1. Was passierte am Start?

Der Auftakt in den Japan Grand Prix verlief äußerst turbulent und forderte mit Fernando Alonso ein höchst prominentes Opfer. Bei der Anfahrt auf die erste Kurve drängte der Spanier Kimi Räikkönen leicht von der Strecke, wodurch es zu einer Berührung kam und der Finne den Hinterreifen des Ferrari-Piloten aufschlitzte, der damit nach Spa zum zweiten Mal in der ersten Kurve ausschied und wichtige Punkte im Titelkampf verlor. "Wenn man in der Mitte fährt mit vielen anderen Autos drum herum, dann besteht immer ein Risiko", meinte Alonso, der Räikkönen jedoch keinen Vorwurf machen wollte. "Ich bin Kimi nicht böse, das war ein normaler Rennunfall", betonte der Spanier.

Fernando Alonso scheiterte in der ersten Kurve, Foto: Sutton
Fernando Alonso scheiterte in der ersten Kurve, Foto: Sutton

Doch nicht nur zwischen Alonso und Räikkönen kam es zu einer Berührung, auch Romain Grosjean war einmal mehr in der Anfangsphase eines Rennens in einen Unfall verwickelt. Der Franzose drehte Mark Webber, wodurch Nico Rosbergs Rennen beendet wurde und auch Bruno Senna sich die Frontpartie beschädigte. "Leider war auch bei mir Grosjean der Auslöser. Webber stand quer, weil er von Grosjean umgedreht wurde. Ich habe gebremst und hatte alles unter Kontrolle, hinter mir sah das aber jemand nicht und fuhr mir seitlich rein. Das war es dann", berichtete Rosberg, nachdem ihn Bruno Senna aus dem Rennen gerammt hatte.

"Er hat mir in Kurve zwei das ganze Wochenende kaputt gemacht. Wenn du da so reingehst, geht dir die gesamte Vorbereitung mit einem Mal flöten. Das ist jetzt schon öfter passiert. Er muss genau in den Spiegel schauen, denn außer ihm kann keiner etwas dagegen machen. Er muss das mit sich ausmachen", meinte ein sichtlich verärgerter Webber, der immerhin noch Neunter wurde. Grosjean erhielt eine Stop-and-Go-Strafe und gab den Grand Prix wenige Runden vor dem Ende auf.

2. Wie kam Felipe Massa auf den zweiten Platz?

714 Tage musste sich Felipe Massa gedulden, ehe er wieder einen Pokal in die Höhe stemmen durfte. Der Brasilianer erreichte in Suzuka den zweiten Platz und konnte damit Ferraris Frust nach Fernando Alonsos Ausfall zumindest ein wenig lindern. Massa war nur als Zehnter in den Grand Prix gegangen, konnte im Zuge der turbulenten Startphase jedoch einige Plätze gut machen und fand sich bereits in der ersten Runde auf der vierten Position wieder.

Felipe Massa beendete eine lange Durststrecke, Foto: Sutton
Felipe Massa beendete eine lange Durststrecke, Foto: Sutton

In weiterer Folge fuhr Massa schnellere Rundenzeiten als der Drittplatzierte Jenson Button und überholte ihn, als er in der zwölften Runde die Box ansteuerte. Zwei Umläufe später kam der Brasilianer auf dieser Art und Weise auch an Kamui Kobayashi vorbei und lag damit bereits auf dem zweiten Platz. Da er seinen ersten Boxenstopp bis zur 17. Runde hinauszögern konnte, blieb Massa auch nach dem Reifenwechsel vor Button und Kobayashi und legte damit die Grundlage für seinen zweiten Platz. Am Ende des Rennens wies er zwar über 20 Sekunden Rückstand auf Sieger Sebastian Vettel auf, konnte die Konkurrenz hinter sich jedoch problemlos in Schach halten.

3. Wie konnte sich Kamui Kobayashi vor Jenson Button halten?

Kamui Kobayashi rettete den ersten Podestplatz seiner Karriere mit nur etwa einer halben Sekunde Vorsprung vor McLaren-Pilot Jenson Button ins Ziel. "Ich bin heute sehr lange mit meinem dritten Reifensatz gefahren, und Jenson (Button) hatte etwas später gewechselt", erläuterte der Japaner. "Meine Hinterreifen waren zum Schluss wirklich hinüber, und ich hatte starkes Übersteuern. Aber ich durfte ja trotzdem nicht nachlassen und musste meinen Podestplatz verteidigen. Erst spät auf der letzten Rennrunde habe ich mir erlaubt zu glauben, dass ich Jenson nun wirklich hinter mir halten kann, denn da war die beste Überholmöglichkeit am Ende der Geraden vorbei."

