aus.