Pro: Das notwendige Übel

Wirklich glücklich wird vermutlich niemand sein, wenn die Formel 1 ihre Zelte in Katar aufschlägt, doch es gibt einen auf der Hand liegenden Grund, der das Rennen in der Wüste legitimiert. Geld regiert die Welt, das trifft auch auf die Königsklasse des Motorsports zu. In Zeiten, in denen der Grid immer kleiner wird, weil Teams wie die Fliegen sterben, kann es sich die Formel 1 nicht leisten, einem solch lukrativen Austragungsort abzusagen.

Die Teams suchen neue Einnahmequellen, Foto: Sutton
Die Teams suchen neue Einnahmequellen, Foto: Sutton

Natürlich würden die üppigen Einnahmen nicht 1:1 an die Rennställe weitergegeben werden, dennoch würde ihnen ein Rennen in Katar finanziell kaum zum Nachteil gereichen - ganz im Gegenteil. Und vielleicht gelingt es den Teams ja sogar neue Sponsoren aus der Golfregion zu gewinnen.

Ist Bernie Ecclestone schlau, nutzt er die üppigen Gelder aus der Wüste auch dazu, um der einen oder anderen Traditionsstrecke einen Preisnachlass bei der Antrittsgebühr zu gewähren und so wichtige Säulen des Kalenders zu erhalten. Gelingt es etwa dank einer Querfinanzierung aus Katar den Deutschland GP zu retten, wäre dies ein klarer Mehrwert für die Königsklasse.

Mit etwas Wohlwollen kann man dem unausweichlichen Katar GP also auch etwas Positives abgewinnen. Man muss ihn nur als notwendiges Übel betrachten, das dazu beitragen kann, die Zukunft der Formel 1 zu sichern. Allerdings setzt dies voraus, dass die Akteure - allen voran Ecclestone - auch wirklich nach diesem Credo handeln. Zweifel sind berechtigt.

Bernie Ecclestone treibt die Expansion der Formel 1 voran, Foto: Sutton
Bernie Ecclestone treibt die Expansion der Formel 1 voran, Foto: Sutton

Contra: Charakterloser Wüstenkurs in menschenverachtendem Land

So glamourös sich Katar auch der Öffentlichkeit präsentieren mag: Dieses Land hat keinen Grand Prix verdient. Vielleicht mag Diktatorenfreund Ecclestone angesichts des Rankings "unfrei" im Freedom House Index (Ranking: 6 auf einer 7-stufigen Skala) Luftsprünge machen, doch man darf in einem Land, in dem die Abkehr vom Islam als Kapitalverbrechen angesehen wird, in dem Arbeiter für die Fußball-WM wie Sklaven behandelt werden, und in dem die Tötung einer Frau mit einer halb so hohen Summe wie diejenige eines Mannes zu kompensieren ist, keinen Grand Prix ausrichten.

Nach Bahrain und Abu Dhabi wäre Katar das dritte Wüstenrennen, Foto: Sutton
Nach Bahrain und Abu Dhabi wäre Katar das dritte Wüstenrennen, Foto: Sutton

Wie genau es die Kataris mit dem Sportgeist nehmen, durfte man zuletzt bei der Handball-WM sehen, und wie die Fußball-WM in die Wüste geholt wurde, dürfte auch hinlänglich bekannt sein. Zyniker mögen behaupten, dass angesichts der Negativ-Schlagzeilen, die die Formel 1 über das letzte halbe Jahr produziert hat, ein Grand Prix in einem Staat, der Terroristen wie dem Hamas-Chef Chalid Maschal Unterschlupf gewährt und im Verdacht steht, den IS zu finanzieren, auch nicht mehr groß ins Gewicht fallen möge.

Doch selbst wenn wir die Menschenrechtssituation einmal außer Acht lassen: Ein weiterer charakterloser Wüstenkurs ist so ziemlich das Letzte, was sich die Fans der Formel 1 momentan wünschen. Monza oder Spa gegen Katar tauschen? Könnt ihr gerne machen, wenn ihr die Formel 1 noch weiter von den Fans entfernen wollt. Aber wundert euch nicht: Wer soll sich das Rennen noch anschauen, wenn es ohnehin schon zwei Rennen in dieser Region gibt? Da bliebe Katar wohl nur übrig, ein paar nepalesische Zwangsarbeiter zum Zuschauen zu verdonnern.