Nicht mehr lang und die Formel 1 schreibt das nächste Kapitel einer unendlichen Geschichte. Wenn in einer Woche der Startschuss zu den ersten Testfahrten für die Saison 2016 ertönt, werden wir sie wieder sehen: allerhand bizarre Konstruktionen und skurrile Messgeräte an den Boliden. Was uns dieses Jahr erwartet? Noch tappen wir im Dunkeln. Doch schon in den vergangenen Jahren haben uns die Teams immer wieder mit den wildesten Auswüchsen auf ihren Boliden überrascht. Denn nur bei Testfahrten sind diese in besonderem Ausmaß gestattet.

Motorsport-Magazin.com zeigt eine Auswahl der unattraktivsten Gebilde und erklärt, warum das Ganze gar nicht mal so verrückt ist wie es scheinen mag. Tatsächlich handelt es sich bei den Konstruktionen um bis ins letzte Detail ausgeklügelte Ingenieurskunst.

Das Gitter

Die Gatter enthalten eine Matrix von Mini-Röhrchen, die Luftdruck und -verwirbelungen messen, Foto: Sutton
Die Gatter enthalten eine Matrix von Mini-Röhrchen, die Luftdruck und -verwirbelungen messen, Foto: Sutton

Die wohl auffälligsten und häufigsten Gerätschaften an den Formel-1-Boliden sind große gitterartige Konstruktionen. Meist befinden sie sich über der Vorderrad-Aufhängung oder an verschiedenen Positionen der Seitenkästen. Im Extremfall sehen die Instrumente aus, als würden die Autos halbe Zäune um die Strecke kutschieren. Diese Messwerkzeuge dienen den Teams dazu besser zu verstehen, wie die Luft die Karosserie umströmt. Zu diesem Zweck ist eine ganze Reihe an Sensoren in die Gatter integriert, die sogenannten "Kiel Tubes".

Nicht nur an den Seitenkästen, auch hinter der Aufhängung und an den Reifen werden sogenannte Kiel Tubes eingesetzt, Foto: Sutton
Nicht nur an den Seitenkästen, auch hinter der Aufhängung und an den Reifen werden sogenannte Kiel Tubes eingesetzt, Foto: Sutton

Anders als bei der Farbe "Flow Viz" (siehe unten) lässt sich durch diese in Matrix-Form montierten Röhrchen nicht nur der Luftstrom, sondern auch der Luftdruck messen, dem das Auto während der Fahrt ausgesetzt ist. Auch mit welcher Geschwindigkeit die Luft um das Chassis strömt wird ersichtlich. All das zusammengenommen gewinnen die Ingenieure Erkenntnisse über die Luft-Verwirbelungen rund um das Auto. Diese gehören zu den wichtigsten Faktoren, um Performance und aerodynamische Effizienz zu verbessern.

Besonders knifflig: Jeder Sensor verändert durch seine Präsenz am Auto auch selbst den Luftstrom, sodass das Messergebnis von der späteren Rennsituation ohne Messinstrumente abweicht. Diesen Unterschied gilt es zu beachten. Daher gleichen die Teams ihre Daten stets aus drei Quellen ab: Windtunnel, Computer-Animation und Rennstrecke.

Die Farbe

Flow-Viz macht sichtbar, wie die Luft das Auto umströmt, Foto: Sutton
Flow-Viz macht sichtbar, wie die Luft das Auto umströmt, Foto: Sutton

Die neben Gittern wohl auffälligste und seit Jahren gebräuchlichste Gerätschaft, verdient diesen Namen eigentlich nicht. Immerhin handelt es sich dabei ganz einfach um Farbe, besser bekannt als "Flow-Viz". Das ist die Abkürzung für "Flow-Visualization". Der Zweck der auf die Boliden aufgesprühten Farbe ist leicht erklärt. Sie soll ganz einfach sichtbar machen, wie die Luft das Auto während der Fahrt umströmt. So gewinnt die Aerodynamik-Abteilung aufschlussreiche Erkenntnisse, ob ihr im Windtunnel ausgeklügeltes Konzept auch in der Realität funktioniert.

Flow-Viz ist als Hilfsmittel so beliebt, dass die Teams nicht selten noch während der ersten Saisonrennen mit der Farbe herumexperimentieren. Eine Alternative sind kleine Wollbüschel, die mit Klebeband am Auto befestigt werden. Ihre Bewegung im Fahrtwind zeichnen die Teams per Kamera auf - so geschehen bei den Testfahrten von Marussia in Bahrain 2014.

