Kaum ein anderer Grand Prix verlangt Mensch und Maschine mehr ab als der der Große Preis von Malaysia. Hohe Temperaturen, extreme Luftfeuchtigkeit, häufiger Regen, lange Geraden, rauer Asphalt und schnelle Kurven lauten die Zutaten für das herausforderndste Rennen des Jahres. Nur wer alle Faktoren auf den Punkt zusammenbringt, kann in Sepang gewinnen. Zum 15. Mal seit 1999 wird am kommenden Wochenende der Große Preis auf der Malaiischen Halbinsel ausgetragen, Rekordsieger sind Michael Schumacher und Fernando Alonso, die sich jeweils drei Mal zum Sieger krönen konnten.

Gewohntes Bild: Regen in Sepang, Foto: Sutton
Gewohntes Bild: Regen in Sepang, Foto: Sutton

Schon beim Auftaktrennen in Australien spielten die Reifen die zentrale Rolle. Obwohl Pirelli die beiden härtesten Mischungen mit nach Südostasien bringt, droht das Rennen am Sonntag eine Reifenschlacht par excellence zu werden. Der italienische Reifenausrüster rechnet mit Kerntemperaturen von bis zu 130 Grad Celsius. Viele extrem schnelle Kurvenpassagen führen zu den zweithöchsten Seitenkräften der gesamten Saison - nach Barcelona. Bei den Vorsaisontests auf dem Circuit de Catalunya zeigte sich die neue Reifengeneration bei Longruns desaströs, allerdings waren die Temperaturen deutlich niedriger, was eine ungleichmäßige Erhitzung der Reifen zur Folge hatte und zu entsprechend starkem Graining führte.

Doch den weiß und orange markierten Pneus droht noch eine weitere Herausforderung. Die 2007 neu aufgetragene Asphaltdecke ist besonders rau und lässt das schwarze Gold sehr stark verschleißen. Zwar baut sich das Gripniveau auf dem Sepang International Circuit durchaus schnell auf, fast tägliche - und sehr heftige - Regenschauer schwemmen den Gummi allerdings wieder von der Strecke, weshalb sich das Gripniveau über Nacht wieder ändern kann und die Piloten eine erneut 'grüne' Piste vorfinden können.

Martyrium für Mensch und Maschine

Nicht nur die auftretenden Seitenführungskräfte auf die Reifen sind enorm, auch die Verzögerungen auf dem 5,543 Kilometer langen Kurs sind nicht zu vernachlässigen. An zwei Stellen werden die Bremsen besonders gefordert: Nach der Start/Ziel-Gerade verzögern die Piloten ihre Boliden von etwa 310 auf 90 Stundenkilometer herunter, auf die letzte Kurve vor Start/Ziel steuern sie mit ähnlicher Geschwindigkeit zu, müssen allerdings nur auf 115 km/h abbremsen. Mit 150 Kilogramm müssen sich Sebastian Vettel und Co. gegen das Bremspedal stemmen, mehr als das Fünffache der Erdbeschleunigung drückt Kopf und Helm Richtung Lenkrad.

Die Hitze macht den Motoren zu schaffen, Foto: Sutton
Die Hitze macht den Motoren zu schaffen, Foto: Sutton

Großartige Probleme mit der Bremsanlage erwarten die Techniker allerdings nicht, die Gerade zwischen den beiden extremen Bremspunkten ist entsprechend lang und die Kohlefaserbremsscheiben können ausreichend gekühlt werden. Problematischer ist das Rennen hingegen aus Motorensicht. Auf den langen Geraden müssen die V8-Aggregate Höchstleistung erbringen und gleichzeitig Außentemperaturen von bis zu 40 Grad aushalten.

Aus Fahrersicht sind hohe Querbeschleunigungskräfte besonders fordernd. In den schnellen Kurvenpassagen müssen die Piloten gegen hohe G-Kräfte ankämpfen. Nicht selten haben sie gegen Rennende mit der Nackenmuskulatur zu kämpfen, doch der Fitnessstandard in der Königsklasse wird immer höher. Auch eine regelmäßige Flüssigkeitszufuhr während des Grand Prix ist wichtig, wie Fernando Alonso aus eigener Erfahrung weiß.

