Red Bull sucht den Superstar. Schon länger als Dieter Bohlen. Sebastian Vettel hat den Durchbruch geschafft, viele seiner Vorgänger und Nachfolger sind gescheitert. Klien, Liuzzi, Speed, Buemi, Alguersuari - die Liste der Versager ist lang. Daniel Ricciardo möchte sich nicht darin einreihen. Der Australier hat gerade gut die Hälfte seiner ersten vollen Formel-1-Saison mit Toro Rosso im Jahr 2012 hinter sich. Ihm gegenüber sitzen am Hockenheimring in einer nahezu leeren Red Bull Energy Station zwei Motorsport-Magazin.com Redakteure. Ihr Ziel ist rasch umrissen: herauszufinden, wie dieser junge Australier mit dem entwaffnenden Lächeln tickt und ob er tatsächlich der nächste Red Bull Superstar werden könnte?

"Oh, sagen wir so, ich wäre es gerne", verrät Ricciardo offen und ehrlich. Dann der entscheidende Moment: "Wie sieht dein nächster Karriereschritt aus", wollen wir von ihm wissen. "2013 wieder Toro Rosso und 2014 dann vielleicht Red Bull?"

"Boaah", entfährt es Ricciardo auf die unerwartete Konfrontation mit der Frage. Im Kopf des Australiers glühen die Synapsen. Jetzt bloß nichts Falsches sagen - weder zu optimistisch wirken, noch zu geringe Ansprüche kommunizieren. Journalisten können manchmal so fies sein - obwohl die Motorsport-Magazin.com-Redakteurin die Frage so süß und mit einem entzückenden, langgezogenen "Vielleeiiiicht???" am Ende stellt. So lange Ricciardo sich seine Antwort zurechtlegt, lacht er, um dann clever mit einem breiten Grinsen hinzuzufügen: "Das ist noch ein sehr langer Weg bis dahin."

Am Ende des Weges

Grund zur Freude: Ricciardo ist Vettels neuer Teamkollege, Foto: Red Bull
Grund zur Freude: Ricciardo ist Vettels neuer Teamkollege, Foto: Red Bull

Zeitsprung. 2013. Wieder Deutschland, diesmal aber Nürburgring statt Hockenheim. Hatschi! Ricciardo kommen fast die Tränen, als er versucht, sein Rennen in Worte zu fassen. Hatschi! Immer wieder unterbricht er seine Erklärung unter einer neuen Niesattacke. Hatschi!! Motorsport-Magazin.com bietet dem Australier ein Taschentuch an. "Dieser verdammte Heuschnupfen!", sagt er dankend.

Weder das hartnäckige Niesen noch die verlorene Gelegenheit auf WM-Punkte von Startplatz sechs können die Stimmung des Australiers an diesem sonnigen Nachmittag in der Eifel vermiesen. Ricciardo ist der typische australische Sonnyboy. Mit seinen kurzen Hosen und dem breiten Grinsen wirkt er in jeder Situation entspannt und freundlich. Er hat stets ein Lächeln auf den Lippen, Zeit für ein kurzes Gespräch und kommt auch als einer der 22 schnellsten Rennfahrer der Welt immer sympathisch rüber.

Er selbst sieht diese Einstellung als typisch australisch an. "Wir sind ehrliche Menschen, sagen meistens, was wir denken", erklärt er im Interview mit Motorsport-Magazin.com. "Es macht in meinen Augen keinen Sinn, mich anders zu geben, als ich tatsächlich bin. In so einer Rolle würde ich mich nicht wohl fühlen. So lange es nichts Kontroverses ist, sage ich zu 99,9% auch das, was ich denke. Die Leute sollen mich kennen, wie ich bin."

Wo andere Formel-1-Piloten sich gerne einmal zu gut dafür sind, anderthalb Minuten ihrer kostbaren Zeit für eine Aussage zu ihrem Qualifying oder Rennen zu investieren, steht der angehende Red-Bull-Racing-Fahrer ohne Diskussionen Rede und Antwort - selbst wenn ihn der fiese Heuschnupfen plagt. Dafür erhält er von uns auch gerne das eine oder andere Taschentuch geschenkt.

Ein neuer Weg beginnt

Aber was zeichnet diesen 24-jährigen Australier aus Perth eigentlich aus? Ein sympathisches Auftreten ist die eine Sache, aber der Speed im Cockpit muss trotzdem stimmen. Das ist bei Ricciardo der Fall. Bereits bei seinem ersten Formel-1-Test im Dezember 2009 in Jerez beeindruckte er am Steuer eines RB5. Platz 4 am ersten Tag, Platz 3 am zweiten Tag und Bestzeit am letzten Testtag.

So ging es weiter: Zweiter F1-Test bei den Young Driver Tests in Abu Dhabi 2010, die nächsten beiden Bestzeiten im Weltmeisterauto. Die Diskussionen um das zweite Red-Bull-Cockpit für 2014 schienen ihn noch einmal mehr zu beflügeln. Ricciardo war seit der Rücktritts-Ankündigung von Webber so gefragt wie noch nie. Die Journalisten stapelten sich quasi bei seinen Presserunden.

Im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com: Ricciardo hat stets ein Lächeln auf den Lippen, Foto: Sutton
Im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com: Ricciardo hat stets ein Lächeln auf den Lippen, Foto: Sutton

Einfach war sein Weg in die Königsklasse nicht. Ricciardo ist der 17. Formel-1-Fahrer aus Down Under, nur drei davon haben auch Grands Prix gewonnen, zwei wurden Weltmeister. Nicht jeder junge Aussie ist eben dafür geschaffen, den Sprung nach Europa zu wagen - ohne Familie und Freunde, ganz auf sich allein gestellt. "Das ist der Knackpunkt, an dem viele Talente zerbrechen", weiß Ricciardo. Ohne die nötige Disziplin und Training statt Partys geht die Karriere schnell den Bach hinunter. Ricciardo ließ sich nicht in Versuchung führen, blieb stark und sagte sich: "Ich liebe das Rennfahren und am Ende war es für mich keine schwierige Entscheidung, mich zwischen Partys und Racing zu entscheiden."

Das bedeute jedoch nicht, dass man als Fahrer keinen Spaß haben könne, man habe ihn vielleicht nur etwas später, betont er. Möglicherweise nachdem er den besten Ratschlag seiner bisherigen Formel-1-Karriere befolgt hat. Die Motorsport-Magazin.com Redakteure wollen wissen, wie dieser denn lautete? Ricciardo überlegt kurz, setzt ein schelmisches Grinsen auf und antwortet: "Werde Weltmeister und trete dann zurück." Als Red-Bull-Pilot könnte sich schon bald die Gelegenheit zu beidem ergeben.