1. - Wie kam es zur aktuellen Krisen-Situation?

Die Formel 1 steckt in einer handfesten Krise. Vor dem US Grand Prix in Austin überschlugen sich die Ereignisse. Am 21. Oktober meldete mit Caterham Sports Limited (CSL) die Zulieferfirma des Caterham-Teams Insolvenz an. Ein öffentlicher Streit zwischen Insolvenzverwaltern und Teambesitzer Tony Fernandes entflammte, die Angelegenheit verkam zur Farce. Mitarbeiter des F1-Teams standen in der Teamfabrik in Leafield vor verschlossenen Türen. Am Ende sollen logistische Probleme dazu geführt haben, dass Caterham das Rennen in Austin, Texas ausließ.

Im gleichen Zuge wie Caterham wurde auch die Insolvenz von Marussia offenkundig. Schon am 7. Oktober soll das Team die Insolvenz gegenüber dem Obersten Gerichtshof in London angekündigt haben. Bernie Ecclestone erklärte am 25. Oktober, dass Marussia ebenfalls nicht in Austin starten werde. Zwei Tage später eröffnete das Team ein Insolvenzverfahren und wird seitdem von FRP Advisory LLP verwaltet. Beim US Grand Prix, dem drittletzten Rennen der Saison, gingen lediglich 18 Autos an den Start - so wenige Teilnehmer hatte es zuletzt 2005 in Monaco gegeben.

Kehrt Marussia noch einmal in die Formel 1 zurück?, Foto: Sutton
Kehrt Marussia noch einmal in die Formel 1 zurück?, Foto: Sutton

2. - Kehren Caterham und Marussia noch mal zurück?

Unklar. Einige Paddock-Insider vermuten, dass die beiden Teams frühestens 2015 wieder an den Start gehen - wenn überhaupt. Allerdings gab es auch Meldungen, dass Marussia bereit ist für die Rückkehr zum Finale in Abu Dhabi. Die Autos seien bereit für den Transport, Flugtickets für die Teammitglieder bereits gebucht. Angeblich soll die Einschreibegebühr für 2015 - rund eine halbe Million Euro - entrichtet worden sein. Die Geldquelle bleibt offen.

Um Caterham war es in den letzten Tagen etwas ruhiger. Es soll einige Kaufinteressenten geben, der Start in Abu Dhabi erscheint möglich. Der Plan der Insolvenzverwalter von Smith & Williamson sieht zudem vor, die Teilnahme an der Saison 2015 zu sichern.

Bei Caterham geht ebenfalls der Pleitegeier um, Foto: Sutton
Bei Caterham geht ebenfalls der Pleitegeier um, Foto: Sutton

3. - Steckt die Formel 1 selbst in der Krise?

Die ganz kleinen Teams sind weg, die kleineren in der finanziellen Schieflage - aber was ist mit dem Produkt Formel 1? Hier scheint die Krise noch nicht angekommen zu sein, der Rechteinhaber CVC erwirtschaftet weiter Profit mit der automobilen Königsklasse. "Ich denke, dass das Formel-1-Modell an sich nicht in der Krise steckt", meinte zuletzt McLarens Renndirektor Eric Boullier.

Ähnlich sah es auch Gerhard Berger, der am Dienstag der Nachrichtenagentur APA sagte: "CVC hat sicher keine Krise und verdient immer noch ordentlich Geld. Wenn aber nur noch Ferrari gegen Mercedes oder Red Bull fährt, wäre das keine interessante Meisterschaft. Aus meiner Sicht gehören alle Teams zur Show." Und genau hier steckt das aktuelle Problem: Neben Caterham und Marussia gibt es noch weitere Teams, die in finanziellen Schwierigkeiten stecken. Sollte sich bei Sauber, Lotus und Force India keine Besserung einstellen, droht der Formel 1 - und damit auch CVC - langfristig ein Debakel.

Full House beim US Grand Prix in Austin, Foto: Sutton
Full House beim US Grand Prix in Austin, Foto: Sutton

4. - Nach den Insolvenzen - worum geht es jetzt?

