Sebastian Vettels erster offizieller Fahreinsatz für den neuen Arbeitgeber Ferrari wurde weltweit mit großer Spannung erwartet. Bei den Testfahrten in Jerez war es soweit: Der vierfache Weltmeister übernahm an den ersten beiden Tagen das Steuer des neuen SF15-T aus Maranello. Motorsport-Magazin.com zieht eine erste Vettel-Bilanz.

Die Rundenzeiten

Besser hätte es zeitenmäßig für Vettel und Ferrari zum Testauftakt nicht laufen können. An beiden Tagen sicherte sich der Heppenheimer die Bestzeit. Zum Auftakt am Sonntag erzielte er eine 1:22.620 auf den Medium-Reifen und war damit 0,15 Sekunden schneller als der Zweitplatzierte Marcus Ericsson im Sauber-Boliden. Am zweiten Tag legte Vettel noch eine ordentliche Schippe drauf und fuhr mit einer 1:20.984 an die Zeitenspitze, ebenfalls auf den Pirelli-Mediums. Sein Vorsprung auf Felipe Nasr auf Platz zwei: knapp neun Zehntelsekunden.

Die Aussagekraft der Rundenzeiten beim ersten Test halten sich natürlich arg in Grenzen. 2014 war etwa Kimi Räikkönen zum Auftakt der Schnellste - der Rest der traurigen Ferrari-Geschichte ist bekannt. Dessen war sich natürlich auch Vettel bewusst. "Die Rundenzeiten sind letztlich nicht so wichtig, sondern die Rundenanzahl", sagte er. "Es ist natürlich besser, nah an der Spitze, als sehr weit entfernt zu sein." Dennoch: Vettels zwei Bestzeiten sorgten bei Ferrari-Fans und generell in Italien für große Zuversicht. Ein Gefühl, das die Scuderia schon länger nicht mehr hervorrufen konnte. Selbst die Konkurrenz staunte in Person von Nico Rosberg nicht schlecht: "Die Zeiten von Ferrari sehen aus ihrer Sicht jedoch sehr vielversprechend."

Wie gut ist der Ferrari SF15-T wirklich?, Foto: Ferrari
Wie gut ist der Ferrari SF15-T wirklich?, Foto: Ferrari

Die Test-Kilometer

Viel entscheidender als Zeiten sind die abgespulten Kilometer. Vettel legte im Verlauf der beiden Jerez-Tage insgesamt 149 Runden zurück, was 659 km entspricht. Insgesamt waren nur Mercedes mit 1.098 km und Sauber mit 713 km fleißiger. Eine ordentliche Bilanz insgesamt für Vettel und Ferrari, wenn auch meilenweit entfernt von Topfavorit Mercedes. Vettel kam nicht umhin, selbst in der offiziellen Pressemitteilung von Ferrari über die Silberpfeile zu sprechen.

Wegen eines Telemetrieproblems kam Vettel am Sonntag nicht über 60 Runden hinaus. Montags gelangen ihm immerhin 89 Umläufe und damit nur 13 gefahrene Kilometer weniger als Mercedes, das den Tag wegen Problemen allerdings vorzeitig beendete. "Wir hatten eine andere Herangehensweise als Mercedes, die Long Runs, sehr extreme Long Runs, gefahren haben", erklärte Vettel. "Aber wir haben viel verändert und viel gelernt. Es ist im Moment einfach wichtig, viel zu fahren, zu lernen und das Auto zu verstehen."

Vettels erster Einsatz kann sich sehen lassen, Foto: Ferrari
Vettels erster Einsatz kann sich sehen lassen, Foto: Ferrari

Das fiel positiv auf

Zum einen die beiden Bestzeiten, die dem Team zumindest innerlich ein positives Gefühl geben und motivieren. Zum anderen die ordentliche Zahl der abgespulten Kilometer, mit denen sich Ferrari nicht vor der Konkurrenz verstecken musste. Vor allem gab es innerhalb der beiden Tage in Jerez keine größeren Probleme zu berichten, die Anlass zur Sorge bereiten. Wie schnell der neue SF15-T ist, lässt sich noch überhaupt nicht vorhersagen. Allerdings hat Ferrari es offenbar geschafft, eine solide Basis mit dem Auto aufzubauen.

Deutlich zu spüren war unterdessen die gute Stimmung innerhalb des Teams. Vettel wirkte wesentlich entspannter als zuletzt bei Red Bull - angesichts der Probleme allerdings auch keine allzu große Überraschung. Dass er am Montag in der Ferrari-Box auch noch Applaus vom Team bekam - angeblich, weil er das Auto bei nassen Bedingungen sicher zurück in die Garage pilotierte - ist sicherlich als positiv zu betrachten. Für den ersten Moment schien Vettel den SF15-T im Griff gehabt zu haben. Die bekannten Äußerungen über die ungeliebte Hybrid-Formel hielten sich in Jerez zumindest in Grenzen.