An der Sauber-Box zitterte Sauber-CEO Monisha Kaltenborn mit ihrem Piloten, glaubte jedoch an einen guten Ausgang. "Wir kennen Kamui und wissen, dass er ein sehr starker Kämpfer ist, aber Jenson hat ein sehr gutes Auto. Er hat den Druck immer mehr aufgebaut. Es war eine absolute Kampfansage und dass Kamui diesem Druck standgehalten hat, finde ich eine ganz großartige Leistung", lobte sie ihren Schützling bei Motorsport-Magazin.com.

Giampaolo Dall'Ara, Leitender Ingenieur an der Rennstrecke bei Sauber, erklärte, dass der zweite Boxenstopp vorgezogen werden musste, weil die Reifen stark abbauten. "Wir mussten diesen Kompromiss eingehen, um einerseits nicht zu viel Zeit im mittleren Abschnitt zu verlieren und gleichzeitig keinen allzu langen letzten Stint zu haben", meinte er. "Das war nicht einfach für Kamui, der sowohl Jenson Button auf Distanz halten musste als auch seine Reifen nicht überfordern durfte. Die beiden letzten Runden waren dann etwas spannender als wir uns das gewünscht haben, aber am Schluss ging die Rechnung auf."

Auch vom Gegner gab es Respekt und Anerkennung. "Er hat einen guten Job gemacht, das Team hat toll gearbeitet. Sie haben unsere Stopps gecovert, was beim ersten Stopp vielleicht nicht ideal für sie lief. Beim zweiten haben sie das aber perfekt gemacht. Glückwunsch an Sauber und Kamui", erklärte Button, der sich nach hartem Kampf mit Rang vier begnügen musste.

4. Wie ist Kobayashis dritter Platz einzuordnen?

Aguri Suzuki, Takuma Sato und nun auch Kamui Kobayashi. Der Japaner schaffte es als erst dritter Vertreter des Landes der aufgehenden Sonne auf ein Formel-1-Podium und schrieb damit bei seinem Heimrennen Geschichte. Zwar lag Kobayashi bis zur ersten Serie der Boxenstopps sogar auf dem zweiten Rang, doch der Rückfall um eine Position tat der Freude keinen Abbruch. "Ich habe immer gedacht: Wenn man sich rückblickend als Formel-1-Fahrer betrachten will, muss man mindestens ein Mal auf dem Podium gestanden haben. Ohne dieses Bild ist es irgendwie, als wäre man nie dabei gewesen. Es bedeutet mir also viel", strahlte der 26-Jährige.

Japan konnte wieder einmal jubeln, Foto: Sutton
Japan konnte wieder einmal jubeln, Foto: Sutton

Nicht nur für Japan und Kobayashi, sondern auch für sein Sauber Team bedeutete der dritte Rang einen historischen Erfolg, denn noch nie schafften es in einer Saison zwei Piloten des schweizerischen Privatrennstalls auf das Podium - Sergio Perez gelang dieses Kunststück ja bereits drei Mal. Sauber rangiert damit in der Konstrukteurs-Wertung mit nur mehr 20 Punkten Rückstand auf Mercedes auf dem sechsten Platz. Dennoch hat der Japaner sein Cockpit für das kommende Jahr noch nicht sicher, auch wenn sich seine Lage durch das gute Ergebnis vermutlich verbessert hat. "Die Situation ist ganz einfach: Wir werden die Fahrer bekanntgeben, wenn die Zeit reif ist", erklärte ein Teamsprecher auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com.

5. Was war mit dem Getriebe von Jenson Button los?

Jenson Button musste bereits mit einem Handicap in den Japan GP gehen, weil sein Getriebe vor dem Rennwochenende ausgetauscht wurde. Die Mechaniker hatten ähnliche Symptome festgestellt wie an Lewis Hamiltons Getriebe, das den Ausfall in Singapur verursacht hatte. Nachdem Button aufgrund des Wechsels fünf Plätze weiter hinten starten musste, machte ihm auch das neue Getriebe das Leben schwer. Zwar stellte sich kein gravierender Defekt heraus, sondern lediglich ein Problem mit den Sensoren, doch Button klagte während des Rennens im Funk über Probleme.

