Sebastian Vettel hat es geschafft: Mit einem furiosen Sieg am Nürburgring besiegte der Heppenheimer den Heim-Fluch und fuhr gleichzeitig eines seiner besten Rennen. 60 Runden lang musste er sich zunächst dem Druck Romain Grosjeans, später Kimi Räikkönens erwehren. Genau darin lag laut Helmut Marko auch die Krux: "Wir waren uns nicht sicher, welche Taktik Lotus fährt, wir waren in einer Poker-Situation: Ein Red Bull gegen zwei Lotus." Lotus machte es dem Weltmeisterteam nicht leicht, indem sie die Strategie der beiden splitteten.

Schon direkt nach dem Rennen hielt Adrian Newey gegenüber Motorsport-Magazin.com fest: "Das wichtigste war, dass wir Grosjean gecovert haben, nachdem er an die Box kam. Kimi blieb hingegen draußen und musste an den Mercedes und McLaren vorbei." Dass es letztendlich zum knappen Sieg reichte, führt Marko auf eine fehlerfreie Darbietung von allen Beteiligen zurück. "Wir haben alles richtig gemacht, es war eine fantastische Leistung von Vettel, der sich keinen Schnitzer erlaubt hat und in jeder Phase optimal unterwegs war."

Besonders süß schmeckte der Erfolg, weil vor dem Wochenende einige Faktoren gegen das Weltmeistergespann sprachen. "Der Ausfall in Silverstone, als wir locker in Führung lagen, hat sehr geschmerzt - es war das erste Mal seit Monza 2012. Wir hatten dann schon einen großen Druck, dass in der Heimat dann was geht", so Marko im österreichischen TV. Auch die Streckencharakteristik schien eher der silbernen Konkurrenz zu liegen. "Wir dachten zuerst, es wäre eine Mercedes-Strecke, sahen aber im Training, dass da etwas geht."

Auf dem Auto keine Liebesbeziehung: Mercedes und Pirelli, Foto: Sutton
Auf dem Auto keine Liebesbeziehung: Mercedes und Pirelli, Foto: Sutton

Dass während des Rennens auch noch Vettels Zusatzschub in Form von KERS ausfiel, half natürlich nicht dabei, die Lotus in Schach zu halten. Denn es fehlte nicht nur Leistung, auch das Fahrverhalten des RB9 hat sich dadurch geändert, wie Motorsportberater Marko erklärt. "Als KERS ausgefallen ist, mussten wir alles ändern, also auch die Bremskraft und die Kurventechnik." Grund für den Ausfall war eine Überhitzung des Systems, "wir mussten es daher ausschalten, damit es abkühlt. Am Ende des Rennens hat es aber wieder funktioniert", so Newey.

Die verlorene Zeit auf der Rennstrecke hatte zur Folge, dass der Dreifachweltmeister bis zur letzten Runde pushen musste. Dabei kam dem Deutschen der überarbeitete Pirelli-Reifen besonders entgegen, wie Marko verrät. "Er ist nicht reifenschonend gefahren, aber die Reifen haben das verkraftet und sie haben - wie man es erwartet - linear abgebaut." Der Österreicher findet für Pirelli erstmals in dieser Saison lobende Worte, kann sich aber einen Seitenhieb Richtung Mercedes nicht verkneifen. "Außer Mercedes hatte niemand Reifenprobleme. Wir konnten Rennfahren, was in der Vergangenheit nicht der Fall war, weil sie so stark abgebaut haben."

Dass es mit den Reifen überhaupt so weit kommen konnte wie zuletzt in Silverstone, führt Marko auf die Strategie der FIA zurück. "Die Vorgabe zuvor lautete, ein Reifen zu bauen, auf dem Red Bull sein Potenzial nicht ausspielen kann, sonst fahren wir vorne weg. Die Aussage von Pirelli lautete: Mit ganz harten Reifen gewinnen wir jedes Rennen." Deshalb kam Red Bull die Reifen-Eskalation in Silverstone nicht ganz unrecht. "Sicher ist es etwas aus dem Ruder gelaufen, Gott sei Dank ist nichts passiert. Nach Silverstone haben FIA, Teams und Pirelli reagiert und das Resultat war ein Reifen, der seine Funktion erfüllt hat." Allerdings ist ungewiss, wie lange Markos Freude darüber noch anhalten wird, schließlich gibt es beim Großen Preis von Ungarn wieder neue Pneus - erneute Diskussionen sind programmiert.