Die Vorbereitungen für die Saison 2015 scheinen deutlich besser zu laufen als jene für das vergangene Jahr. Wie zufrieden sind Sie bislang?
Federico Gastaldi: Wir hatten während des Testes im letzten Jahr keinen zuverlässigen Motor, was nicht vorherzusehen war, weil wir Renault sehr gut kannten. Renault war zuvor vier Jahre in Folge Weltmeister, Renault war zuvor ein Teil unseres Teams. Deswegen war es eine große Überraschung - auch für sie selbst. Wir mussten dann zusammen mit dem neuen Turbo-Hybrid-V6 lernen. Was wir im letzten Jahr gelernt haben, hilft uns auch für dieses Jahr. Die Vorbereitungen für 2015 waren deshalb sehr viel nützlicher, weil wir all diese Informationen nun schon hatten. Ja, wir haben den Motorlieferanten gewechselt, aber das war kein so großer Umbruch wie der Wechsel vom V8 zum V6. Mercedes hatte im letzten Jahr offensichtlich eine großartige Saison, deswegen freut es uns sehr, in diesem Jahr mit ihnen zu arbeiten. Das ist alles sehr positiv. Wir wissen, dass wir in Enstone ein großartiges Auto bauen können, wir haben tolle, fähige und erfahrene Leute. Aber wir müssen hart arbeiten, um ähnlich konkurrenzfähig wie 2013 zu sein.

Sie haben den Wechsel des Motorlieferanten schon angesprochen. Können Sie einen kleinen Vergleich zwischen Renault und Mercedes bei den Abläufen ziehen?
Federico Gastaldi: Mercedes ist ein anderes Unternehmen, sie haben eine andere Kultur und auch eine andere Sprache. Aber die Gemeinsamkeit ist Rennsport auf dem höchsten Level - in der Formel 1. Bei Renault gibt es sehr professionelle Leute, die sehr offen für Diskussionen sind. Wir haben gelernt, zusammenzuarbeiten. Zwischen Renault und Lotus ist alles gut.

Federico Gastaldi im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com-Redakteur Christian Menath, Foto: Sutton
Federico Gastaldi im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com-Redakteur Christian Menath, Foto: Sutton

Gerard Lopez meinte in unserem Interview, dass Lotus von Renault stiefmütterlich behandelt wurde und sich die Franzosen auf Red Bull konzentriert haben...
Federico Gastaldi: Die Wahrheit ist - wie Gerard auch gesagt hat - dass wir überrascht davon waren, dass sie unserem Team nicht die gleiche Aufmerksamkeit entgegengebracht haben. Sie waren mit Red Bull Weltmeister, vielleicht hatten sie deshalb diese Präferenzen. Sie haben näher mit den erfahrenen Leuten von Renault zusammengearbeitet. Die meisten dieser Leute kamen von unserem Team, gehörten aber zu Renault in Frankreich. Die Leute, die zuvor so nah mit uns gearbeitet hatten, haben nun sehr eng mit Red Bull zusammengearbeitet. Das war ein komisches Gesamtpaket. Wir waren nicht Weltmeister, aber wir waren konkurrenzfähig und hatten auch Renault-Motoren. Renault und Enstone war mal ein sehr gutes Tandem.

Mercedes hat sogar offiziell ein sehr starkes Werksteam. Ist die Zusammenarbeit da besser?
Federico Gastaldi: Ja. Wenn man das mit dem letzten Jahr vergleicht: Da konnten wir nicht nach Jerez reisen und in den zwei Wochen in Bahrain haben wir mit zwei Fahrern in zwei Wochen 240 Runden geschafft. Und jetzt haben wir schon beim Test in Jerez gelernt und verbessern unsere Zusammenarbeit zwischen Mercedes und Enstone. Es läuft sehr, sehr gut. Wir haben ein zuverlässiges Auto, wir fahren jeden Tag. Natürlich hat man kleinere Probleme, das kommt aber beim Testen und Entwickeln. Das ist für jeden so.

Der Deal mit Mercedes wurde erst ziemlich spät bekanntgegeben. Hat das die Entwicklung des neuen Autos beeinträchtig? Denn Oktober ist ziemlich spät, mit der Entwicklung des neuen Autos wird normalerweise schon Monate vorher begonnen...
Federico Gastaldi: Ja, das hat die Entwicklung beeinträchtig. Aber wir hatten einen Kontrakt mit Renault und den mussten wir erfüllen. Wir haben versucht, so weit wie möglich zu entwickeln. Aber wir entwickeln unser Auto in Enstone, wo sehr gute und erfahrene Leute arbeiten - das hilft. Und wir haben schon bewiesen, dass wir gute Autos designen, bauen und einsetzen können.

Sie wussten wahrscheinlich schon ein bisschen länger von der Zusammenarbeit. Wann haben Sie damit begonnen, das Auto um die Mercedes Power Unit herum zu bauen?
Federico Gastaldi: Im Oktober! Wir mussten den Vertrag mit Renault erfüllen. Es wäre natürlich besser gewesen, früher damit zu beginnen. Aber wir hatten Verpflichtungen und die mussten wir erfüllen, so lief es für alle.