Marussia und Caterham sind erst einmal weg - doch damit ging es erst richtig los. Die kleineren F1-Teams um Sauber, Lotus und Force India sehen aktuell eine gute Gelegenheit, auf die Missstände innerhalb der Formel 1 aufmerksam zu machen - notfalls auch mit einem Boykott. Die Teamvertreter der drei Mannschaften machten ihren Unmut über die derzeitige Situation öffentlich.

Niemand sprach direkt von einem Boykott, doch hinter den Kulissen brannte es. Die Teams, allen voran Lotus-Besitzer Gerard Lopez, forderten umgehend Gespräche über die weitere Zukunft. Klare Ansage: Bernie Ecclestone und CVC müssen schnell eine Lösung finden, damit die kleineren Teams künftig finanziell besser aufgestellt sind. Lopez: "Ich denke, dass es einen Weg gibt, um das in den kommenden Tagen zu lösen. Vielleicht bekommen wir noch vor Brasilien einen Vorschlag. In diesem Fall sehe ich keinen Grund, etwas Drastisches zu unternehmen, das dem Sport schaden würde."

Die Teamchefs hatten in Austin viel zu besprechen, Foto: Sutton
Die Teamchefs hatten in Austin viel zu besprechen, Foto: Sutton

5. - Drohten die Teams wirklich mit einem Boykott?

Zumindest gab es seitens Lotus, Sauber und Force India keine öffentlichen Androhungen eines Boykotts - weder für das vergangene Rennen in Austin noch für die beiden ausstehenden Grands Prix in Brasilien und Abu Dhabi. Laut dem meist gut informierten Eddie Jordan sei es Donald MacKenzie, Co-Gründer von CVC, gewesen, der einen möglichen Boykott in den USA abwenden konnte. MacKenzie habe mit Lotus-Besitzer Gerard Lopez telefoniert und ihm versprochen, eine schnelle Lösung zu suchen.

Angeblich hatten die kleineren Teams in Austin bereits eine Pressekonferenz vorbereitet, um ihren Boykott zu verkünden. Aktuell glauben nur die wenigsten Insider, dass die drei Teams am kommenden Wochenende in Interlagos streiken könnten. Als möglicher erscheint das Saisonfinale in Abu Dhabi - aus logistischen Gründen und auch wegen der größeren Resonanz.

Vieles hängt allerdings davon ab, mit welcher Lösung Ecclestone respektive CVC aufwartet. Laut britischen Medien sollen Lotus, Sauber und Force India 100 Millionen Pfund (127 Millionen Euro) erhalten, um den Betrieb fortsetzen zu können. Lotus-Chef Lopez hatte schon im Vorfeld von einer einmaligen Zahlung gesprochen, mit der sich die Teams zufrieden geben könnten.

Drohten die Teams wirklich mit einem Boykott?, Foto: Sutton
Drohten die Teams wirklich mit einem Boykott?, Foto: Sutton

6. - Was wollen die kleinen Teams genau?

Ein größeres Stück vom Kuchen. Die Big Player der Formel 1, also Ferrari, Red Bull und McLaren, erhalten den Großteil aus dem Topf der Fernseh- und Antrittsgelder. Ein Unding für den Rest des Feldes, der sich oftmals gerade so über Wasser halten kann - oder eben nicht, wie Caterham und Marussia bewiesen haben. Aus Sorge um die eigene Zukunft fordern Sauber, Lotus und Force India jetzt einen größeren Anteil.

"Wir fragen nicht nach einer Lösung, bei der Träume wahr werden und wir uns ein schönes Leben machen können", so Sauber-Chefin Monisha Kaltenborn. "Wir sagen nur, dass man hier mit den Einnahmen, die der Sport selbst erzielt, ein ordentliches Leben haben sollte. Dass es nicht jeden Monat und jedes Jahr Schwierigkeiten gibt." Die Frage ist nun, woher das Geld kommen soll: Sollen die großen Teams einen Teil ihrer Einnahmen abtreten oder muss der Rechteinhaber mehr Geld fließen lassen?

Als möglich erscheint die erste Lösung, dazu Gelder aus dem Einnahmentopf. Bernie Ecclestone hatte zumindest angekündigt, seinen Teil beitragen zu wollen. 100 Millionen Pfund stehen im Raum, aber: Würde diese Summe nur an die drei Teams fließen oder auch an Marussia und Caterham? Hier liegt noch einiges im Argen. Lotus-Mann Lopez nahm in dieser Sache auch die großen Teams in die Verantwortung: "Es fordert nur ein wenig guten Willen. Bei der Gesamtsumme, von der wir sprechen, geht es nicht um die Hälfte, ein Drittel, oder so etwas." Aufgeteilt auf mehrere Teams, sei die abzutretende Summe durchaus überschaubar.