Die Versorgung mit elektrolythaltigem Getränk ließ den Spanier während eines Malaysia GPs im Stich, woraufhin der Ferrari-Pilot im Parc ferme beinahe kollabierte. Die extrem hohe Luftfeuchtigkeit, die selten weniger als 80 Prozent beträgt, sorgt für übermäßiges Schwitzen, im Cockpit herrschen Temperaturen von über 70 Grad. Ein ausgeglichener Wasserhaushalt und hervorragende körperliche Fitness sind die Erfolgsgeheimnisse auf menschlicher Ebene.

Obwohl die Strecke nahe der Malaiischen Hauptstadt Kuala Lumpur die Piloten körperlich bis an ihre Grenzen treibt, ist sie im Fahrerkollegium beliebt wie kaum eine andere. "Sepang ist eine meiner Lieblingsstrecken im Formel-1-Rennkalender. Der Streckenverlauf ist eine gute Mischung aus langsamen und schnellen Kurven - er bietet von allem etwas", erklärt Nico Rosberg seine Affinität zum Glutofen Sepang. Teamkollege Lewis Hamilton haben es besonders die schnelleren Kurvenpassagen angetan: "Mein Lieblingsstreckenabschnitt sind die Kurven fünf und sechs."

Von Regen- und Renngöttern

Geradezu regelmäßig kommt das Wasser nicht nur aus den Poren der Piloten, sondern auch vom Himmel. In Südostasien so typische monsunartige Regenfälle, welche die Strecke binnen weniger Sekunden überfluten können, gehören dazu wie das Amen zur Kirche. Besonders in Erinnerung bleibt hier wohl das Rennen aus dem Jahr 2001 als nahezu alle Fahrzeuge von der Strecke gespült wurden. 2009 musste der Grand Prix sogar abgebrochen werden - am Ende gab es nur halbe Punkte und große Verwirrung bei der Wertung der zweit- und drittplatzierten Nick Heidfeld und Timo Glock.

Da sich die Wetterverhältnisse so schnell verändern, sind genaue Prognosen sehr schwierig, auch wenn es nahezu als gesichert angenommen werden kann, dass der Himmel einmal täglich seine Schleusen öffnet. Aus Sepang wird dann schnell 'See-Pang'. Auch Fernando Alonso ist sich der großen Unsicherheit der Wetterverhältnisse bewusst. "Um ehrlich zu sein, habe ich kein Vertrauen in die Wettervorhersagen. Malaysia ist der einzige Ort, wo Sonnenschein und Regen sich innerhalb von fünf Minuten abwechseln können, deshalb müssen die Leute an der Boxenmauer ihre Augen offen halten."

Der Sepang International Circuit gilt als erster richtiger Gradmesser der Saison. Nachdem der Albert Park als Stadtkurs nicht gerade repräsentativ für das Kräfteverhältnis ist, erwarten Experten nach dem Malaysia GP erste realistische Einschätzungen. Die vielen schnellen Kurven decken aerodynamische Schwächen der Boliden gnadenlos auf, ein perfekt ausbalanciertes Fahrzeug ist der Schlüssel zum Erfolg. "Der Kurs ist technisch sehr anspruchsvoll, weil er auch zwei lange Geraden hat, wo eine hohe aerodynamische Effizienz gefragt ist. Zudem gibt es auch einige langsame Kurven", meint Tom McCullough, Leitender Ingenieur an der Strecke bei Sauber.

Für ausreichend Rennaction sollen in diesem Jahr zwei DRS-Zonen sorgen. Die Piloten dürfen auf der Gegengeraden und auf Start/Ziel ihre Heckflügel flachstellen. Im vergangenen Jahr gab es mit der Start- und Zielgeraden nur eine DRS-Zone.