Die Saison ist noch jung, aber Du konntest schon einige Ausrufezeichen setzen und Empfehlungsschreiben abgeben. Wann werden wir dich endlich in einem Top-Team sehen?
Nico Hülkenberg: Hm, gute Frage. [lacht] Ich hoffe, dass sich das zeigen wird. Klar, ich bin in diesem Jahr schon einige gute Rennen gefahren und dann kommt schnell die Aussage, dass ich mich damit für andere Teams empfehlen würde - das war ja letztes Jahr gegen Saisonende bei Sauber auch schon so.

Aber ich bin erst in meinem vierten Formel-1-Jahr. Ich bin also noch relativ frisch dabei. Es hat immer den Anschein, als ob ich schon seit 15 Jahren mitfahren und nicht weiter kommen würde. So ist es ja nicht. Deshalb muss man das immer ein bisschen relativieren. Ich kann nur eins machen: Mich durch Leistung empfehlen. Wenn ich gute Arbeit leiste, kommt eines Tages auch die Chance für mich.

Bislang bist du immer haarscharf am Podest vorbeigeschrammt. Ist es in dieser Saison endlich soweit, dass du auf dem Treppchen stehen darfst? Hat Force India im Verlauf der Saison das Potential dazu?
Nico Hülkenberg: Ich weiß es nicht, aber wir haben in Bahrain gezeigt, dass wir es schaffen können. Dort habe ich es leider persönlich verpasst, weil ich mir im Qualifying einen kleinen Fehler geleistet habe. Dadurch war es am Sonntag im Rennen sehr schwierig. Ob wir in diesem Jahr noch einmal die Möglichkeit erhalten, weiß ich nicht - das steht noch in den Sternen. Ich hoffe es aber natürlich.

Nico Hülkenberg hätte nie gedacht, vor Vettel zu liegen, Foto: Sutton
Nico Hülkenberg hätte nie gedacht, vor Vettel zu liegen, Foto: Sutton

Durch das neue Reglement ist die Formel 1 mehr denn je zu einem Entwicklungsrennen geworden. Wie lange könnt ihr mit den Spitzenteams mithalten und eure Position behaupten?
Nico Hülkenberg: Mercedes lag schon immer vor uns. Bei Red Bull und Ferrari war es ebenso: In den ersten vier Rennen war Fernando [Alonso] drei Mal vor mir, nur einmal haben wir ihn geschlagen. Somit waren auch sie die ganze Zeit mehr oder weniger vor uns. Wir sind gut in die Saison gestartet und konnten die Großen einige Male ärgern. Jetzt denken viele, dass wir immer oben dabei sein müssen und die Top-Teams unsere Hauptgegner sind.

Ich sehe das ein bisschen anders: Wir müssen uns auf die anderen Mercedes-Kundenteams sowie auf Lotus und Sauber konzentrieren. Sie müssen wir schlagen. Mercedes, Red Bull und Ferrari werden vorne ihre eigene Meisterschaft ausfahren. Wenn wir ein gutes Wochenende haben und richtig stark sind, können wir sie vielleicht ärgern, aber auf lange Sicht gesehen war das in diesem Jahr nie der Fall.

Du hast immer betont, dass der Wechsel von Sauber zu Force India kein Rückschritt sei, aber hättest du selbst gedacht, dass du zum Europa-Auftakt in der Fahrerwertung vor Sebastian Vettel stehen würdest?
Nico Hülkenberg: [lacht] Nein, ganz bestimmt nicht. Das hat sicher niemand bei uns im Team erwartet. Von daher ist es eine sehr schöne Überraschung, die wir gerne so mitnehmen. Wir haben bei den ersten vier Rennen konstant gute Arbeit geleistet und jede Gelegenheit beim Schopf gepackt, um ein gutes Resultat mitzunehmen. Unser Auto hat immer gut funktioniert - auf vier verschiedenen Rennstrecken, bei unterschiedlichen Temperaturen und mit jeder Reifenmischung. So gesehen ist das sehr vielversprechend. Jetzt, wo wir vorne dabei sind, haben wir natürlich etwas Blut geleckt und wollen, dass es so weiter geht.

Vor Nico liegt die richtige Lektüre - das aktuelle Motorsport-Magazin..., Foto: Sutton
Vor Nico liegt die richtige Lektüre - das aktuelle Motorsport-Magazin..., Foto: Sutton

Was macht die Kombination Force India und Nico Hülkenberg so stark?
Nico Hülkenberg: Ich glaube, dass wir einfach gut zusammen harmonieren. Es ist eine gute Zusammenarbeit zwischen dem gesamten Team: den Ingenieure, Mechanikern und der Teamleitung - wir verstehen uns alle sehr gut und haben die gleichen Ziele. Wir haben Spaß an der Arbeit und es herrscht eine richtig gute Stimmung im Team.

War es ein Vorteil, dass du deinen Chefmechaniker und deine Crew noch von deiner ersten Zeit bei Force India gekannt hast? Ist dadurch die Eingewöhnungszeit verkürzt worden?
Nico Hülkenberg: Ja, auf jeden Fall. Das war ein riesiger Vorteil, wenn ich die Situation mit dem Vorjahr vergleiche, wo ich mich an komplett neue Leute bei Sauber gewöhnen musste... Hier kam ich in ein Team und eine Struktur zurück, die ich bereits kannte. Das ist ein Riesenunterschied, der sehr geholfen hat. Das ist zum Teil auch mitverantwortlich dafür, warum wir so gut in die Saison starten konnten.

Du wurdest schon einige Male mit Ferrari in Verbindung gebracht. Wie schnell hakt man das als Fahrer ab? Und wie lustig ist es, sie dann auf der Strecke hinter dir zu lassen?
Nico Hülkenberg: Abgehakt ist es relativ schnell. Das Leben geht weiter. Ich bin glücklich, wo ich im Moment bin. Wenn ich auf der Strecke einen Ferrari schlage oder gegen einen kämpfe, gibt es aber keine Hintergedanken oder Schadenfreude.

Wie schaffst du es, in diesem Formel-1-Zirkus nicht verrückt zu werden?
Nico Hülkenberg: So ein großer Zirkus ist es zum Glück nicht. Mit der Zeit kennt man sich im Fahrerlager aus und weiß auch, gewisse Dinge zu nehmen. Es ist wichtig, ein gutes Umfeld zu haben, in der Familie und im Freundeskreis. Es braucht eben Dinge, die einen auf dem Boden halten. Abseits der Rennstrecke führen Formel-1-Rennfahrer ein ganz normales Leben wie jeder andere Berufstätige auch.