Wie Lotus-Teamchef Eric Boullier in einem Interview mit der offiziellen Website der Formel 1 zugab, habe die Entscheidung, Kimi Räikkönen und Romain Grosjean als Fahrerduo zu verpflichten, etwas von einem Glücksspiel gehabt. "Ja, wir hatten Kopfschmerzen", gestand der Franzose. "Wir hatten intern eine sehr lange Diskussion, bei der wir die technische als auch die wirtschaftliche Seite des Teams sowie unsere Anteilseigner einbezogen, um die richtige Entscheidung zu treffen. Anschließend haben wir uns entschlossen, zu pokern." Kopfschmerzen habe ihnen vor allem bereitet, dass es nur sehr wenige Hinweise gegeben habe, wie sich die Sache entwickeln würde.

Grosjean war zur falschen Zeit am falschen Ort

Nachdem Lotus mit 84 Punkten auf Rang drei der Konstrukteurs-Wertung liegt und bereits drei Podiumsergebnisse einfahren konnte, zahlt sich das Risiko offenbar aus. Dass Grosjean bei seinem zweiten Anlauf in der Formel 1 deutlich erfolgreicher ist als im ersten, erklärte Boullier mit der Persönlichkeit des Schweizers mit französischer Rennlizenz. "Auf der einen Seite ist er sehr stark, auf der anderen aber auch sehr sensibel. Also muss man einen Weg finden, diese beiden Enden seiner Persönlichkeit auszubalancieren", erläuterte der Lotus-Teamchef.

Romain Grosjeans Einstand in der Formel 1 verlief nicht unbedingt vielversprechend, Foto: Sutton
Romain Grosjeans Einstand in der Formel 1 verlief nicht unbedingt vielversprechend, Foto: Sutton

"Das letzte Mal, als er in der Formel 1 gefahren ist, war er sehr jung, er war nicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort und hatte auch nicht die richtige Unterstützung", bezog sich Boullier auf Grosjeans Einsatz bei Renault als Ersatz für Nelson Piquet Jr. im Jahr 2009. Damals war Grosjean bei den letzten sieben Saisonrennen gestartet, ohne jedoch einen einzigen Punkt zu sammeln. Dieser Misserfolg habe ihm lange angehaftet. "Aber jetzt ist er zur rechten Zeit am rechten Ort und erhält die richtige Unterstützung - und nun schauen Sie sich mal an, was er für eine Leistung bringen kann."

Kimi fährt, um zu gewinnen und schert sich nicht um den Rest

Während Grosjean das Stigma des gescheiterten Talents anhaftete, wird seinem erfahreneren Teamkollegen Kimi Räikkönen vor allem sein mangelndes Interesse an Medienarbeit vorgehalten. Boullier ist überzeugt, den richtigen Weg gefunden zu haben, um den Finnen bei Laune zu halten. "Wir wissen, dass Kimi Medien und PR nicht leiden kann. Wieso sollten wir ihn also damit belästigen? Natürlich brauchen wir eine Balance zwischen seinen Bedürfnissen und den Erwartungen der Sponsoren", erläuterte der 38-Jährige. Aber Räikkönen wisse, dass das Team sehr viel Rücksicht auf seinen Zeitplan nehme und versuche, die Verpflichtungen in einem möglichst kleinen Rahmen zu halten.

"Er ist ein Rennfahrer, also fährt er, um zu gewinnen und schert sich nicht um den Rest", wusste Boullier. "Kimi ist wie ein wildes Tier und man muss ihn so rennen lassen, wie er es möchte." Das Dilemma des Finnen sei, dass seine Persönlichkeit ihn für Fans sehr interessant mache und er deshalb so berühmt sei. "Er und wir müssen uns damit abfinden, dass er viele Fans hat, also muss er bis zu einem gewissen Grad das Spiel mitspielen."

Trotz seiner mit 161 Grand Prix-Starts deutlich größeren Erfahrung in der Formel 1 ist Räikkönen keineswegs der Leader im Team. Früher habe das Team einen Fahrer gepusht, aber das habe sich definitiv geändert. "Ich möchte zwei schnelle Fahrer, denn nur so kommt man in der Konstrukteurs-Wertung nach vorne", ist der Teamchef überzeugt. Natürlich habe Räikkönen aufgrund seiner Erfahrung und seiner Persönlichkeit eine Art Führungsrolle inne, aber das bedeute eher, dass er mehr Aufmerksamkeit erhalte. "Beide wissen, dass wir niemals - abhängig von der Strategie auf der jeder von ihnen ist - einen bevorzugen werden. Es liegt an ihnen, sich gut zu qualifizieren und ein gutes Rennergebnis einzufahren. Wir geben ihnen nur das Werkzeug, um unter gleichen Bedingungen Leistung zu bringen."

Seine beiden Fahrer seien sehr verschieden, stellte Boullier fest und er erwartete keineswegs, dass sie Freundschaft schließen. "Ich glaube nicht, dass sie jemals zusammen in Urlaub fahren werden", scherzte er. "Aber sie müssen keine Freunde sein. Das ist nur meine Meinung", erklärte er. "Was ich von ihnen erwarte, ist, dass sie sich respektieren und nie vergessen, dass sie für das Team arbeiten."