Schon bei den ersten Testfahrten der Saison in Jerez de la Frontera kristallisierte sich heraus, dass es einen Hersteller gibt, der das neue Motorenreglement besonders gut umgesetzt hat - und einen, der es besonders schlecht umgesetzt hat. Spätestens in Bahrain war dann allen klar: Die Power Unit von Mercedes ist denen der Konkurrenz meilenweit voraus. Von Renault konnte man sich da noch kein richtiges Bild machen - schließlich kokelten die Aggregate aus Frankreich nur so vor sich hin - gefahren wurde nicht viel.

Die Kritik an Renault kam von allen Seiten. Auch nach den ersten Rennen riss sie nicht ab. Fuel-Flow-Gate, Ausfällen und langsamen Topspeed-Werten sei Dank. Doch wie schlecht ist die Renault Power Unit wirklich? Auch der Ferrari-Motor sorgte nicht gerade für Positiv-Schlagzeilen. Motorsport-Magazin.com nahm alle drei Aggregate vor dem großen Update-Festival in Barcelona unter die Lupe.

Renault hinkt überall hinterher

Am einfachsten ist natürlich der Blick auf das Punktekonto. Mit allen Teams kommt Renault da auf 65 Zähler, Ferrari hingegen nur auf 52. Allerdings beliefert Renault vier Teams mit Power Units, Ferrari-Power haben hingegen nur drei Teams im Heck. Mit Marussia und Caterham belifern beide Motorenhersteller ein Hinterbänkler-Team, mit Red Bull und Ferrari ist die Power aber auch in potentiellen Top-Fahrzeugen.

Sauber kann wohl wie Toro Rosso als Mittelfeld-Team angesehen werden, bei Lotus ist sich niemand so wirklich sicher, wie diese Mannschaft 2014 eingeordnet werden soll. Insgesamt lassen sich die Kunden aber durchaus vergleichen. Die Renault-Teams kommen nach vier Rennen durchschnittlich auf 16,25 Zähler. Die Ferrari-Teams haben in dieser Wertung gut einen Punkt mehr auf dem Konto.

Bei der beeindruckenden Zahl von durchschnittlich 71,75 Punkten pro Team muss bei Mercedes allerdings berücksichtig werden, dass das Aggregat aus Brackley bei keinem Hinterbänkler-Team zum Einsatz kommt. Dennoch: Der Wert ist beeindruckend und spricht Bände.

Wer hat am meisten Power?

Bei der Leistung stochert man bei der Formel 1 immer etwas im Dunkeln. Niemand legt PS-Zahlen offen. Wegen der unterschiedlichen aerodynamischen Herangehensweisen und verschiedener Getriebeabstufungen müssen Topspeed-Werte auch mit allergrößter Vorsicht genossen werden - einen Indiz geben sich dennoch.

Hier hat - wenig überraschend - Mercedes die Nase vorne. Dabei wurden die Höchstgeschwindigkeitswerte aller Teams der bisherigen Qualifying-Sessions zu Rate gezogen. Nur der jeweils bessere Pilot eines Teams wurde berücksichtigt.

Durchschnittlich fehlen den Renault-Teams rund acht Stundenkilometer auf die Mercedes-Teams. Fahrzeugen mit Ferrari-Power im Heck fehlen knapp sechs Stundenkilometer. Hier ist jedoch besondere Vorsicht geboten: Die Höchstgeschwindigkeit der Red Bulls ist nicht erst seit diesem Jahr schlecht - hier handelt es sich um die bereits angesprochene Aerodynamik-Philosophie.

Auf der langen Geraden in Shanghai verhungerten die Red Bulls regelrecht, Foto: Red Bull
Auf der langen Geraden in Shanghai verhungerten die Red Bulls regelrecht, Foto: Red Bull

Aus der Statistik geht deutlich hervor, dass Renault einen Schritt gemacht hat. In Australien fehlten noch mehr als zehn Stundenkilometer, bei den zwei anschließenden Rennen deutlich weniger. China fällt wegen der exorbitant langen Geraden etwas aus der Reihe.

Ebenfalls auffällig ist die Entwicklung bei Ferrari: Trotz der rund 1,3 Kilometer langen Geraden in Shanghai waren die Topspeed-Werte erstaunlich nah an jenen der Konkurrenz aus Brackley dran. Grund dafür könnte ein neues Benzin von Schmierstofflieferant Shell sein. Das vermutet auch die Konkurrenz. Vettel: "Ich glaube, sie haben ein besseres Benzin bekommen und haben auf der Geraden ungefähr sieben Stundenkilometer dadurch gewonnen."

Das sagt die Zuverlässigkeit

Vor der Saison waren sich alle einig: Es wird Ausfall-Orgien geben, die Zuverlässigkeit wird über Sieg oder Niederlage entscheiden. Gekommen ist es ganz anders: Technisch bedingte Ausfälle gibt es überraschend wenige. In vier Rennen konnte Motorsport-Magazin.com nur acht Ausfälle zählen, die zweifellos auf die Antriebseinheiten zurückzuführend waren. Für ein neues Reglement ein beeindruckender Wert.

Von acht Ausfällen hatte Renault fünf zu beklagen, Ferrari zwei, Mercedes gerade einmal einen. Pro Team ergibt sich daraus ein Wert von 0,25 Defekten in vier Rennen bei Mercedes. Bei Ferrari sind es 0,67, bei Renault 1,25. Allerdings geht der Trend bei Renault klar in eine Richtung: Bei den letzten zwei Rennen blieb kein Renault-betriebenes Auto mehr wegen eines Defekts an der Power Unit liegen.

AustralienMalaysiaBahrainChinaGesamtPro Team
Mercedes100010,25
Ferrari010120,67
Renault320051,25

Nur die Defekte zu zählen, wäre aber etwas ungenau. Auch die zurückgelegten Kilometer müssen berücksichtigt werden. Die Mercedes-befeuerten Teams legten über die vier bisherigen Rennwochenenden im Schnitt 5423 Kilometer zurück, bei Renault und Ferrari sind es deutlich weniger. Mit 4971 Kilometer bei den Italienern und 4928 bei den Franzosen bewegen sie sich untereinander jedoch in ähnlichen Regionen.

Fazit: Klar, die Power Unit von Mercedes ist bislang das Maß der Dinge. Doch wie sieht es dahinter aus? Bislang ist Ferrari da ein kleines Stück vor Renault, der Abstand ist aber bei weitem nicht so groß, wie er vor der Saison von vielen erwartet wurde. Und der Trend bei Renault zeigt klar nach oben - während es bei Ferrari bislang ein Auf und Ab ist. Und: Die Ferrari-Einheit gilt als die schwerste der drei. Ein Faktor, der bei dem niedrigen Mindestgewicht nicht vernachlässigt werden darf.