0,575 Sekunden - das hat gesessen. Lewis Hamilton demontierte beim Qualifying zum Ungarn GP die Konkurrenz, inklusive seinem Teamkollegen Nico Rosberg. "Wir müssen uns allerdings bei ihm entschuldigen, weil wir erst letzte Nacht herausgefunden haben, dass es am Freitag einen Konfigurationsfehler an seinem Auto gab", relativiert Paddy Lowe die Leistung des Deutschen.

Doch so recht will Rosberg die Ausrede nicht gelten lassen. "Das war aber nicht der Grund für mein... nicht so großartiges Qualifying", gibt Rosberg zu. "Ja, es ist zwar richtig, was er gesagt hat, aber diese Dinge hatten keinen Einfluss auf mein Qualifying."

Besonders alarmierend findet er den großen Rückstand auf seinen Teamkollegen nicht: "Ich weiß von mir selbst, dass ich es viel besser hätte machen können, wenn die Dinge zusammengekommen wären. Deshalb überrascht der Abstand nicht wirklich."

Auch Hamilton will die knapp sechs Zehntelsekunden nicht überbewerten: "Nico hatte ein paar Probleme im Qualifying und er hat in der letzten Runde in der vorletzten Kurve etwas Zeit verloren." Am Ende des Tages - so Hamilton - sei es ihm auch egal, wie groß der Vorsprung sei. "Das Ziel ist es, auf Pole zu sein. Morgen wird hart", meint er nüchtern.

Hamilton: Man muss die Reifen überfahren

Das Geheimnis Hamiltons liegt vor allem im Umgang mit den Reifen. "Man geht hier über das Arbeitsfenster der Reifen hinaus. Nach Kurve zwei oder drei sind die Reifen schon überhitzt. Und dann kommt Kurve nach Kurve." Für Hamilton ist es die fünfte Ungarn-Pole. Der Weltmeister gilt als Ungarn-Spezialist. Gewinnt er am Sonntag, ist er alleiniger Ungarn-Rekordhalter.

Es ist aber nicht nur der Umgang mit den Reifen, der Hamilton auf dem Hungaroring so stark macht. Er scheint jede einzelne Bodenwelle der Strecke im Kopf zu haben. "Bodenwellen haben Charakter", versucht er zu erklären. "In Kurve eins hinein gibt es eine Bodenwelle, es gibt Bodenwellen in manche Kurven hinein. Wenn man sie falsch anfährt, bekommt das Auto übersteuern oder die Reifen blockieren."

Am Ende war es aber nicht nur die Streckencharakteristik, die Rosberg sechs Zehntel Rückstand einbrachte. Eigentlich ging Rosberg zu einhundert Prozent auf ein Qualifying-Setup. "Aber es war ein absolutes Rennsetup, das im Qualifying überhaupt nicht funktioniert hat", sagte er zu Motorsport-Magazin.com.

Schon beim ersten Run in Q1 hatte der Deutsche mit starkem Untersteuern zu kämpfen. Sobald der Bolide die Boxengasse das erste Mal im Qualifying verlässt, gelten Parc-fermé-Bestimmungen. Am Auto darf kaum mehr etwas verändert werden. Luftdruck der Reifen, der Anstellwinkel der Frontflügel-Flaps. Mehr dürfen die Mechaniker nicht machen. Auch Rosberg waren die Hände gebunden: "Ich versuchte, etwas am elektronischen Setup zu verändern. Das funktionierte aber nicht wirklich."

Rosberg nimmt nach FP3 Änderungen am Auto vor

Eine Erklärung für die Dysbalance im Auto konnte noch nicht gefunden werden. Die Strecke entwickelte sich nicht besonders stark zwischen FP3 und Q1. "Es ist etwas heißer geworden, was normalerweise zu Übersteuern führt", erklärt Rosberg. Allerdings nahm der Deutsche zwischen dem Abschlusstraining und dem Qualifying noch ein paar Änderungen mit seinen Ingenieuren vor. "Da müssen wir sehen, ob die etwas gemacht haben, was wir nicht erwartet hatten. Das Analysieren wir jetzt gerade." Unter anderem wurde der Stabilisator verändert.

