Trotz dreier WM-Titel klebte Sebastian Vettel oftmals eine unschöne Plakette an: Der Red-Bull-Pilot sei nicht in der Lage, im Rennen zu überholen und zeige eigentlich nur von der Pole Position aus starke Leistungen. In den vergangenen Grands Prix bewies Vettel eindrucksvoll, dass er sich durchaus durchs Feld kämpfen kann: In Abu Dhabi brachte er es auf insgesamt 19 Überholmanöver und beim Saisonfinale in Brasilien passierte er 16 Kontrahenten auf der Strecke; macht zusammen 35 erfolgreiche Überholvorgänge über zwei Renndistanzen.

Vettel war angesichts der Kritik nicht frustriert, nutzte aber die Gelegenheit, einmal seine Sicht der Dinge zu erläutern. "Man muss sich zurückerinnern", sagte der 25-Jährige. "Immer war man der Fahrer, der nicht in der Lage war, zu überholen und zwei Rennen später ändern die Leute ihre Meinung. In Zukunft denken sie vielleicht wieder anders." Vettel versuchte, sich nicht von äußeren Einflüssen ablenken zu lassen. "Bei mir herrscht kein Frust, denn am Ende kommt alles aufs Gleiche heraus: Egal, ob man von vorn startet oder sich durchs Feld kämpft - man gibt immer sein Bestes."

Vettel war klar, dass es für die Allgemeinheit wesentlich spannender ist, wenn sich ein Pilot kämpfend nach vorn fährt, statt den Lauf souverän von der Pole zu gewinnen. "Aber viele Leute verstehen nicht, was es bedeutet, eine, acht oder zwölf Sekunden Vorsprung herauszufahren", meinte er. "Es ist wichtiger, sich selbst etwas zu beweisen als darauf zu achten, was die Leute sagen oder schreiben." Dass Vettel in den einzelnen Rennen weniger überholt als andere, ist einem simplen Umstand geschuldet, wie es der Heppenheimer auf den Punkt brachte: "Wenn vor einem kein Auto fährt, das man überholen kann, wie soll man das dann anstellen?"

Vor allem in der vergangenen Saison musste Vettel nur selten Überholmanöver durchführen - 15 Pole Positions an 19 Rennwochenenden machten es möglich. Selbst für diese einzigartige Leistung erntete Vettel Kritik, denn laut einer Stammtisch-Meinung sei es schließlich kein Problem, mit dem schnellsten Auto vorn weg zu fahren. "Es macht mir nichts aus, wenn die Leute auf unser vergangenes Jahr schauen und sagen, dass es einfach war", blieb Vettel gelassen. "Denn das war es nicht, auch wenn die Resultate manchmal etwas anderes sagten."

In der abgelaufenen Saison bestand die Schwierigkeit auf dem Weg zum Titel in der Tatsache, dass das Feld deutlich enger beisammen lag. Auch kleinere Teams, wie Sauber und Williams, hatten Ausreißer nach oben und klauten den vermeintlichen Favoriten viele Punkte. "Statt nur Zweiter, Dritter oder Vierter zu werden wie in der vergangenen Saison, war man schnell auch mal Achter", stellte Vettel fest. "Jeder einzelne Punkt zählte und man musste auch mal von hinten starten und andere überholen - das war 2011 nicht so häufig der Fall", sagte Vettel.