Manchmal bedeutet eine Zehntelsekunde die Welt in der Formel 1. Am Red Bull Ring in Österreich waren es genau 0,163 Sekunden. So viel Rückstand hatte Sebastian Vettel in der zweiten Runde des Qualifyings auf seinen Teamkollegen Daniel Ricciardo. Während der junge Australier als Neunter gerade so ins Q3 rutschte, war für Vettel vorzeitig Feierabend. Zum dritten Mal in dieser Saison erreichte der Weltmeister nicht die Runde der letzten Zehn. Zum sechsten Mal war Ricciardo im Qualifying schneller als er.

Der dauergrinsende Aussie-Boy kauft seinem Teamkollegen immer mehr den Schneid ab. Eine Situation, die Vettel - immer Platzhirsch bei Red Bull - alles andere als schmeckt. Dabei ist es nicht so, dass Ricciardo wesentlich bessere Arbeit leistet. Es sind die Kleinigkeiten, die den Unterschied machen. Und wenn es drauf ankommt, hat Ricciardo die Nase vorn. "Daniel war in Kurve 5 und am ganzen Wochenende schon in Kurve 2 schneller", stellte Vettel nach dem Qualifying fest. Bei einem Kurs mit nur neun Ecken schon eine Hausnummer.

Sebastian Vettel kämpft noch mit dem Kurven am Red Bull Ring, Foto: Sutton
Sebastian Vettel kämpft noch mit dem Kurven am Red Bull Ring, Foto: Sutton

Warum ist Ricciardo schneller als Vettel?

Gerade in den schnellen Kurven hatte Ricciardo den Red Bull-Boliden besser im Griff - der Vorteil reichte, um Vettel wieder einmal im Qualifying auszustechen. "Im zweiten Sektor habe ich ihm gegenüber ein bisschen gewonnen", so Ricciardo. "Eine halbe Zehntel hier, eine halbe Zehntel da. Es gab aber nicht diese eine Kurve, in der ich viel mehr Zeit gut gemacht hätte als Seb. Ich würde auch nicht sagen, dass es da einen konstanten Trend gibt, wer in welchen Kurven besser zurecht kommt."

Ricciardo tut viel dafür, sich nicht in die Ecke der neuen Nummer 1 bei Red Bull drängen zu lassen - auch wenn in den vergangenen Wochen einige Fragen darauf abzielten. Die Zahlen sprechen aktuell für den Nachfolger von Mark Webber, der gegen Vettel kein Land sah. Ricciardo fuhr in Kanada den ersten Saisonsieg für Red Bull ein und hat in der Gesamtwertung 19 Punkte Vorsprung auf Vettel. Ein Zustand, mit dem vor der Saison wohl kaum jemand gerechnet hatte.

Vettel auf der Suche nach den fehlenden Zehntelsekunden, Foto: Sutton
Vettel auf der Suche nach den fehlenden Zehntelsekunden, Foto: Sutton

Ricciardo: Vettel hat keine Probleme

Ricciardo versuchte zu beschwichtigen: "Er ist vierfacher Weltmeister und es ist nicht so, dass er Probleme mit dem Auto hätte. Ich denke, dass er sich inzwischen ans Auto gewöhnt hat. Natürlich versuchen wir beide immer mehr zu finden und anscheinend habe ich öfter ein bisschen mehr gefunden als er." Was hätte Ricciardo auch sonst auf die Frage antworten sollen, warum es bei ihm besser läuft als bei Vettel. Eine eigene Einschätzung hätte höchstens für schlechte Stimmung innerhalb des Teams gesorgt. Deshalb sagte er lediglich: "Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht."

Warum Ricciardo derzeit ein wenig mehr aus dem Auto herausquetscht, wusste Vettel selbst nicht. Immer wieder ließ er durchblicken, sich noch nicht zu 100 Prozent wohl zu fühlen. Zuletzt ließ er sich in Kanada sogar zu öffentlicher Kritik am Team hinreißen. Das Auto sei auf der Geraden eine Gurke, sagte er vor versammelter Presse. Dafür bekam er nicht wenig Gegenwind, frei nach dem Motto: 'Ricciardo hat mit der Gurke gewonnen...'

Daniel Ricciardo hat weiter gut lachen, Foto: Red Bull/GEPA
Daniel Ricciardo hat weiter gut lachen, Foto: Red Bull/GEPA

Vettel experimentiert

Vettel tut viel, um den Grund für die fehlenden Hundertstel zu finden. Immer wieder werden neue Setups ausprobiert, was natürlich den Arbeitsfluss an einem Rennwochenende hemmt. Anders geht es offenbar aber nicht. "Wir probieren noch viel aus, um das Gefühl fürs Auto zu verbessern. Vor allem mit den Bremsen, um es an den Kurveneingängen richtig hinzubekommen", sagte Vettel.

Und weiter: "Wir können aber nur mit dem arbeiten, was uns zur Verfügung steht. Wir sind auf dem richtigen Weg, aber es benötigt Zeit." Dass er überhaupt nicht mit dem neuen Turbo-Boliden klar komme, wollte er nicht so stehen lassen. Vettel: "Es ist nicht so, dass ich das Auto nicht fahren kann, weil ich das Gefühl noch nicht ganz mag."

Was läuft bei Sebastian Vettel schief?, Foto: Sutton
Was läuft bei Sebastian Vettel schief?, Foto: Sutton

Unbekümmertheit als Trumpf?

Vom Weltmeister wird natürlich erwartet, dass er die Dominanz der vergangenen Jahre fortsetzt. Dass er nun mit einem völlig neuen Auto konfrontiert ist, wird dabei gern einmal übersehen. "Es ist fair zu sagen, dass er sich in den letzten Jahren mit seinem Auto sehr, sehr wohl fühlte", sagte Ricciardo vorsichtig. "Vielleicht hat er das Fahren mit höherer Downforce bevorzugt. Aber ich weiß es nicht..."

Unterdessen hatte Helmut Marko zumindest einen Anhaltspunkt - wenn auch vielleicht nicht ganz ernst gemeint - warum Ricciardo besser in die Saison gestartet ist. "Das ist scheinbar die Jugend, die kommen mit den schwierigen Autos besser zurecht", so Red Bulls Motorsportberater. "Kvyat kam bei Toro Rosso mit ähnlichen Problemen auch besser klar als Vergne. Die Unbekümmertheit der Jugend scheint hier zu nützen." Klar ist auf jeden Fall: Mit jeder teaminternen Niederlage wird der Druck auf Vettel nicht geringer.