Die erste Saison unter dem neuen Motorenreglement ist Geschichte. Das Jahr stand ganz im Zeichen der Mercedes-Power-Units, während sich die Aggregate aus den Häusern Renault und Ferrari nur als bedingt konkurrenzfähig erwiesen. Red Bull verfolgt den Plan, 2016 erneut ein neues Regelwerk einzuführen, das den Einsatz eines Bi-Turbos vorsieht. Dieser soll einerseits lauter als die aktuellen V6-Motoren sein, durch die Verwendung einheitlicher Bauteile gleichzeitig aber billiger werden.

"Man könnte beispielsweise den ganzen Verbrennungsmotor nehmen und einen zweiten Turbo draufsetzen", erklärte Red Bulls Motorsport-Berater Dr. Helmut Marko im Interview mit Motorsport-Magazin.com. "Man kommt deutlich unter zehn Millionen und die Entwicklungskosten gibt es einmal, haben aber bei weitem nicht jenes Maße, als wenn das Reglement mit den bestehenden Power Units 2016 frei wird. Dann gibt es eine Kostenexplosion."

Die Red-Bull-Piloten sahen Mercedes zumeist nur von hinten, Foto: Sutton
Die Red-Bull-Piloten sahen Mercedes zumeist nur von hinten, Foto: Sutton

Sport wichtiger als ein Hersteller

Im Mercedes-Lager hält man von derlei Überlegungen naturgemäß wenig, schließlich bestünde die Gefahr, den hart erarbeiteten Entwicklungsvorsprung wieder einzubüßen. Seitens der Silberpfeile war sogar zu vernehmen, man könnte der Formel 1 den Rücken kehren, sollte das Reglement tatsächlich neugestaltet werden.

Red-Bull-Teamchef Christian Horner sind diese Drohungen aus Stuttgart jedoch egal. "Wenn wir es so lassen, wie es ist, wird man vermutlich Renault und ein oder zwei andere vertreiben", verteidigte der Brite den Vorschlag. "Man muss eher tun, was für den Sport richtig ist, als für einen einzelnen Hersteller."

Für Horner steht fest, dass die Formel 1 wieder einfacher werden muss, nachdem der Grad an Komplexität mit der Einführung der Power Units deutlich zunahm. "Wir können es uns nicht leisten, 2016 nicht richtig hinzubekommen", warnte er. "Wir müssen das ganze Beiwerk loswerden und den Fahrer wieder das Auto fahren lassen."

Die Formel 1 steht einmal mehr am Scheideweg, Foto: Sutton
Die Formel 1 steht einmal mehr am Scheideweg, Foto: Sutton

Keine Materialschlacht

Horner schwebt ein Standard-ERS vor, das die zahlreichen finanziell angeschlagenen Teams entlasten würde. "Wir haben die Wahl: Entweder sagen wir, wir geben für 2016 alles frei und geben für eine offene Entwicklung so viel Geld aus, wie man will", verdeutlichte er. Das würde den Herstellern jedoch vermutlich nicht gefallen und könnte sie zum Ausstieg bewegen, so der Brite.

"Oder wir sagen, wir versuchen die Kosten im Rahmen zu halten, probieren aber trotzdem, den Wettbewerb zu bewahren, achten damit aber mehr auf die Kundenteams", zeigte Horner die andere Option auf. "Das erscheint mir der deutlich logischere Weg. Natürlich würde es nicht jedem gefallen, aber insgesamt wäre es besser für den Sport."

Die Idee des Bi-Turbos wurde von FIA-Präsident Jean Todt beim jüngsten Meeting der Strategy Group in Genf zwar abgelehnt, wovon sich Red Bull allerdings nicht entmutigen lassen will. "Wir haben Zeit bis Februar", verwies Marko auf die gesetzten Fristen und unterstrich noch einmal: "Wir wollen eine andere Lösung."

Wolff kontert Horner: Kein Hersteller wird vertrieben

Update: Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff sieht die Angelegenheit erwartungsgemäß weit weniger drastisch. Ganz im Gegenteil ist sich der Österreicher sicher, dass auch Renault und Ferrari hinter der aktuellen Entwicklung stünden - und einem Verbleib bei der aktuellen Turbo-Power-Unit somit nichts im Weg:

Toto Wolff schießt gegen Christian Horner zurück, Foto: Sutton
Toto Wolff schießt gegen Christian Horner zurück, Foto: Sutton

"Die Kommentare (von Christian Horner) sind natürlich interessant, aber ich denke, die Geschichte wurde etwas auf den Kopf gestellt. Wir waren uns vor Einführung des neuen Technischen Reglements allesamt einig, dass die Formel 1 eine lange anhaltende Stabilität braucht. Da war sicher nicht von zwei Jahren die Rede", schildert Wollf seine Sicht der Dinge.

Auch Honda habe sich als Neueinsteiger für 2015 ja bereits lange und intensiv mit dem aktuellen Reglement auseinandergesetzt. Eine erneute Änderung nach einem Jahr käme daher auch für die Japaner eher ungelegen: "Alle Hersteller sind einer Meinung, das kann ich Ihnen versichern", erklärte Wolff gegenüber Autosport. "Ich denke, Herr Horner redet eher aus Sicht von Red Bull denn aus Sicht von Renault. Renault und Ferrari wollen lediglich das Einfrieren während der Saison abschaffen - von neuen Motoren war nie die Rede."

Horner fürchtet noch größere Mercedes-Dominanz

Nach der komplett von Mercedes dominierten Saison 2014 hofft die Konkurrenz, die Lücke durch Weiterentwicklungen an der Power Unit im Winter zumindest nicht noch größer werden zu lassen. Geht es nach Horner, sollte jedoch selbst dieses Vorhaben ein schwieriges Unterfangen werden - von einem Aufschließen zum Klassenprimus einmal ganz zu schweigen.

"Wir schreiben die kommende Saison keinesfalls bereits ab, sind uns aber der Schwierigkeit der Aufgabe absolut bewusst", offenbarte der Brite besorgt. So müsste sich Renault - und auch Ferrari - mächtig strecken, um innerhalb des erlaubten Entwicklungslimits erst einmal die Lücke auf den aktuellen Mercedes-Antrieb zu schließen.

"Die Dominanz Mercedes' ist wirklich eklatant, und das Probem ist, dass ja auch sie im Winter weiterentwickeln. Es könnte also gut sein, dass die Lücke gar noch größer wird", mutmaßt Horner. Dann schickt er mahnende Worte hinterher: "Wenn man den Zahlen, die bereits kursieren, Glauben schenken darf, sieht es für uns und die anderen Verfolger wirklich düster aus."