"Es war wohl die Gang-Synchronisation, da funktionierte nach den Stopps etwas nicht. Es kam nach beiden Stopps vor. Beim Runterschalten ging es immer in den Leerlauf, was nicht so schön ist, da einem die Motorbremse fehlt. Auch beim Raufschalten gab es ein paar Fehler", berichtete er nach dem Rennen. Das Problem verschwand drei Runden nach den Stopps wieder, weshalb Button der Sache nicht allzu große Bedeutung beimessen wollte. Dass es zu dem Problem kam, führte McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh darauf zurück, dass die Sensoren an den Hinterrädern aufgrund der hohen Bremstemperaturen in Mitleidenschaft gezogen wurden. Auf der Strecke kühlten sie dann wieder ab und die Probleme verschwanden.

6. Wieso kam Michael Schumacher nicht in die Punkte?

Michael Schumacher kämpfte sich von Platz 23 kommend durch das halbe Feld, um schlussendlich als Elfter die Ziellinie zu überqueren. Damit legte der 43-Jährige bei seinem letzten Auftritt in Japan zwar eine beeindruckende Aufholjagd hin, doch diese wurde am Ende nicht mit einem Punkt belohnt. Diesen schnappte sich Daniel Ricciardo nach einem spannenden Duell um Platz zehn. Schumacher kämpfte nach eigenem Bekunden mit stumpfen Waffen, da dem Mercedes W03 der Top-Speed fehlte. "Ich war deutlich schneller als er, aber unser Speed war an den wichtigen Stellen nicht ausreichend", stellte Schumacher fest. "Mal hat er die Außenbahn frei gemacht und ich hing dann im Drehzahlbegrenzer dahinter und habe versucht vorbeizukommen", schilderte er.

Michael Schumacher blieb ohne Punkte, Foto: Sutton
Michael Schumacher blieb ohne Punkte, Foto: Sutton

Alle Mühen waren vergeblich, der Australier ließ sich nicht bezwingen. "Es war ein interessanter und schöner Kampf, den ich natürlich gerne mit Punkten belohnt hätte. Aber Daniel hat keinen Fehler gemacht, also haben die Jungs bei Toro Rosso den Punkt auch verdient", zeigte sich Schumacher als guter Verlierer. "Dieses Duell werde ich mir sicher in meinem Kalender notieren", scherzte wiederum Ricciardo. "Ich bin überglücklich, dass ich das Duell gegen Michael gewonnen habe. So ein Kampf ist immer hart, wenn man im schwächeren Auto sitzt, aber dank der guten Ratschläge seitens meiner Box, wie ich am besten KERS nutze, um meine Position in der DRS-Zone zu verteidigen, konnte ich Schumacher hinter mir halten."

7. Was bedeutet der Rennausgang für die Weltmeisterschaft?

Fernando Alonso zeichnete sich in der ersten Saisonhälfte durch beständige Ankünfte in den Punkterängen aus und verschaffte sich damit einen komfortablen Vorsprung auf die Konkurrenz. Zuletzt schied der Spanier aber zwei Mal bereits in der ersten Kurve aus und büßte sein Punktepolster damit ein - nicht zuletzt weil Sebastian Vettel den Weg auf die Siegerstraße fand und als erster Pilot in der laufenden Saison zwei Grands Prix in Serie gewann.

Bei fünf ausstehenden Rennen führt Alonso nun mit nur noch vier Zählern Vorsprung auf Vettel, während Kimi Räikkönen als Dritter bereits 37 Punkte Rückstand aufweist, sodass sich der Kampf um den Titel wohl zu einem Duell zuspitzen wird, das es auch vor zwei Jahren schon gab. Legt man die aktuelle Form zugrunde, scheint Red Bull gegenüber Ferrari einen Vorteil zu besitzen und nun endlich wieder jenen Speed gefunden zu haben, der das britisch-österreichische Team in den vergangenen Jahren beinahe unschlagbar machte.

Bereits beim nächsten Rennen in Südkorea könnte es zu einem Wechsel an der Spitze der Weltmeisterschaft kommen - Vettel würde dazu eine Wiederholung seines Sieges aus dem Vorjahr genügen. Doch auch der Heppenheimer war sich in der Stunde des großen Erfolgs bewusst, dass sich in der Formel 1 alles sehr schnell ändern kann und es sich aktuell um nicht mehr als eine Momentaufnahme handelt. "Man sieht, wie schnell sich das Blatt wenden kann. Vor drei Rennen haben wir daneben gestanden, als die anderen noch fuhren", warnte Vettel. "Man weiß eben nie, was kommt und muss sich immer auf das konzentrieren, was gerade ansteht."