Gemessen an den reinen Resultaten, verlief das Rennen für Mercedes eher enttäuschend. Lewis Hamilton nahm den Großen Preis von Australien vom dritten Platz auf, Nico Rosberg startete von P6. Am Ende überquerte Hamilton in seinem ersten Rennen für die Silberpfeile die Ziellinie als Fünfter, Rosberg fiel wegen eines elektrischen Problems an der Batterie aus. Doch es hätte auch alles ganz anders laufen und Mercedes seinem Ruf gerecht werden können, zu den Spitzen-Teams zu zählen. Die Mannschaft um Ross Brawn war mit der siegbringenden Strategie von zwei Boxenstopps pro Fahrer ins Rennen gegangen - siehe Kimi Räikkönen - und zunächst sah es äußerst viel versprechend für das Duo Hamilton/Rosberg aus.

Der Brite verlor nach dem Start zwar einen Platz, blieb aber einiges länger als die Konkurrenz auf den superweichen Reifen draußen. Erst in Runde 13 ließ er die Mediums aufziehen, Rosberg blieb sogar noch eine Runde länger draußen. Sebastian Vettel (Runde 6), Fernando Alonso (Runde 9) und Kimi Räikkönen (Runde 9) waren schon weitaus früher in die Boxengasse abgebogen und somit führten die beiden Silberpfeile zeitweise das Feld an. Im Rennen war früh klar, dass es Brawn auf eine Zwei-Stopp-Taktik abgesehen hatte - genau der richtige Plan, wie sich herausstellen sollte. Eine Strategie, die für viele andere Teams gar nicht erst erfolgsversprechend möglich war.

"Wir hatten uns auf zwei Stopps eingerichtet und unsere Pace entsprechend eingeteilt, um die Reifen zu schonen", bestätigte der Teamchef. Rosberg fiel aus, aber sein Teamkollege lag weiter gut im Rennen. Während die Konkurrenz zwischen der 20. und 23. Runde den zweiten Boxenstopp einlegte, blieb Hamilton bis zur 31. Runde draußen - drei Runden weniger als der quasi unbesiegbare Räikkönen und ziemlich genau in dem Fenster, das Pirelli vor dem Rennen als optimal bezeichnet hatte. Es lag also nicht an der falschen Taktik von Mercedes, wie viele erst glaubten, als das Team Hamilton in Runde 42 ziemlich überraschend zum dritten Reifenwechsel an die Box beorderte.

"Wir hatten keine falsche Strategie, nur nicht die richtige Pace", sagte Hamilton. Während der W04-Bolide auf den superweichen Reifen ordentlich mithalten konnte, fiel die Pace nach dem Wechsel auf die Medium-Mischung etwas ab. Die Folge: Hamilton musste sich mit aller Kraft gegen Alonso und Adrian Sutil verteidigen. Jedes dieser Manöver verschleißte die Reifen stetig mehr und zu einem bestimmten Zeitpunkt blieb Hamilton nichts mehr übrig als einen ungeplanten, dritten Stopp zu absolvieren. "Als ich mit Alonso kämpfte, zog ich mir einen Reifenplatten zu", erklärte Hamilton. "Deshalb musste ich früher als geplant an die Box." Da Red Bull und Ferrari schon vor Rennbeginn auf drei Stopps setzten, war Hamilton im letzten Stint natürlich im Nachteil.

Duelle kosteten Hamilton Reifen und Zeit, Foto: Sutton
Duelle kosteten Hamilton Reifen und Zeit, Foto: Sutton

Der Mercedes hinterließ also einen durchaus konkurrenzfähigen Eindruck. Nur die Zuverlässigkeit stimmte bei Rosbergs Auto nicht und Hamilton kämpfte noch ein wenig mit der Balance des Silberpfeils. 'Plan B', also der dritte Stopp, ließ Hamilton schlechter abschneiden als es möglich gewesen wäre. "Generell hat mir Mercedes sehr gut gefallen", sagte auch Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner. "Die Basis ist deutlich besser als letztes Jahr. Nur die Zuverlässigkeit ist nicht gut."

Toto Wolff ist überzeugt, dass Mercedes in der Lage ist, das Auto weiterzuentwickeln. "Die Truppe ist gut und versteht jetzt schon, was man anders hätte machen müssen", so der neue Rennleiter. "Aber nachher ist man immer schlauer." Mercedes hatte in Melbourne gute Voraussetzungen für ein starkes Resultat: Die kühlen Temperaturen - etwa bei den Tests in Barcelona, als die Mannschaft auftrumpfen konnte - sind vorteilhaft für den Silberpfeil, der sich eher bei heißen Bedingungen schwer tut. In Malaysia könnte es wieder schwieriger werden, da weitaus höhere Temperaturen erwartet werden.

Bei Mercedes gilt es nun, das kompromittiert gesammelte Wissen bestmöglich umzusetzen, damit die Trendkurve beim zweiten Rennen des Jahres weiter nach oben zeigt. "Wir müssen herausfinden, wo wir noch Zeit liegen lassen", forderte Hamilton. "Hier lief es schon viel besser als erwartet und ich habe das Gefühl, dass wir mit den anderen mithalten können. In den nächsten Rennen kommen weitere Verbesserungen und wenn wir in Malaysia die Reifen richtig ans Arbeiten bekommen, ist ein besseres Resultat drin." Ein paar Tage bleiben Mercedes allerdings nur Zeit für die Analyse. Wolff macht ohnehin kein Geheimnis daraus, dass das Team dem Reifen-Geheimnis wohl nie zu 100 Prozent auf die Schliche kommen wird: "Am Ende des Tages wirst du es nie verstehen. Du kannst nur versuchen, so viel wie möglich zu verstehen. Man muss alles filtern und dann schauen: Was wissen wir, was wissen wir nicht."