Es war ein Formel-1-Jahr ganz nach dem Geschmack von Mercedes. Ein Jahr der Rekorde. Ein Jahr der Dominanz. Ein Jahr mit dem Nimbus annähernder Unbesiegbarkeit. 18 von 19 Pole-Positions, 16 Siege in 19 Rennen, davon elf Doppelsiege -soweit die bemerkenswerte Bilanz der Silberpfeile anno 2014. Auf dem Motorsport Summit in Essen zog Toto Wolff nun seinerseits Bilanz. Der Mercedes-Teamchef erklärt die wesentlichen Faktoren für die silberne Regentschaft in der Königsklasse.

1. Faktor: Das Opfer

"Es war mit Sicherheit kein Glück. Alle unsere Mitbewerber wussten, was die Rahmenbedingungen sind", beantwortet Wolff die Frage nach den Gründen der Dominanz. Ein entscheidender Unterschied sei jedoch die frühzeitige Erkenntnis gewesen, welchen Entwicklungsaufwand die Reglementänderungen zur Saison 2014 mit sich bringen würden. Die kluge Reaktion Mercedes': "Wir haben im Jahr 2013 bewusst die zweite Saisonhälfte - ich will nicht sagen geopfert - aber zurückgesteckt, um uns für 2014 vorzubereiten", erinnert sich Wolff.

Wolff: Wir waren beim Motor die schnellsten, Foto: Mercedes-Benz
Wolff: Wir waren beim Motor die schnellsten, Foto: Mercedes-Benz

2. Faktor: Die Geographie

Eine weitere wichtige Rolle habe die günstige Lage der Fabriken gespielt. "Unser großer Vorteil ist, dass die Motorenschmiede in Brixworth nur eine halbe Stunde von der Chassis-Seite entfernt ist. Die Integration des Motors in das Chassis hat immerhin eine ganz wichtige Rolle gespielt, um schnell aus den Startblöcken zu kommen", beschreibt Wolff.

3. Faktor: Immer einen Schritt voraus

Aus dem Vorteil durch Faktor zwei habe sich Mercedes in der Folge einen Zeitvorteil erarbeitet und diesen von den Testfahrten bis zum Saisonende ausgespielt. Wolff: "Wir waren die Ersten, deren Motor gelaufen ist. Am 24. Dezember ist der Motor erstmals im Chassis gelaufen. Das war Wochen früher als bei unseren Mitbewerbern. Und wir sind bei unserem ersten Test um neun Uhr in der Früh rausgerollt und haben mit unserer Testarbeit begonnen. Da haben die anderen gerade erst den Motor ans Chassis geschraubt. Und diesen Vorteil haben wir über die ganze Saison mitgekommen."

Der Daimler-Vorstand hat das richtige Rezept gefunden, Foto: Sutton
Der Daimler-Vorstand hat das richtige Rezept gefunden, Foto: Sutton

4. Faktor: Die unternehmerische Basis

Der nächste Erfolgsfaktor bezieht sich auf die grundlegende Struktur des Teams. Daimler habe sich beim Einstieg 2010 gut überlegt, mit welcher Basis Erfolge möglich seien. "Innerhalb des Vorstands hat man sich die Frage gestellt, warum bis auf Renault bisher kein großer Automobilhersteller Erfolg in der Formel 1 hatte. Die Schlussfolgerung war, dass diese Renault-Jahre von einem sehr unternehmerischen Ansatz geprägt waren. Das Team wurde damals von Flavio Briatore geleitet. Ziemlich hemdsärmelig, würde ich sagen. Heute wäre das so nicht mehr möglich", erinnert sich Wolff.

Den Kern des Konzepts - den unternehmerischen Ansatz - habe man sich jedoch von Renault abgeschaut. "Die Entscheidungen in der Formel 1 sind sehr schnelle Entscheidungen. Das kann ein großer Konzern in der Form wahrscheinlich nicht machen. Deshalb haben wir gesagt, wir wollen uns unternehmerisch aufstellen. Deshalb sind Niki Lauda und ich in diese Rolle gegangen als Mitgesellschafter, um das Team zu führen. Und so wurden verschiedene Bausteine umgesetzt", erklärt Wolff die Umstrukturierungen nach dem Abschied des Gespanns Brawn/Schumacher/Haug.