Rosberg ließ zwischen FP3 und Qualiying das Setup ändern, Foto: Sutton
Rosberg ließ zwischen FP3 und Qualiying das Setup ändern, Foto: Sutton

Eigentlich wäre das Untersteuern im Rennen ein Vorteil. Dadurch werden die Hinterreifen geschont. "Und die sollten morgen das Hauptproblem sein, deshalb ist es nicht unbedingt eine schlechte Sache", glaubt Rosberg.

Doch das Wetter könnte ihm einen Strich durch die Rechnung machen. Während im Qualifying Temperaturen von über 30 Grad herrschten und der Asphalt mehr als 50 Grad heiß war, soll es am Rennsonntag kühler werden. "Natürlich wird das einen kleinen Einfluss auf die Balance haben, aber ich bin nicht in der richtigen Richtung. Mein Auto hatte heute Untersteuern und dann wird es morgen noch mehr - das ist nicht ideal."

Startproblem geklärt

Will Rosberg das Rennen gewinnen, muss er am Start an Hamilton vorbei. Die Vorzeichen stehen aber nicht gut. Der Brite startet von der sauberen Seite. Doch Rosberg macht sich Mut: "Das ist ein kleiner Unterschied, aber so durcheinander, wie die Starts in letzter Zeit liefen, ist es eine Chance."

Allerdings ging bei Rosberg am Samstagvormittag ein Startversuch schief. Der Mercedes-Motor ging einfach aus, statt in den Anti-Stall-Mode zu gehen. "Da ist ein Wochenende gelaufen, wenn so etwas [im Rennen] passiert", weiß Rosberg. Ohne externen Starter können die Piloten den Motor nicht zum Laufen bekommen. Große Sorgen macht er sich für den Sonntag aber nicht: "Wir haben eine Lösung dafür: Man muss eine andere Prozedur durchführen, dann geht es."

In der Box wird die Entscheidung wohl nicht fallen, Foto: Sutton
In der Box wird die Entscheidung wohl nicht fallen, Foto: Sutton

Klappt es nicht am Start, sieht es schlecht für den WM-Zweiten aus. Pirelli sagt eine Zwei-Stopp-Strategie voraus, allerdings ist eine Drei-Stopp-Strategie fast gleich schnell. Eigentlich eine Chance für Rosberg, an seinem Teamkollegen vorbeizugehen. Doch der 30-Jährige erklärt: "Ich darf keine andere Strategie als er fahren."

Aus Fairnessgründen setzt Mercedes möglichst immer auf identische Strategien. Der Führende darf sich aussuchen, wann er zum Stopp kommt. Unter normalen Umständen muss der schlechter platzierte Pilot so lange auf seinen Stopp warten, bis der Führende seinen absolviert hat. Somit gibt es keinen Undercut im eigenen Team.

Freie Reifenwahl nur bei Dominanz

Bleibt nur noch eine andere Reifenstrategie. Also fast zur gleichen Zeit stoppen, dann allerdings die anderen Reifen aufziehen. "Ich weiß aber nicht einmal, ob ich eine andere Reifenwahl treffen kann", schränkt Rosberg ein. "Wahrscheinlich schon, wenn wir nur unter uns kämpfen", erklärt er.

Dass die beiden Mercedes-Piloten nur unter sich kämpfen, ist einmal mehr nicht unwahrscheinlich - sofern Rosberg Hamiltons Pace mitgehen kann. "In der Hitze scheinen die Abstände etwas kleiner geworden zu sein", weiß Motorsportchef Toto Wolff. "Morgen erwarten wir allerdings kühlere Temperaturen, was uns hoffentlich zugutekommt." Rosberg wird sich zumindest die Reifen selbst aussuchen dürfen.