Wir haben von Lotus bei den Tests schon einige sehr gute Zeiten gesehen. Wir wissen aber nicht, mit wie viel Benzin Sie unterwegs sind...
Federico Gastaldi: Wir versuchen hier nicht, irgendwelche Spielchen zu spielen. Denn dann würden wir uns selbst betrügen. Wir versuchen, das Auto zu verstehen und das meiste aus jedem Tag herauszuholen. Wir spielen nicht mit dem Benzin-Level. Es wäre dumm, das zu diesem Zeitpunkt zu machen. Ich weiß nicht, was der Rest macht. Ferrari war in Jerez am schnellsten, ich weiß nicht, was sie hier machen. Wir wollen nur lernen und das Beste daraus machen. Es wäre aber verrückt hier mit leerem Tank zu fahren, wir fahren hier nicht gegeneinander. Man muss niemanden beeindrucken.

Wenn Sie auf die Saison blicken: Gibt es ein klares Ziel?
Federico Gastaldi: Unser Ziel ist es, zurück unter die ersten vier oder fünf Teams zu kommen. Ich bin mir sicher, dass wir in diesem Jahr ein viel zuverlässigeres Auto haben werden - wenn es in diese Richtung weitergeht, die wir in Jerez eingeschlagen haben.

Ich frage nach dem Ziel, weil es kein Geheimnis ist, dass Lotus in diesem Jahr viel weniger Preisgeld bekommt als im Jahr zuvor. Zudem ist das Team inzwischen viel kleiner als 2012 oder 2013, als Sie um Podien oder sogar Siege gekämpft haben. Können Podien trotzdem noch das Ziel sein?
Federico Gastaldi: Absolut, auf jeden Fall! Wie ich schon sagte: Wir wissen, dass wir zuverlässige und konkurrenzfähige Autos bauen können. Wir haben zwei Fahrer mit Erfahrung und sie sind schnell. Wir haben das richtige Gleichgewicht. Wir müssen von Rennen zu Rennen schauen, wie es läuft. Wir wissen, was uns letztes Jahr in eine so schlechte Position gebracht hat. Wir kamen aus einer fantastischen Saison 2013 und einer vielversprechenden Saison 2012. Wir müssen mehr arbeiten und sehen, wie sich die Dinge entwickeln.

Wenn Sie das Budget in diesem Jahr mit jenem der Jahre zuvor vergleichen. Hat es sich stark verändert?
Federico Gastaldi: Nein, wir haben das gleiche Budget und sind noch effizienter. Wir lernen weiter und passen uns weiter an die Realität der heutigen Formel-1-Welt an, die hart für jeden ist. Das wissen wir auch. Man kann immer mehr und größere Sponsoren haben, aber man muss sich auch die wirtschaftliche Lage in den Unternehmen ansehen. Wenn man aus dem Käfig der Formel 1 herausblickt, sieht man auf der ganzen Welt große Schwierigkeiten bei Ländern und Unternehmen.

Lotus nicht mehr in der Strategiegruppe

Nach der letzten Saison hat Lotus seinen Platz in der Strategiegruppe verloren. Ist das schlimm für Sie?
Federico Gastaldi: Natürlich wäre es viel besser, an den Sitzungen teilzunehmen, etwas beizutragen und den anderen Teams zuzuhören. Aber das ist die Konsequenz unserer schlechten Ergebnisse. So ist es nun mal und damit müssen wir leben.

So ist die Strategiegruppe zusammegesetzt, Foto: adrivo Sportpresse GmbH
So ist die Strategiegruppe zusammegesetzt, Foto: adrivo Sportpresse GmbH

Von außen wirkt es so, als gäbe es diese Strategiegruppe, aber es passiert nichts...
Federico Gastaldi: Das ist wieder ein anderes Problem. Wir waren in der Strategiegruppe und konnten nicht einen Millimeter bewegen. Ich war im letzten Jahr bei jeder Sitzung der Strategiegruppe dabei und es wurden Unmengen von Dingen von verschiedenen Interessensgruppen vorgestellt. Von der FOM, von der FIA, ... Wir haben unterschiedliche Dinge diskutiert, sportliche Sachen, wirtschaftliche und finanzielle Belange. Aber wir konnten nicht viel bewegen, weil wir alle in unterschiedlichen Booten sitzen. Wir haben unterschiedliche Agenden und wir sind auf unterschiedlichen Seiten. So läuft das Spiel, wir sind hier, um uns gegeneinander zu messen.

Wir reden seit Geraumer Zeit über einer Krise in der Formel 1. Wie lange, glauben Sie, kann die Formel 1 mit dem Status quo überleben?
Federico Gastaldi: Das müssen wir die Entscheidungsgremien fragen. FIA und FOM versuchen für uns das Beste herauszuarbeiten - für alle. Aber das Problem ist einfach, dass wir nicht im gleichen Boot sitzen und nicht alle die gleichen Interessen haben. Deswegen ist es so schwierig, eine Vereinbarung zu treffen. Jedes Mal wenn Dinge bei diesen Meetings präsentiert werden, ist es sehr schwierig, einen gemeinsamen Nenner zu finden, mit dem man arbeiten kann. Das ist das Problem.

Wenn Sie einen Vorschlag machen können, wie würde die Formel 1 der Zukunft dann aussehen? Sowohl vom technischen Gesichtspunkt her, als auch vom finanziellen.
Federico Gastaldi: Dazu möchte ich eigentlich nichts sagen, denn das müsste von allen von uns kommen. Ich habe meine eigenen Vorstellungen als Teil dieses Teams. FIA und FOM haben die Werkzeuge, die Situation zu ändern und das versuchen sie. Die wirtschaftliche Lage ist nicht einfach in der Welt. Nicht nur Unternehmen haben Probleme, auch Länder. Ich glaube, es ist eine schwierige Zeit für jeden, nicht nur für die Formel 1.