"Ich bin nicht der Typ, der sich große Ziele steckt. Im Motorsport gibt es keine Wunder, man muss fokussiert bleiben und immer hart an sich arbeiten", sagte Daniil Kvyat noch im Mai in Barcelona im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. Kein Wunder? Nun ja! Nur ein Jahr vor unserem Interview mit dem jungen Russen stand noch in den Sternen, ob Kvyat für die laufende Saison überhaupt ein Cockpit in der Formel 1 ergattert.

Seit einer Woche steht fest: Kvyat bekommt schon bald mehr als ein normales Cockpit. 2015 startet er für das Noch-Weltmeisterteam Red Bull, ersetzt Vierfach-Champion Sebastian Vettel. Aber der Reihe nach.

Karriere mit Turbo-Push

Kvyat räumte den GP3-Titel ab, Foto: Sutton
Kvyat räumte den GP3-Titel ab, Foto: Sutton

Um den Turboaufstieg des Daniil Kvyat zu verstehen, lohnt ein Blick in den Rückspiegel. Eines zieht sich durch seine gesamte, noch kurze Karriere: Kvyat ist ein Arbeiter. "Ich wollte es um jeden Preis, hatte Vertrauen in mich. Dass ich die GP3-Meisterschaft gewonnen habe, war sicherlich ein entscheidender Punkt", erklärte Kvyat uns in Barcelona, warum Red Bulls Jugendkoordinator Helmut Marko ihn Felix da Costa vorzog und im Ausbildungsteam Toro Rosso unterbrachte.

"Als ich den Vertrag unterschrieben habe, hat mir Dr. Marko deutlich klargemacht, wie viel Arbeit noch auf mich wartet", erinnerte sich Kvyat, der sich die Red-Bull-Doktrin voll eingeimpft hat: "Es wird von einem nicht erwartet, dass man sofort ein erfolgreicher Rennfahrer ist. Aber es ist wird erwartet, dass man alles tut, was nötig ist, um ein erfolgreicher Fahrer zu werden."

Dass er genau das in seinem Debütjahr bei Toro Rosso perfekt umgesetzt hat, bestätigt eine ganze Phalanx an Experten. Egal, wen man fragt - Kvyat gilt heißer Kandidat für kommende Weltmeistertitel. "Ich bin kein großer F3-Follower und kriege immer nur die Highlights mit. Aber der ist mir in der Formel 3 schon aufgefallen. Der ist sau gut, ist im ersten Jahr sofort on it. Er hat einen unglaublich klaren Kopf, ist nicht überfordert, weiß was er macht, ist sau schnell und ist auch nie zufrieden", sagt Christian Danner zu Motorsport-Magazin.com.

Kvyat tankt Selbstvertrauen

Kvyat überzeugte in der Formel 3, Foto: FIA F3
Kvyat überzeugte in der Formel 3, Foto: FIA F3

Gerhard Berger teile seine Einschätzung: "Ich habe auch mit Gerhard Berger darüber gesprochen und wir sind beide der Meinung, dass er eine tolle Zukunft hat. Der ist natürlich noch nicht in so einer Liga wie Bottas oder Hülkenberg, aber das ist ein absoluter Top-Mann. Du brauchst aber das Glück, dass du irgendwann in ein Topteam reinpurzelst. Dann ist das schon Einer, der gewinnt. Hundertprozentig", prophezeit Christian Danner im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com.

Fährt Kvyat bald als Erster ins Ziel?, Foto: Sutton
Fährt Kvyat bald als Erster ins Ziel?, Foto: Sutton

Genau dieser Purzelbaum ist dem Russen nun gelungen. Doch reicht das tatsächlich, um schon in naher Zukunft zu Siegen? Kvyat wiegelt in Sochi ab: "Bis dahin ist mit großer Wahrscheinlichkeit noch ein gutes Stück Weg zu gehen. Gewinnen habe ich jetzt noch nicht auf dem Radar." Dennoch definiert Kvyat sein Ziel eindeutig: "Kein Russe hat jemals ein Formel-1-Rennen gewonnen - aber ich könnte Derjenige, welcher sein!", sagt Kvyat, frisch vollgetankt mit Selbstvertrauen. "Red Bull ist eine fantastische Gelegenheit!"

Angst vor Vettels riesigen Fußstapfen? Kennt Kvyat nicht, witzelt er ganz cool weg: "Ha! Meine Füße wachsen jeden Tag! Ich gebe immer mein absolut Bestes!", verspricht Kvyat.

Auch die Konkurrenz zollt dem Russen Respekt, insbesondere nach dessen bärenstarker Qualifikation beim Heimrennen in Sochi: "Noch ein Wort zu Daniil Kvyat: Er hat eine großartige Leistung gezeigt, um sich bei seinem Heimrennen als Fünfter zu qualifizieren", sagt Mercedes' Teamchef Toto Wolff.

Warum Ricciardo der ideale Teamkollege ist

Doch vor allem der eigene Ziehvater setzt hundertprozentiges Vertrauen in Kvyat: "Wir haben mit Daniil einen vielversprechenden Mann. Wir gehen da kein Risiko ein. Wenn er das Auto zweimal rauswirft, na gut. Die Zeit geben wir ihm. Es ist besser einen jungen, aufstrebenden Fahrer zu haben, als einen Star in seinen letzten Jahren zu nehmen", sagt Helmut Marko. Zudem habe man mit Daniel Ricciardo einen Piloten, der ein Team führen könne.

Best buddies: Kvyat und Ricciardo, Foto: Red Bull
Best buddies: Kvyat und Ricciardo, Foto: Red Bull

Umso besser, dass ausgerechnet Ricciardo der Fahrer ist, mit dem Kvyat besonders gut auskommt. "Ich würde sagen, dass ich von allen wohl Daniel am besten kenne. Wenn ich einen Rat bräuchte, dann würde ich ihn vermutlich fragen", verriet Kvyat im Interview mit Motorsport-Magazin.com.

Also nochmal: Ein Wunder? Auf keinen Fall! Das beweisen die Einschätzungen der Experten eindeutig. Kvyat liegt mit seiner Einschätzung in unserem Barcelona-Interview also doch absolut richtig. "Du musst dein eigenes Glück erzwingen, deine eigenen Chancen - und das habe ich immer getan. In meiner ganzen Karriere", untermauert Kvyat daheim in Sochi erneut, dass einzig Qualität sich durchsetzt.