5. Faktor: Der lange Atem

Dass es durch Fehler in deren Ägide erst zu den Umbaumaßnahmen gekommen sei, sagt Wolff jedoch nicht. Damals sei die Ausgangssituation eine andere gewesen. So habe etwa eine Kostengrenze auf der Agenda für die Formel 1 gestanden. Im Gegenteil: In Essen lobt Wolff nun sogar die lange Vorbereitung. "Als das Team 2010 eingestiegen ist, war klar, dass es ein langfristiges Projekt ist. Das war am Anfang schwierig. Man ist durch einige schwere Jahre gegangen. Aber jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo wir die vielen richtigen Entscheidungen in Ergebnisse umsetzen können", sagt Wolff.

Wolffs Ausblick: Kommt jetzt die Silberpfeil-Arä?

Viele Pokale sollen folgen, Foto: Mercedes AMG
Viele Pokale sollen folgen, Foto: Mercedes AMG

Geht es nach dem Mercedes-Teamchef ist die Jagd auf weitere Top-Resultate gerade erst eröffnet. "Wir geben jetzt nicht unseren Rücktritt aus der Formel 1 bekannt", witzelt Wolff beim Motorsport Summit. "Wir machen weiter. Mercedes hat sich langfristig zur Formel 1 bekannt. Deshalb wird es hoffentlich noch viele, viele Jahre weitergehen", sagt Wolff. Für die Konkurrenz klingt das indes eher nach Drohung. Sebastian Vettel etwa hat bereits eine Titelchance mit Ferrari abgeschrieben. Zu weit sei Mercedes enteilt.

Eine Einschätzung, die Wolff schmeicheln sollte. Doch der versteht die Bemerkung Vettels völlig anders: Als cleveren Angriff auf den Vorsprung Mercedes', wie Wolff in Essen unmissverständlich deutlich macht: "Da werden natürlich alle Register gezogen, um einen gewissen Einfluss zu nehmen. Deshalb sagt der Vettel das. Das macht es für uns umso schwieriger, das Reglement so zu behalten wie es jetzt ist."

Wolff verteidigt das Reglement

Genau dieses stabile Reglement dürfte Mercedes schließlich auch für 2015 eine solide Basis garantieren, wenngleich Wolff immer noch Spielraum sieht. "Es sind wieder die gleichen Rahmenbedingungen für alle. Man weiß, was die Regeln sind und was man entwickeln kann. An dieser Stelle sei gesagt: Wenn man immer wieder von einem eingefroren Motor spricht - das ist Unsinn. Der Motor ist nicht eingefroren. 92 Prozent sind freier Entwicklungsumfang", stellt Wolff klar.

An der Motorenfrage erhitzen sich die Gemüter, Foto: Mercedes-Benz
An der Motorenfrage erhitzen sich die Gemüter, Foto: Mercedes-Benz

Das Problem sei ein anderes: "Viele glauben, dass sie zu spät sind. Am 28. Februar wird der Motor homologiert. Damit muss man dann das ganze Jahr fahren. Deshalb sagen Ferrari und Renault; sie würden gerne einen zweiten Entwicklungsschritt im Juli bringen. Das ist natürlich ein Wahnsinnsaufwand. Aber es haben sich ja ein paar schlaue Leute überlegt, warum der Motor am 28. Februar homologiert wird. Man testet den Motor im Auto, homologiert erst dann und fährt zum ersten Rennen."

"Wenn man das mitten in der Saison macht, dann muss man einen Motor homologieren, der vorher nie gelaufen ist - außer vielleicht auf dem Prüfstand. Testen darf man ja nicht. Und für uns hat es noch den Nachteil, dass wir den Motor auch unseren Kunden zeitgleich zur Verfügung stellen müssten. Das ist für uns finanziell nicht sinnvoll", poltert Wolff.