Sauber hofft auf finanzielle Hilfe, Foto: Sutton
Sauber hofft auf finanzielle Hilfe, Foto: Sutton

7. - Was sagen die großen Teams?

Die Kleinen wollen ein größeres Stück vom Kuchen - die Großen hingegen eine fettere Torte. In dieser Hinsicht sind sich Red Bull, McLaren und Ferrari einig: Es gibt keinen Grund, den kleinen Teams etwas von den eigenen Einnahmen abzugeben. Von Ecclestones Spontan-Einfall in Austin, die Gelder neu zu verteilen ("Gebt mir einen Stift und Papier"), waren sie wenig begeistert. "Es ist unheimlich nett von Bernie, so etwas vorzuschlagen", spottete etwa Christian Horner und gab den Spielball umgehend zurück: "Jedes Team hat seinen Deal mit dem Rechtehalter ausgehandelt. Angesichts dieses Problems muss man ihn nach der Verteilung der Gelder fragen."

Red Bulls Teamchef weiter: "Wir haben riesigen Druck beim Budget und ich muss innerhalb unseres Budgets arbeiten. Wenn der Rechteinhaber den kleineren Teams mehr Geld geben möchte, dann ist das seine Sache und seine Verantwortlichkeit. Die Teams sind wegen des Wettbewerbs hier und nicht, um sich gegenseitig zu sponsern." Unterstützung gab es von Ferrari-Teamchef Marco Mattiaci: "Ferrari fokussiert sich darauf, den Kuchen größer zu machen statt die Art und Weise zu verändern wie die Stücke aufgeteilt werden. Wir dürfen jetzt nicht überreagieren."

Die aktuelle Situation brachte unter anderem Eddie Jordan auf die Palme, selbst früher Teamchef einer ewig klammen Truppe. "Es macht mich absolut krank, wie es aktuell in der Formel 1 läuft", wetterte EJ gegenüber Reuters. "Was ist mit der Formel 1 passiert, dass sie nicht auf sich selbst aufpassen kann? Wie konnte es in unserem Sport soweit kommen, dass es zwei Teams nicht bis zum Ende der Saison schaffen, wenn ihnen schon Preisgelder oder was auch immer zugesichert waren? Es wäre sicherlich möglich gewesen, ihnen ein bisschen zu helfen."

Die großen Teams wollen nicht teilen, Foto: Sutton
Die großen Teams wollen nicht teilen, Foto: Sutton

8. - Was sagt Bernie Ecclestone zur Krise?

So hatte man Bernie Ecclestone selten erlebt. In Austin äußerte sich der 84-Jährige ungewohnt offen zur Krisen-Situation. Sogar eigene Fehler räumte er ein. "Das Problem ist, dass zu viel Geld wahrscheinlich schlecht verteilt wird - wahrscheinlich ist das meine Schuld", so Bernie. "Es ist bei vielen Verträgen so, dass sie zu der Zeit, in der sie gemacht werden, gut erscheinen." Vielleicht solle man gewisse aktuelle Verträge einfach zerreißen und neu starten. Klingt erst einmal simpel, doch niemand weiß besser als Bernie, dass die Sache nicht so einfach zu beheben ist.

Einige Experten sahen in Ecclestones öffentlichem Bekenntnis einen Kuschelkurs mit den drei kleineren Teams, um sie ein wenig zu besänftigen. Allerdings merkte er wieder einmal an, dass die Teams besser mit ihren Budgets wirtschaften müssten. Frei nach dem Motto: Man sollte nur das ausgeben, was man auch hat.

Dass das in der Formel 1 mit laufenden Kosten kaum möglich ist, dürfte allerdings auch Ecclestone wissen. Dennoch sagte er: "Sie müssen sich anschauen, wie sie ihr Feld bestellen. Wenn du angestellt bist und deiner Frau sagst wie viel du verdienst, weiß sie, wie viel sie maximal ausgeben kann."