Die Formel 1 macht Sommerpause. Genau der richtige Zeitpunkt für Motorsport-Magazin.com, um Halbzeitbilanz zu ziehen. Für McLaren war es eine katastrophale erste Saisonhälfte. Kümmerliche 17 Punkte hat das Team nach zehn Rennen gesammelt. Dafür gab es bereits elf Ausfälle.

Das Auto:
McLaren hatte über den Winter mit Abstand am meisten am Fahrzeug geändert. Nach zwei schwachen Jahren wollte man mit Honda als neuem Motoren-Lieferanten wieder durchstarten. Auch beim Design gab es einige Änderungen: Die Seitenkästen wurden bauchiger, das Heck dafür deutlich schmaler, das Team verpasste dem Heckflügel eine ungewohnte Befestigung und wählte eine neue Aufhängung für die Hinterräder. "Wir haben für den MP4-30 die ganze Philosophie des Autos geändert, nicht aber die DNA", sagte Teamdirektor Eric Boullier seinerzeit bei der Präsentation.

Der MP4-30 samt Fernando Alonso, Foto: Sutton
Der MP4-30 samt Fernando Alonso, Foto: Sutton

Das Auto war genau auf die Power Unit von Honda zugeschnitten und eben diese wurde zum Problem. Der Motor erwies sich während der gesamten ersten Saisonhälfte als nicht konkurrenzfähig. Selbst zwei so erfahrene Piloten und ehemalige Weltmeister wie Fernando Alonso und Jenson Button fuhren dadurch ständig hinterher. Honda versprach Besserung, doch die braucht Zeit und war bis zur Saison-Halbzeit nicht wirklich in Sicht. Nach dem Austausch zahlreicher Komponenten an der kränkelnden Power Unit mussten die Fahrer in Österreich erhebliche Strafen in Kauf nehmen. Auch das Energierückgewinnungssystem funktionierte nicht reibungslos. Immerhin sollen vom Belgien GP an mehrere Tokens für Updates genutzt werden.

20142015
Punkte zur Pause (2014 ein Rennen mehr) 97 17
Punkte/Rennen zur Pause 8,8 1,7
WM-Position zur Pause 6 9
WM-Position am Ende 5
Siege zur Halbzeit 0/11 0/10
Podien zur Halbzeit 2/22 0/20

Die Fahrer:
Fernando Alonso fehlte beim Saisonstart in Australien aufgrund eines Unfalls bei Testfahrten. Anschließend gab es für den Weltmeister von 2005 und 2006 bis zum Großbritannien GP, dem neunten Rennen der Saison, keinen einzigen WM-Punkt, dafür aber fünf Ausfälle. Ab Silverstone zeigte die Formkurve dann leicht nach oben, denn in Ungarn gab es einen - durch das Ausscheiden und die Strafen anderer Fahrer begünstigten - fünften Platz. Alonso verlor allerdings öffentlich nie den Mut und betonte, es gehe nicht vorrangig um Punkte, sondern um die Arbeit mit dem Team.

Zwei Piloten bei stürmischem Wetter: Fernando Alonso und Jenson Button, Foto: Sutton
Zwei Piloten bei stürmischem Wetter: Fernando Alonso und Jenson Button, Foto: Sutton

Jenson Button schied in der ersten Saisonhälfte ebenso wie sein Teamkollege fünfmal vorzeitig aus und musste sich am Ende mit sechs Zählern in der Fahrerwertung zufrieden geben. Im Qualifying lief es für den Briten meist schlechter als für Alonso. Mit Platz 17 liegt er in der Weltmeisterschaft noch einmal zwei Ränge hinter dem Spanier, der seinen knappen internen Vorsprung allerdings alleine dem Chaos-Rennen in Ungarn verdankt. Im Juli machten Gerüchte über ein Ende der Formel-1-Karriere des 35-jährigen Button nach dieser Saison die Runde.

Fernando Alonso Jenson Button
Punkte 11 6
WM-Position 15 17
Quali-Duell 6 3
Durchschnittliche Startposition 13,9 (ohne Strafen)
14,0 (mit Strafen)
16,8 (ohne Strafen)
17,8 (mit Strafen)

Das Team:
Teamdirektor Eric Boullier war im Jahr 2015 bislang wahrlich nicht zu beneiden. Einerseits galt es, die Mitarbeiter - inklusive Fahrer - trotz des anhaltenden Misserfolgs bei Laune zu halten, andererseits die teils harsch Kritik übenden Medien zu besänftigen. Dann war da noch der Dauerkonflikt mit Motorlieferant Honda, der konkurrenzfähige Power Units schuldig blieb und sich trotz entsprechender Bitte von Boullier kein externes Fachpersonal holen wollte. Und schließlich plagen das Team aufgrund des Leistungstiefs auch noch finanzielle Sorgen. McLaren-Boss Ron Dennis äußerte sich im Zuge eines medialen Disputs mit Ex-F1-Teamchef Eddie Jordan allerdings prinzipiell positiv zur Arbeit der Mitarbeiter des Rennstalls.

Ausblick 2. Hälfte:
Die alles entscheidende Frage für den Herbst lautet, ob Honda seinen Worten, den Motor endlich deutlich zu verbessern, Taten folgen lassen kann. Da dies bereits in der ersten Halbserie mehrmals angekündigt worden war, ohne dass sich Entscheidendes tat, darf man skeptisch sein. Sollten nicht zumindest regelmäßige Punkteränge für Alonso und Button möglich sein, werden die beiden Ex-Weltmeister irgendwann die ohnehin schon arg strapazierte Geduld verlieren. Dann könnte McLaren die restlichen Rennen bestenfalls noch zum Testen für die neue Saison nutzen.

Meinungen zur ersten McLaren-Hälfte

Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner meint:
"Die Schwierigkeiten für Honda sind ja nicht unerwartet, aber es ist unglaublich schwierig in einer solchen Situation technisch aber auch politisch den Überblick zu behalten. Für Eric Boullier ist es eine extrem schwierige Aufgabe, von den Fahrern mal ganz zu schweigen."

Motorsport-Magazin.com meint:
Schon vor der Saison war die Stimmung rund um das McLaren-Team und seinen Partner Honda nicht gerade euphorisch. Doch der bisherige Verlauf der Rennen übertrifft wohl auch die Erwartungen der hartgesottensten Pessimisten. Ohne das Dutzend Punkte aus der Lotterie im letzten Rennen in Ungarn würde es noch viel schlimmer aussehen. Immerhin gelang es dem gesamten Team, nach außen hin ein einigermaßen geschlossenes Bild ohne ständige öffentliche Schuldzuweisungen abzugeben. Das Verhältnis mit dem Lieferanten der zu schwachen Motoren ist allerdings merklich abgekühlt - ohne Aussicht auf schnelle Besserung.