"Desaster bei Ferrari. FIAT-Chef Marchionne geht auf Distanz zu Montezemolo. Wie es bei Ferrari zu Ende geht, haben wir alle begriffen, wann es zu Ende geht, muss noch geklärt werden. Für Montezemolo hat die Glocke für die letzte Runde geläutet", titelte die italienische Zeitung Gazzetta dello Sport in ihrer Montagsausgabe nach dem Ferrari-Heim-GP in Monza. Gründe für diese vielsagende Überschrift gab es am Vortag genug. Die Scuderia, von ihren Anhängern heißgeliebt und verehrt, erlebte in ihrem Wohnzimmer in Monza einen desaströsen Nachmittag - Alonso schied aus und Teamkollege Räikkönen kam auf Rang acht ins Ziel.

Der schon vor dem Italien GP angezählte Luca di Montezemolo geriet in ärgste Bedrängnis, vor allem nachdem Fiat-Chrysler-Chef Sergio Marchionne der Kragen platzte. "Ich will keinen meiner Fahrer auf Rang sieben oder zwölf sehen", wütete der Italiener. "Wir haben seit 2008 keinen Titel mehr gewonnen. Das geht nicht." Zwei Tage später musste di Montezemolo seinen Schreibtisch in Maranello räumen - und die Gazzetta dello Sport titelte: "Das Erdbeben bei Ferrari geht wie erwartet zu Ende". Zu schmerzvoll drifteten Anspruch und Wirklichkeit bei der Scuderia auseinander. Bis zu diesem Zeitpunkt musste Ferrari bereits 29 Rennen ohne Sieg ertragen - inakzeptabel für die Konzern-Oberen, die den Wert ihrer Edelmarke schwinden sahen.

Schon im April verließ Teamchef Stefano Domenicali freiwillig die Mannschaft aus Maranello. "Als Chef übernehme ich, wie ich es auch zuvor getan habe, die volle Verantwortung für unsere derzeitige Situation", erklärte der 48-Jährige im Frühjahr 2014. Sein Nachfolger Marco Mattiaci - bis zu diesem Zeitpunkt Nordamerika-Geschäftsführer der Marke - blieb nur sieben Monate. Er sollte nicht der letzte Ferrari-Abgang bleiben.

Bei Stefano Domenicali herrschte zu Beginn der Saison Ratlosigkeit, Foto: Sutton
Bei Stefano Domenicali herrschte zu Beginn der Saison Ratlosigkeit, Foto: Sutton

Glückloser Asturier

Nach der ersten sieglosen Saison seit 1993 verkündete der vor der Saison 2010 als Heilsbringer angepriesene Fernando Alonso seinen Abschied vom Team. Der stolze Spanier sollte eine mit roten Triumphen gespickte Ära einleiten - am Ende seiner Zeit bei Ferrari belegte er einen enttäuschenden sechsten Gesamtrang. Nach insgesamt neun Rennsiegen und drei Vize-Titeln folgte Alonso dem Lockruf von McLaren und Neo-Motorenlieferant Honda.

2015 wird Sebastian Vettel versuchen das italienische Traditionsteam zurück zu alter Stärke zu führen. "Wir müssen unser Potenzial zeigen. Das ist unser Job für 2015. Vettels Risiko ist auch unseres", forderte Sergio Marchionne eine Leistungssteigerung. Auch Vierfach-Weltmeister Alain Prost begrüßte gegenüber Motorsport-Magazin.com die Veränderungen im Team. "Sie brauchen frischen Wind, neue Denkanstöße", so der 'Professor'.

Pat Fry musste seinen Posten ebenfalls räumen, Foto: Sutton
Pat Fry musste seinen Posten ebenfalls räumen, Foto: Sutton

Alle Abteilungen im Umbruch

Allerdings blieb es nicht nur bei etwas frischem Wind. Die Wetterlage in Maranello entwickelte sich im vergangenen Jahr zu einem wahren Sturmtief. Pat Fry musste seinen Posten als Technikdirektor genauso räumen wie Chefdesigner Nikola Tombazis. Zudem wurden Motorenchef Luca Marmorini und Hirohide Hamashima, zuständig für die Analyse der Reifenperformance, vom Dienst freigestellt.

Jock Clear könnte den Erfolg nach Maranello zurückbringen, Foto: Sutton
Jock Clear könnte den Erfolg nach Maranello zurückbringen, Foto: Sutton

Die vakanten Stellen wurden mit neuen Gesichtern besetzt. Dem mit wenig Strahlkraft versehene Kurzzeit-Teamchef Marco Mattiaci folgte Maurizio Arrivabene. Dieser bekleidete diverse Posten bei Ferrari-Sponsor Philip Morris und wird neben seiner Rolle als Teamchef und Leiter der Gestione Sportiva vorübergehend auch die neu geschaffene kaufmännische Abteilung leiten.

Neue Namen - neue Ideen?

James Allison, der schon 2013 von Lotus zu Ferrari wechselte, wurde in das Amt des technischen Direktors erhoben. Außerdem hält der Brite auch die Zügel an der Rennstrecke in seinen Händen. Ihm arbeitet wohl in Zukunft die Ferrari Designer-Legende Rory Byrne zu, der angeblich ab dieser Saison mit Allison ein kongeniales Duo bilden soll. Pat Frys Rolle übernimmt Jock Clear, ehemaliger Performance-Ingenieur des Weltmeisterteams Mercedes AMG. Wann Clear seine Arbeit in Maranello aufnehmen wird, ist allerdings noch unklar.

Der personelle Sturm fegte auch durch das zweite Glied der Fahrer und Testfahrer. Esteban Gutierrez, der bei Sauber kein Cockpit mehr erhielt, wurde als Testfahrer verpflichtet. Jean-Eric Vergne ereilte selbiges Schicksal bei Toro Rosso, weshalb der Franzose ebenfalls als Test- und Entwicklungsfahrer vorgestellt wurde.

Ob die neuen Arbeitskräfte den nötigen Schwung mitbringen, um den lahmenden Gaul wieder auf Trab zu bringen, bleibt abzuwarten. Vettel-Vorgänger Alonso glaubt allerdings an die Stärke seines ehemaligen Teams. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie wieder gewinnen", prophezeite der Spanier. Wie lange die Ferraristi allerdings darauf warten müssen, ist unklar. Für die Ferrari-Anhänger wäre ein Sieg eines roten Boliden in Monza wohl die größte Genugtuung, um die Schmach aus dem Vorjahr zu vergessen.