Der Rechen

McLaren machte den Straßenkehrer, Foto: Sutton
McLaren machte den Straßenkehrer, Foto: Sutton

Gleich zu Beginn der Testfahrten im Jahr 2011 fiel McLaren mit diesem rechenartigen Konstrukt am Heck des Autos auf. Durch das Verbot des Doppeldiffusors und der fundamentalen Bedeutung des angeblasenen Diffusors für die Performance waren exakte Messwerte vom hinteren Unterboden Gold wert.

Die Buckelnase

McLaren zeigte 2011 in Barcelona einen hässlichen Höcker auf der Nase, Foto: Sutton
McLaren zeigte 2011 in Barcelona einen hässlichen Höcker auf der Nase, Foto: Sutton

2011 düpierte McLaren bei den abschließenden Testfahrten in Barcelona zudem alles bis dahin an Kuriositäten Dagewesene. Ein riesiger Buckel thronte wie ein Geschwür auf der Nase des MP4-26. Dass es sich bei dem unansehnlichen Höcker nicht um einen aerodynamischen Clou, sondern einen Sensor handelte, bestätigte McLaren zweifach. Erstens, weil die Kuppel ausschließlich bei den Testfahrten auftauchte. Zweitens, weil das Team selbst erklärte, es handele sich um ein "Messgerät für langfristige Entwicklungen". Was genau damit gemeint war, blieb geheim. Allerdings herrschte unter Technik-Experten weitgehend Einigkeit, dass Kabel den Sensor mit den Endplatten des Frontflügels verbunden haben. So habe McLaren dessen Verformung gemessen.

Die Haifisch-Flosse

Force India machte in Abu Dhabi aus dem VJM07 einen Hai-Fisch, Foto: Sutton
Force India machte in Abu Dhabi aus dem VJM07 einen Hai-Fisch, Foto: Sutton

Eine hohe Flosse auf der Airbox gehört mittlerweile schon zum bekannten Repertoire. Dennoch sorgen die Finnen immer wieder für Aufmerksamkeit. Fast schon ein Wunder, dass der Force India hier noch durch den kleinen Boxentunnel von Abu Dhabi gepasst hat. Naja ... ein wenig Platz war schon noch. Aber zur Sache: Der Sinn dieser abenteuerlichen Konstruktion liegt erneut darin, Luftdruck und Windgeschwindigkeit zu messen. Diese ist für den Abtrieb des Boliden entscheidender als die Geschwindigkeit des Autos auf der Strecke selbst. Schließich muss Downforce über die Luftströme entlang der Karosserie generiert werden. Um keine verfälschten Messergebnisse zu erhalten, montieren die Teams den Druck-Sensor in derart luftige Höhe.

Die Antenne

Nicht nur McLaren zeigte 2011 eine Antenne, Foto: Sutton
Nicht nur McLaren zeigte 2011 eine Antenne, Foto: Sutton

Im Bauen Richtung Himmel reicht so schnell niemand an den Erfindergeist der Technik-Gurus in den Formel-1-Boxen heran. Vor der Invasion der Flossen gab es bereits Antennen. Diese dienten exakt demselben Zweck - nicht etwa der besseren Funkverbindung wie man zunächst annehmen könnte. Die Antennen wurden jedoch zunehmend von den stabileren Flossen verdrängt, da letztere sich im Fahrtwind weniger verformen und somit zuverlässigere Messergebnisse liefern.

Die Kamera

McSpy - McLaren filmt seine Flügel, Foto: Sutton
McSpy - McLaren filmt seine Flügel, Foto: Sutton

McLaren klebte 2014 eine Kamera auf die Nase, um die Bewegungen des Frontflügels festzuhalten. Als Referenzpunkt klebte das Team dazu Sticker auf die Seitenplatten.

Das Tablett

Ferrari klemmte ein Tablett-artiges Stück Metall an den F14T, Foto: Sutton
Ferrari klemmte ein Tablett-artiges Stück Metall an den F14T, Foto: Sutton

Im Training zum Austin GP und bei den Testfahrten nach der Saison 2014 in Abu Dhabi klemmte Ferrari ein an ein Tablett erinnerndes Stück Metall auf den F14T, um zu simulieren wie sich ein tieferer Schwerpunkt auf die Sicht des Fahrers auswirken würde.

Was sich kaum messen lässt

Auf eine Methode, um Abtrieb und Luftwiderstand direkt zu messen, sind die erfinderischen F1-Techniker bisher noch nicht gekommen. Daher versucht man bislang bei konstanter Geschwindigkeit geradeaus zu fahren und währenddessen das Drehmoment des Motors im Auge zu behalten.