Nach dem Qualifying zum Großen Preis von Kanada gab sich Lewis Hamilton als fairer Verlierer - ganz im Gegensatz zum Qualifying zum Monaco GP vor zwei Wochen. "Nico war einfach besser", gestand Hamilton. Dabei war es der Brite, der alle Trainingssitzungen knapp vor seinem Teamkollegen beendete. Bis zum zweiten Qualifikationssegment sah es so aus, als hätte Rosberg keine Chance im teaminternen Duell.

Doch dann drehte der WM-Führende den Spies um. "Ich hatte eine gute Pace, aber konnte sie am Ende nicht umsetzen", so Hamilton, der vor allem im zweiten Sektor viel Zeit liegen lies. "Vor allem in den Kurven sechs und acht kam ich zu weit nach außen." Im ersten Versuch hätte Verkehr eine bessere Zeit verhindert. Paddy Lowe brachte es auf den Punkt - wie Rosberg: "Am Ende fügte Nico im Q3 seine Runden am besten zusammen."

Für Hamilton ist die zweite Quali-Niederlage in Folge aber kein Weltuntergang. "Es tut nicht weh. Im Rennen würde es weh tun, wenn ich nicht gewinne." Dabei reiste der Brite vor dem Wochenende noch als der große Favorit nach Montreal. Noch nie hatte er auf dem Circuit Gilles Villeneuve im Qualifying gegen einen Teamkollegen den Kürzeren gezogen. Dreimal startete er von Pole, genauso oft gewann er das Rennen auch.

Nico RosbergLewis Hamilton
Starts76
Beste Platzierung5 (2013)1 (2007, 2010, 2012)
Bester Startplatz4 (2013)1 (2007, 2008, 2010)
Punkte2160
Teamkollegen-Duell Qualifying6:16:0
Teamkollegen-Duell Rennen3:44:2

Bei Rosberg sieht die Statistik hingegen anders aus. Ein fünfter Platz aus dem Vorjahr war in Montreal das höchste der Gefühle. "Bis ich hierher kam, habe ich die Statistik noch nicht einmal gekannt", wiegelt der Pole-Setter ab. "Es ist für mich eine Strecke wie jede andere auch. Ich habe immer daran geglaubt, dass ich vorne stehen kann."

Zwar haben sich Rosberg und Hamilton nach den Vorkommnissen in Monaco ausgesprochen, das teaminterne Duell bleibt aber Thema Nummer eins im Fahrerlager. "Bei der Stimmung muss man mal sehen. Es ist immer schwer für einen Rennfahrer hinter seinem Teamkollegen Zweiter zu sein", gab Niki Lauda zu bedenken. Der Aufsichtsratsvorsitzende des Mercedes Formel 1 Teams wollte keine Prognose über den Ausgang am Sonntag geben, versprach ab: "Beide werden volle Pulle gegeneinander fahren!"

Rosberg hat Momentum auf seiner Seite

Nachdem Lewis Hamilton vier Rennen in Folge gewinnen konnte, scheint sich das Blatt in Monaco gewendet zu haben. Rosberg hat das Momentum auf seiner Seite. "Es ist nur dieses kleine bisschen Extra, das du hast, wenn du die Ergebnisse im Rücken hast. Ich bin hierhergekommen und wusste, dass ich das letzte Rennen gewonnen habe, das hilft einfach ein bisschen."

"Lewis hatte diese Siegesserie und es war wichtig, diese zu einem Ende zu bringen", so Rosberg kämpferisch. Der Ausschlag des Pendels in die andere Richtung ist auch Lauda nicht entgangen: "Im ersten Teil der Saison war es immer Lewis, der alles zusammengebracht hat, jetzt ist es Nico."

Wie intensiv das Duell zwischen den beiden Silberpfeil-Piloten ist, beschreibt Motorsportchef Toto Wolff: "Sie treiben sich gegenseitig an und haben sich während jedes Qualifying-Abschnitts die Ausdrucke ihrer jeweiligen Runden angesehen und die Daten verglichen, um jeden noch so kleinen Vorteil herauszuarbeiten."

Zweikampf - oder kommt Vettel?

"Es ist großartig zu erleben, wie beide Fahrer auf so einem hohen Level gegeneinander fahren", freut sich auch Paddy Lowe. Doch der Spaß hört auf, sobald Mercedes nicht mehr gewinnt. Unter normalen Umständen sollte das beim Kanada GP nicht passieren. Oder doch? Bei Mercedes ist man sich noch uneinig darüber.

Ist Vettel eine Gefahr?, Foto: Red Bull
Ist Vettel eine Gefahr?, Foto: Red Bull

"Ich glaube, dass wir bei der Rennpace momentan einen genügend großen Vorsprung haben", meint Nico Rosberg. "Ich rechne morgen mit einem Zweikampf zwischen uns beiden. Der Abstand zu den anderen Autos war im Qualifying doch recht groß, außerdem waren unsere Long Runs am Freitag recht stark."

"Es scheint so, als ob die anderen Teams uns morgen das Leben schwer machen könnten, uns steht also keineswegs ein einfaches Rennen bevor", meint hingegen Wolff. Auch Hamilton hat neben Rosberg noch einen anderen Deutschen auf der Rechnung. "Ich glaube nicht, dass es nur zwischen uns beiden ausgefahren wird. Im Qualifying war Sebastian [Vettel] nicht so nah, aber seine Renn-Pace war bei den letzten Rennen gut und ich denke, dass sie morgen wieder stark sein wird. Wir dürfen Sebastian und Red Bull nicht abschreiben."

Montreal ist nicht Monaco - oder doch?

Uneinig ist man sich auch bezüglich der Überholmöglichkeiten auf dem Circuit Gilles Villeneuve. Eigentlich ist die Strecke dafür bekannt, wie keine andere Überholmanöver zu ermöglichen. Dieser Meinung ist auch Niki Lauda. "Das ist ein Kurs, auf dem man leicht überholen kann. Mit DRS ist es, als würde der andere stehen."

Rosberg und Hamilton sehen das aber anders. "Das Überholen ist hier nicht einfach, besonders wenn man im gleichen Auto sitzt und unsere Pace so eng zusammenliegt", so Hamilton. Und Rosberg freute sich ob dieser vermeintlichen Tatsache umso mehr über seine Pole: "Das war sehr wichtig, weil es hier nicht viele Überholmöglichkeiten gibt, besonders wenn man im gleichen Auto fährt."

Am Start glaubt Hamilton jedenfalls nicht, schon die Führung übernehmen zu können. "Die Strategie ist die wahre Chance. Der Start ist zwar auch eine Möglichkeit, aber wir haben die gleichen Starts und er startet von der saubereren Seite."