Riesen-Interesse am neuen Ferrari-Superstar, Foto: Sutton
Riesen-Interesse am neuen Ferrari-Superstar, Foto: Sutton

Was noch nicht rund lief

Auffällig war, dass Vettel in Gesprächen sehr offensiv auf die Euphoriebremse trat. Keinesfalls wollte er den Eindruck erwecken, dass Ferrari eine Rakete gebaut hat. Und das sicherlich nicht ohne Grund. Auf den ersten Blick scheint der SF15-T besser zu sein als sein Vorgänger, doch angesichts der vergangenen Probleme ist erst mal nicht von einer Wunderheilung auszugehen. Die Schwierigkeiten mit der Telemetrie am ersten Tag waren nervig und haben Ferrari wichtige Streckenzeit gekostet - Ähnliches sollte nicht mehr allzu häufig vorkommen.

Vettel sagte, dass nach dem ersten Test noch viel Arbeit auf das Team warte und alle schwer beschäftigt sein würden - davon ist allerdings bei allen Teams auszugehen. Generell ließ er sich nicht allzu viel zu den Details der bisherigen Erfahrungen entlocken. Ein kleines Detail plauderte Vettel lediglich aus: "Meine Gurte sitzen zum Beispiel noch nicht richtig." Das dürfte allerdings das kleinste Problem in Maranello sein. Technikdirektor James Allison sprach unterdessen vorsichtig optimistisch von einer aktuell guten Basis des Autos.

Auf Vettel und Ferrari wartet noch einiges an Arbeit, Foto: Sutton
Auf Vettel und Ferrari wartet noch einiges an Arbeit, Foto: Sutton

Vettels erster Eindruck von Ferrari

In Vettels Worten: "Insgesamt waren es zwei gute Tage. Aber man darf das jetzt nicht falsch interpretieren. Wir müssen auf dem Boden bleiben. Das ist erst der erste Test. Es ist zu früh, um einschätzen zu können auf welchem Niveau wir uns mit dem Auto bewegen. Aber wir sind zufrieden, dass wir keine größeren Probleme mit dem Auto hatten." Klingt erst einmal positiv als Zwischenfazit nach dem ersten Testeinsatz.

Dabei erinnerte sich Vettel auch die gleiche Zeit vor genau einem Jahr, als er mit Red Bull und Renault einen katastrophalen Start in die neue Saison erwischte und sichtlich frustriert war. "Es könnte schlechter sein", sagte er jetzt nach dem Wechsel zu Ferrari. "Verglichen mit demselben Zeitpunkt im vergangen Jahr, läuft es für mich ein ganzes Stück besser. "Wir sind schon mal ganz zufrieden mit dem Auftakt und jetzt wünsche ich mir natürlich, dass der Kimi so weiter macht und es keine größeren Probleme gibt." Teamkollege Kimi Räikkönen löst Vettel im SF15-T ab und bestreitet die letzten beiden Einsatztage auf der spanischen Rennstrecke.

Applaus vom Team nach dem 2. Testtag, Foto: Ferrari
Applaus vom Team nach dem 2. Testtag, Foto: Ferrari

Das sagte Ferrari zu Vettels Premiere

Seitens des Teams gab es vorrangig Lob für Vettels Premiere im roten Rennauto. "Ich sage, 'Gut gemacht' zu Sebastian", meinte Teamchef Maurizio Arrivabene am Montag. "Wir müssen aber daran denken, dass wir unsere Rivalen - vor allem Mercedes - nicht unterschätzen dürfen. Das ist erst der Anfang und in dieser Phase sind die Rundenzeiten relativ. Wir machen jetzt einfach weiter. Ich möchte lieber die Arbeit des Teams hervorheben, das mir sehr motiviert zu sein scheint."

Die Stimmung scheint nach all den Rauswürfen und Umstrukturierungen der vergangenen Monate erst einmal wieder stabil zu sein. Aktuell heißt es, dass keine weiteren Technik-Schlüsselpersonen für den Saisonstart in Melbourne kommen. Gut möglich aber, dass Vettel noch weitere vertraute Ingenieure oder Mechaniker zur Verfügung gestellt werden. Der vierfache Weltmeister soll sich schließlich wohlfühlen in der neuen Heimat.

Vettel sorgte für positive Grundstimmung bei Ferrari, Foto: Ferrari
Vettel sorgte für positive Grundstimmung bei Ferrari, Foto: Ferrari

So geht es jetzt weiter

Vettel reiste am Montagabend zügig aus Jerez ab. Ziel: Maranello, Teamfabrik. Dort widmete sich der 27-Jährige der Simulator-Arbeit, um neu gewonnene Daten und Erkenntnisse abzugleichen. Offiziell geht es für Vettel und Ferrari ab dem 19. Februar weiter, wo die zweiten Testfahrten des Jahres in Barcelona steigen. Der letzte Test vor dem Saisonstart in Melbourne steigt ebenfalls in Barcelona (26. Februar bis 1. März) und dauert erneut vier Tage an.